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domus Deutsche Ausgabe 13-003
domus Deutsche Ausgabe 13-003
zur Zeitschrift: domus
Eine Frage der Qualität
„Ich mag Dinge, die dauerhaft sind und gut altern“, meinte der Schweizer Architekt Peter Zumthor im Juli bei der Eröffnung des Werkraum Hauses. In seinen Augen habe es diese Qualitäten schon im­mer gegeben, und erst seit 20 Jahren würden sie „Nachhaltigkeit“ genannt. Das neueste realisierte Projekt des Pritzker-Architektur-Preisträgers ist ein Haus für das Handwerk im Bregenzerwald, das wir Ihnen in dieser Ausgabe der deutschen Domus exklusiv vorstellen. Beim Bau waren fast ausschließlich Hand­werksbetriebe aus der Region beteiligt. Ihr Selbst­ver­ständnis und ihr Knowhow im Umgang mit lokalen Ressourcen sind die Grundlage für eine Bauausführung, die bis zu den Details überzeugt – als Gemeinschaftswerk von Architekten und Hand­­werkern. Während Handwerksberufe an­dern­orts ver­kümmern, erleben sie im Bregenzerwald eine regel­rechte Blüte. Die kulturellen Grundlagen dieses Phänomens deckt Florian Aicher in seinem Beitrag über die Hintergründe, die Haltung und den Alltag in einzelnen Handwerksbetrieben auf.

Qualität ist ebenso der Ausgangspunkt anderer Ansätze zur Nachhaltig­keit, die je nach Zielsetzung un­ter­­­­schiedlich ausfallen. Im Zusammenhang mit Zer­tifikaten, wie sie beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen oder vom U.S. Green Council ausgestellt werden, ist Nachhaltigkeit mit­hilfe umfassender Bewertungskataloge in einem Punktesystem messbar. Heide Schuster bringt Licht in das Dickicht verschiedener Zertifizierungsmethoden und erläutert Herkunft, Gemeinsamkeiten und Un­ter­schiede der bekanntesten Zertifikate. Dass Ener­­gieautarkie heute ein Lebensziel ist, das dank elaborierter Technologien in unmittelbare Nähe rückt, offenbart das Diogene-Projekt des italienischen Architekten Renzo Piano und des Vitra-Chairman Rolf Fehlbaum. Der Prototyp des Hauses mit 7,5 Quadratmetern Grundfläche ist durch seine stringente Energieplanung unabhängig vom allgemeinen Strom- und Versorgnungsnetz. Gleichzeitig aber bietet Diogene alles, was zum Leben nötig ist. Insofern ist das kleine Haus eine Art Urhütte, die Pianos Lebenstraum von individueller Freiheit und Unabhägigkeit wahr macht. Ähnliche Lebensqualitäten beanspruchte auch der Philosoph Diogenes gegenüber Alexander dem Großen für sich.
Viel Freude beim Lesen!

Sandra Hofmeister

Perfekte Details, handwerkliche Präzision, schöne Proportionen, das Zusammenspiel von Bau und Landschaft, Lichteinfall, Ausblick und Raumdimension: All das stimmig zu kombinieren, zählt zum Standardrepertoire echter Baukünstler. Einer, der dabei wahre Meisterschaft erlangte, ist Peter Zumthor. Sein revolutionärer Kollege Rem Koolhaas wagte erstmals den Dimensionssprung zum Möbel und entwarf für Knoll International „tools for life“. Joseph Grima sprach mit ihm. Auch Architektur kann als interaktiver Prozess betrachtet werden, bei dem der Austausch mit Nutzern, Anliegern und Betroffenen die Basis jeder gestalterischen Entscheidung bildet. Der Bau neuer Häuser für traumatisierte Menschen, die nach einer Katastrophe wie dem Tsunami in Japan plötzlich alles verloren haben, ist auch für Architekten eine spezielle Herausfoderung. Toyo Ito, Kumiko Inui, Sou Fujimoto und Akihisa Hirata ließen sich in der Stadt Rikuzentakata, die fast völlig zerstört wurde, auf eine lange, intensive Planungsphase ein. Das Resultat vieler Besuche und Begegnungen zwischen Architekten und Überlebenden sind Homes-for-All, die teils aus entrindeten, vom Tsunami entwurzelten Zedernstämmen gebaut wurden. Julian Worrall besuchte diesen Ort. Sein Bericht vermittelt das Ausmaß der Katastrophe ebenso wie die Kraft, die aus der Gemeinschaft erwachsen kann. Unweit vom Flughafen Nurita in Tokio realisierte Atelier Bow-Wow ein Betriebsgebäude, unter dessen Walmdächern eine landwirtschaftliche Produktion mit Restaurant steckt, in der körperlich und geistig Behinderte eine Erwerbsarbeit finden. In unseren Breiten entwickelte die Architektin Susanne Hofmann mit ihren Baupiloten Methoden, um in partizipativen Projekten die Vorstellungswelt künftiger Nutzer zu ergründen. Architektur kann also Rahmenbedingungen für eine bessere Gesellschaft schaffen.

Auch Design bewirkt mitunter einiges: So setzt Christoph Böninger mit Auerberg konsequent auf die Kooperation mit regionalen Handwerkern. Die Initiative Internoitaliano fördert italienische Traditionsbetriebe und spart Kosten, indem sie ihre Produkte direkt verbreitet. Das Duo Minale-Maeda bietet Anleitungen seiner Designs zum Download an. Man sieht: Soziale Nachhaltigkeit verträgt sich gut mit gestalterischer Qualität.

Die deutsche Domus gibt es ab jetzt auch als ePaper im iTunes-Store.

Isabella Marboe

03 Editorial
Eine Frage der Ressourcen | Sandra Hofmeister, Isabella Marboe
Ethik und Ästhetik | Gastkommentar Anna Heringer
33 Journal: Architektur, Design, Kunst
49 Fotoessay: African Years (1980–1985) | Jean-Philippe Vassal
60 Titelgeschichte: Atelier Peter Zumthor & Partner. Haus für das Handwerk. Werkraum in Andelsbuch | Sandra Hofmeister
68 In der Werkstatt der Gestaltung. Handwerkskultur im Bregenzerwald | Florian Aicher
72 Atelier Bow-Wow. Soziale Nachhaltigkeit für Körper und Seele | Yoshimura Yasutaka
78 Toyo Ito, Kumiko Inui, Sou Fujimoto, Akihisa Hirata. Katastrophenhilfe in Japan-Gemeinschaften wieder aufbauen | Julian Worrall
88 Diskurs: From Green to Blue. Nachhaltigkeitszertifikate im Überblick | Heide Schuster
94 Baupiloten: Kinder an die Macht! Bauen als kommunikativer Prozess | Interview: Susanne Hofmann, Isabella Marboe
98 Javier Corvalán. Wendepunkt. Vivienda Caja Oscura | Giacomo Favilli
104 Meine Feinde – meine Freunde: Christian Sumi, Zürich
106 Renzo Piano Building Workshop: Energieautarkie. Renzo Pianos Traum von einem
kleinen Haus | Hubertus Adam
110 Christoph Böninger. Auf dem Auerberg. Kalkulation und Nutzen | Markus Zehentbauer
116 Minale-Maeda. Inside-Out-Furniture. Das Duo Minale-Maeda | Elise van Mourik
122 Internoitaliano. Wohnkultur auf Italienisch. Die Initiative Internoitaliano | Giulio Iacchetti
126 Möbel von OMA. Eine Frage des Maßstabs. Rem Koolhaas im Gespräch | Interview: Joseph Grima
134 Diskurs: Licht im Museum. Lightopia oder Wie das Licht die Ausstellungswelt erobert | Interview: Jolanthe Kugler, Sandra Hofmeister
136 SuperNormal herausgegeben von Dan Hill. Vom Buch zur Infrastruktur. Der Erfolg von Amazon und Kindle | James Bridle
144 Meine Feinde – meine Freunde: Eric Degenhardt, Köln
146 Biennale Venedig: Der Pavillon Creppacio. Wo bleiben die jungen Künstler aus Venedig auf der Biennale? | Interview: Maurizio Cattelan, Caroline Corbetta
152 Reise in den anderen Irak. Kurdische Lebensrealitäten | Francesca Recchia
158 Chronik einer Region: Innenansichten aus dem irakischen Teil Kurdistans | Francesca Recchia
160 Essay: Technikzentrale und Kuschelküche. Zum Imagewandel von Räumen zum Essen und Kochen | Anneke Bokern
164 Produktkultur Küchen | Robert Haidinger
174 Aus dem Archiv: Weltausstellung 1958 in Brüssel. Jahrmarkt der Moderne | Luigi Spinelli, Elena Ferrari

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