Zeitschrift
domus Deutsche Ausgabe 15-012
Zu Hause in Berlin, München und Nairobi
Lange, sogar viel zu lange, wurde der Wohnungsbau in Deutschland vernachlässigt. Große Städte haben trotz des eklatanten Mangels an Wohnraum tatenlos zugesehen, wie die Wohnungsnot immer größer wurde und die Mieten in schwindelnde Höhen stiegen. Bauträger halten hartnäckig an Nullachtfünfzehn-Konzepten fest und setzen auf nichtssagende Einheitsgrundrisse für trostlose Wohneinheiten von der Stange. Für Qualität interessieren sich auch die Investoren nicht wirklich, schließlich finden überteuerte Angebote angesichts der großen Nachfrage so oder so reißenden Absatz.
Erst als die Gentrifizierung in mehereren Städten die Bürger zu Demonstrationen auf die Straße trieb, wurde die Öffentlichkeit wachgerüttelt und die Politik trat auf den Plan. Hinter den Kulissen haben gleichzeitig die Erfolge von Baugruppen, die auf eigene Faust Häuser entwickeln und individuellen Wohnraum schaffen, der gezielt auf unter-schiedliche Lebenssituationen eingeht, Schwung in die Diskussion über das Wohnen gebracht. Grundsatzfragen werden endlich und vielerorts neu verhandelt.
Zum Beispiel die, wie so ein ideales Zuhause eigentlich beschaffen sein soll und wie wir in Zukunft wohnen wollen. Welche Raumsituationen entsprechen unserem Alltag? Was wünschen und was brauchen wir zum Wohnen? Das klassische Reihenhaus am Stadtrand mit Garage und Thujenhecke war einmal der Lebenstraum einer ganzen Generation. Doch was passiert mit diesen alt gewordenen Lebensträumen, wenn die nächste Generation übernimmt und völlig andere Vorstellungen und Bedürfnisse hat? Den Prognosen zufolge werden vielerorts schon bald mehr Singles als Familien leben.
Trotzdem sind die Wohnflächen insgesamt ungleich verteilt, nämlich großteils auf Einfamilienhäuser. Rund 43 Prozent aller Haushalte in Deutschland leben in den eigenen vier Wänden. Doch wie müssen diese gestaltet sein, damit sie dem Alltag entsprechen? Wie können Wohnkonzepte auf Änderungen reagieren, damit sie längerfristig und nicht nur heute, sondern auch in zukünftigen Lebenssituationen brauchbar sind? Die März/April-Ausgabe der deutschen Domus stellt Ihnen Ideen für Orte vor, die auf Dauer oder temporär ein Gefühl von zu Hause vermitteln wollen - ganz gleich ob sie auf dem Land oder in der Stadt liegen, in Deutschland, Österreich oder Kenia. So unterschiedlich die einzelnen Häuser und Wohnungen architektonisch ausfallen, so individuell und maßgeschneidert sind sie: Sie gehen auf die Wünsche und Erwartungen ihrer Bewohner ein. Die Stadtvilla am Englischen Garten in München, von den Berliner Architekten Sauberbruch Hutton für eine Kunstsammlerin entworfen und exklusiv erstmals in der deutschen Domus vorgestellt, bekennt sich zur klassischen Villentypologie und frischt diese jahrhundertealte europäische Tradition gekonnt auf.
Aaron Betsky, Rektor der Frank Lloyd Wright School of Architecture, stellt Ihnen die Villa vor und beschreibt, wie die Architekten die Wohnvorstellungen der Bauherrin räumlich umgesetzt haben. Auch das Künstlerdomizil bei Berlin, ein Umbau des britischen Architekturbüros Caruso St John, sowie die Villa San Valerio in der Lombardei, ein barockes Anwesen, das Luigi Caccia Dominioni in den 1950er-Jahren umgestaltet hat, zeigen, wie historische Wohnkonzepte durch sensible Interventionen an neue Alltagsumstände angepasst werden können. Deutlich experimenteller fallen dagegen das schwimmende Y-Haus von Elmar Heimbach und Klemens Grund und das Ferienhaus in Chile von Mauricio Pezo und Sofia von Ellrichshausen aus. Beide Projekte setzen gewagte architektonische Konzepte um und laden ihre Bewohner zu neuen, außergewöhnlichen Wohnerfahrungen ein. Im Mehrgenerationenhaus, das der britische Architekt Jonathan Woolf am Stadtrand von Nairobi errichtet hat, ist diese Erfahrung nochmals anders dekliniert.
Denn hier geht es um ein gezieltes Miteinander, das durch Innenhöfe und verschiedene Ebenen organisiert ist. Die Diskursreihe der deutschen Domus macht in dieser Ausgabe einen Ausflug nach Wien: Dietmar Steiner blickt in seinem Essay auf die Besonderheit des geförderten Wohnungsbaus in der österreichischen Hauptstadt. Warum die architektonische Qualität dabei nicht ins Hintertreffen gerät, erläutert der Direktor des Architekturzentrums Wien unter anderem mit einem Exkurs zur konkreten Geschichte des Wohnens. Im Designteil in dieser Ausgabe stellen wir Ihnen die neuesten Entwürfe von Claudia Kleine und Jörg Kürschner vom Studio formstelle vor. Ihr Thonet-Loungesessel und die Ergänzungen der Morph-Sitzmöbelfamilie für Zeitraum machen deutlich, dass die beiden Gestalter Möbel nicht als Solitäre oder Einzelobjekte denken, sondern stets in einen räumlichen Kontext setzen. Auch die junge deutsch-iranische Künstlerin Bettina Pousttchi sucht in ihren Arbeiten den räumlichen Kontext – und findet ihn zum Beispiel im Stadtraum von Wolfsburg. Im Interview mit Eva Karcher geht die Künstlerin auf ihre jüngsten Arbeiten und ihr Lebensthema ein, nämlich die Zeit.
Unsere nächste Ausgabe erscheint wie gehabt in zwei Monaten, am 7. Mai.
Seite I Editorial von Sandra Hofmeister
Seite 12 Meldungen
Ansichten
Seite 27 Das Verlangen nach Licht. Mattijs Visser über die Wiederentdeckung von ZERO. Interview: Annexe Pokern.
Seite 30 Die andere Moderne Häusermodelle als künstlerisches Forschungsfeld.
Seite 32 Ideen für den Wohnungsbau.
Seite 36 In der Loge des Portiers. Zur Bedeutung einer aussterbenden Raumtypologie.
Seite 40 Botschafter für eine neue Existenz. Cucula Refugees Company for Craft and Design von Katharina Horstmann.
Seite 44 Zeichen und Wunder von Gerrit Terstiege.
Seite 46 Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Madrid von Luis Maldonado Ramos.
Projekte
Seite 51 Stadtvilla am Englischen Garten. Traditionelles Wohnen mit neuer Note von Aaron Betsky.
Seite 60 Diskurs: Wohnbau in Wien von Dietmar Steiner.
Seite 62 Zuhause auf dem Wasser. Refugium bei Hannover von Clara Welbergen.
Seite 66 Künstlerdomizil bei Berlin. Umbau einer alten Mühle.
Seite 72 Ferienhaus in Florida, Chile. Raumfolge und geometrische Raster.
Seite 78 Villa am Hang in Nairobi. Mehrgenerationenhaus mit Pavillons.
Seite 86 Storchenhaus in Raiding. Kommentar: Zeit der Natur von Hannes Rössler.
Seite 96 Manifest des Wohnens.
Seite 102 Villa San Valerio. Zum Umbau einer lombardischen Barockvilla von Gianluca Gelmini.
Seite 112 Meine Freunde / Meine Feinde. AllesWirdGut.
Seite 114 Testlauf. Neueste Entwürfe von Studio formstelle von Sandra Hofmeister.
Seite 122 Fahrräder von heute von Massimo Curzi.
Seite 130 Issey Miyake in London.
Seite 138 Meine Freunde / Meine Feinde von Heike Guggenbichler.
Seite 140 Zeit ist mein Lebensthema. Interview: Eva Karcher.
Produktkultur
Seite 146 Die dritte Haut von Norman Kielmann.
Seite 148 Fassaden, Fenster, Böden von Robert Haidinger.
Feedback
Seite 157 Chicago von Xavier Vendrell.
Cover: Die bunten Fassaden der Stadtvilla am Englischen Garten in München erinnern an ein pointilistisches Gemälde. Das Gestaltungskonzept der Berliner Architekten Sauerbruch Hutton sieht insgesamt 15 Farben vor - von zartem Hellgelb bis zu kräftigen Himbeertönen. Die Höcker der insgesamt 58.000 Fassadenziegel wurden nach einem genauen Plan mit der Keramikfarbe glasiert. Foto: Stefan Müller-Naumann
Lange, sogar viel zu lange, wurde der Wohnungsbau in Deutschland vernachlässigt. Große Städte haben trotz des eklatanten Mangels an Wohnraum tatenlos zugesehen, wie die Wohnungsnot immer größer wurde und die Mieten in schwindelnde Höhen stiegen. Bauträger halten hartnäckig an Nullachtfünfzehn-Konzepten fest und setzen auf nichtssagende Einheitsgrundrisse für trostlose Wohneinheiten von der Stange. Für Qualität interessieren sich auch die Investoren nicht wirklich, schließlich finden überteuerte Angebote angesichts der großen Nachfrage so oder so reißenden Absatz.
Erst als die Gentrifizierung in mehereren Städten die Bürger zu Demonstrationen auf die Straße trieb, wurde die Öffentlichkeit wachgerüttelt und die Politik trat auf den Plan. Hinter den Kulissen haben gleichzeitig die Erfolge von Baugruppen, die auf eigene Faust Häuser entwickeln und individuellen Wohnraum schaffen, der gezielt auf unter-schiedliche Lebenssituationen eingeht, Schwung in die Diskussion über das Wohnen gebracht. Grundsatzfragen werden endlich und vielerorts neu verhandelt.
Zum Beispiel die, wie so ein ideales Zuhause eigentlich beschaffen sein soll und wie wir in Zukunft wohnen wollen. Welche Raumsituationen entsprechen unserem Alltag? Was wünschen und was brauchen wir zum Wohnen? Das klassische Reihenhaus am Stadtrand mit Garage und Thujenhecke war einmal der Lebenstraum einer ganzen Generation. Doch was passiert mit diesen alt gewordenen Lebensträumen, wenn die nächste Generation übernimmt und völlig andere Vorstellungen und Bedürfnisse hat? Den Prognosen zufolge werden vielerorts schon bald mehr Singles als Familien leben.
Trotzdem sind die Wohnflächen insgesamt ungleich verteilt, nämlich großteils auf Einfamilienhäuser. Rund 43 Prozent aller Haushalte in Deutschland leben in den eigenen vier Wänden. Doch wie müssen diese gestaltet sein, damit sie dem Alltag entsprechen? Wie können Wohnkonzepte auf Änderungen reagieren, damit sie längerfristig und nicht nur heute, sondern auch in zukünftigen Lebenssituationen brauchbar sind? Die März/April-Ausgabe der deutschen Domus stellt Ihnen Ideen für Orte vor, die auf Dauer oder temporär ein Gefühl von zu Hause vermitteln wollen - ganz gleich ob sie auf dem Land oder in der Stadt liegen, in Deutschland, Österreich oder Kenia. So unterschiedlich die einzelnen Häuser und Wohnungen architektonisch ausfallen, so individuell und maßgeschneidert sind sie: Sie gehen auf die Wünsche und Erwartungen ihrer Bewohner ein. Die Stadtvilla am Englischen Garten in München, von den Berliner Architekten Sauberbruch Hutton für eine Kunstsammlerin entworfen und exklusiv erstmals in der deutschen Domus vorgestellt, bekennt sich zur klassischen Villentypologie und frischt diese jahrhundertealte europäische Tradition gekonnt auf.
Aaron Betsky, Rektor der Frank Lloyd Wright School of Architecture, stellt Ihnen die Villa vor und beschreibt, wie die Architekten die Wohnvorstellungen der Bauherrin räumlich umgesetzt haben. Auch das Künstlerdomizil bei Berlin, ein Umbau des britischen Architekturbüros Caruso St John, sowie die Villa San Valerio in der Lombardei, ein barockes Anwesen, das Luigi Caccia Dominioni in den 1950er-Jahren umgestaltet hat, zeigen, wie historische Wohnkonzepte durch sensible Interventionen an neue Alltagsumstände angepasst werden können. Deutlich experimenteller fallen dagegen das schwimmende Y-Haus von Elmar Heimbach und Klemens Grund und das Ferienhaus in Chile von Mauricio Pezo und Sofia von Ellrichshausen aus. Beide Projekte setzen gewagte architektonische Konzepte um und laden ihre Bewohner zu neuen, außergewöhnlichen Wohnerfahrungen ein. Im Mehrgenerationenhaus, das der britische Architekt Jonathan Woolf am Stadtrand von Nairobi errichtet hat, ist diese Erfahrung nochmals anders dekliniert.
Denn hier geht es um ein gezieltes Miteinander, das durch Innenhöfe und verschiedene Ebenen organisiert ist. Die Diskursreihe der deutschen Domus macht in dieser Ausgabe einen Ausflug nach Wien: Dietmar Steiner blickt in seinem Essay auf die Besonderheit des geförderten Wohnungsbaus in der österreichischen Hauptstadt. Warum die architektonische Qualität dabei nicht ins Hintertreffen gerät, erläutert der Direktor des Architekturzentrums Wien unter anderem mit einem Exkurs zur konkreten Geschichte des Wohnens. Im Designteil in dieser Ausgabe stellen wir Ihnen die neuesten Entwürfe von Claudia Kleine und Jörg Kürschner vom Studio formstelle vor. Ihr Thonet-Loungesessel und die Ergänzungen der Morph-Sitzmöbelfamilie für Zeitraum machen deutlich, dass die beiden Gestalter Möbel nicht als Solitäre oder Einzelobjekte denken, sondern stets in einen räumlichen Kontext setzen. Auch die junge deutsch-iranische Künstlerin Bettina Pousttchi sucht in ihren Arbeiten den räumlichen Kontext – und findet ihn zum Beispiel im Stadtraum von Wolfsburg. Im Interview mit Eva Karcher geht die Künstlerin auf ihre jüngsten Arbeiten und ihr Lebensthema ein, nämlich die Zeit.
Unsere nächste Ausgabe erscheint wie gehabt in zwei Monaten, am 7. Mai.
Seite I Editorial von Sandra Hofmeister
Seite 12 Meldungen
Ansichten
Seite 27 Das Verlangen nach Licht. Mattijs Visser über die Wiederentdeckung von ZERO. Interview: Annexe Pokern.
Seite 30 Die andere Moderne Häusermodelle als künstlerisches Forschungsfeld.
Seite 32 Ideen für den Wohnungsbau.
Seite 36 In der Loge des Portiers. Zur Bedeutung einer aussterbenden Raumtypologie.
Seite 40 Botschafter für eine neue Existenz. Cucula Refugees Company for Craft and Design von Katharina Horstmann.
Seite 44 Zeichen und Wunder von Gerrit Terstiege.
Seite 46 Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Madrid von Luis Maldonado Ramos.
Projekte
Seite 51 Stadtvilla am Englischen Garten. Traditionelles Wohnen mit neuer Note von Aaron Betsky.
Seite 60 Diskurs: Wohnbau in Wien von Dietmar Steiner.
Seite 62 Zuhause auf dem Wasser. Refugium bei Hannover von Clara Welbergen.
Seite 66 Künstlerdomizil bei Berlin. Umbau einer alten Mühle.
Seite 72 Ferienhaus in Florida, Chile. Raumfolge und geometrische Raster.
Seite 78 Villa am Hang in Nairobi. Mehrgenerationenhaus mit Pavillons.
Seite 86 Storchenhaus in Raiding. Kommentar: Zeit der Natur von Hannes Rössler.
Seite 96 Manifest des Wohnens.
Seite 102 Villa San Valerio. Zum Umbau einer lombardischen Barockvilla von Gianluca Gelmini.
Seite 112 Meine Freunde / Meine Feinde. AllesWirdGut.
Seite 114 Testlauf. Neueste Entwürfe von Studio formstelle von Sandra Hofmeister.
Seite 122 Fahrräder von heute von Massimo Curzi.
Seite 130 Issey Miyake in London.
Seite 138 Meine Freunde / Meine Feinde von Heike Guggenbichler.
Seite 140 Zeit ist mein Lebensthema. Interview: Eva Karcher.
Produktkultur
Seite 146 Die dritte Haut von Norman Kielmann.
Seite 148 Fassaden, Fenster, Böden von Robert Haidinger.
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Seite 157 Chicago von Xavier Vendrell.
Cover: Die bunten Fassaden der Stadtvilla am Englischen Garten in München erinnern an ein pointilistisches Gemälde. Das Gestaltungskonzept der Berliner Architekten Sauerbruch Hutton sieht insgesamt 15 Farben vor - von zartem Hellgelb bis zu kräftigen Himbeertönen. Die Höcker der insgesamt 58.000 Fassadenziegel wurden nach einem genauen Plan mit der Keramikfarbe glasiert. Foto: Stefan Müller-Naumann
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