Zeitschrift

tec21 2006|24
Fussball und Baugeschichte
tec21 2006|24
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Komfort, Kommerz, Kontrolle

Der Fussball hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem florierenden Wirtschaftszweig entwickelt. Die weltumspannende Vermarktung für die Massen vor den Fernsehgeräten hat drastische Konsequenzen für die wenigen Zuschauer in den Stadien. Im Zuge der Umwälzungen verändern moderne Fussballarenen den Sport und die Besucher.

Es geht zurzeit so einiges verloren, was für den Fussball und beim Besuch eines Fussballspiels bis vor kurzem wichtig und schön war. Es fehlt plötzlich die physische Dichte der alten Stehplatzrampen – die Individualität und Bewegungsfreiheit ist in reinen Sitzplatzsektoren stark eingeschränkt. Verloren gehen spontane und unvorhersehbare Elemente, verloren geht eine verbale (Schmäh-)Kultur. Die Fans, in ihrer ursprünglichen Form, Teilnehmer am Spektakel, werden von den Clubs und den Stadionmanagern zu Statisten degradiert. Statisten, die bei Spielbeginn artig mit den Sponsorenfähnchen zu wedeln haben, die als perfekte Kulisse und Inszenierung für die lukrative TV-Übertragung herhalten müssen. Von der Masse wird erwartet, dass sie ihre Rolle perfekt spielt.

Zuschauer werden in modernen Arenen in erster Linie als Konsumenten behandelt. Die Stadien verfügen über interne, bargeldlose Zahlungssysteme. Mit herkömmlichem Geld kann man oft nichts mehr kaufen. Statt dessen regiert der Ajax-Dollar und die Schalke-Karte. Die Sportvereine werden von ihren Marketingexperten mehr und mehr gleichgemacht. Durch die Angleichung der Stadien an geltende Uefa- und Fifa-Standards (Sicherheit, Vermarktung, Catering, Komfort) ist eine Homogenisierung des Fussballspiels auszumachen. Ein Stadion gleicht dem anderen, ein Spielbesuch dem nächsten.

Architektonisch sind heutige Stadien eher geschlossene als offene Bauten. Die Dächer ziehen sich weit oben über dem Feld fast zu einer Halle zusammen. Die Weite und Offenheit der älteren, ungedeckten Stehplatzrampen ist nicht mehr gefragt. Auch eine örtliche Verschiebung ist auszumachen. Statt wie früher mitten in den Arbeiterquartieren, befinden sich Stadien heute von der Umwelt abgekapselt weit draussen vor den Städten. Im Gegensatz zu den zwei im Heft vorgestellten Stadien in Berlin und Leipzig werden die neuen Stadien für die grossen Euro- und WM-Turniere häufig an Orte gepflanzt werden, die nach den grossen Meisterschaften keine adäquate Verwendung mehr finden.

Doch wundern muss man sich über die Veränderungen nicht. In den Stadien ist ja bloss eine Verdichtung der sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen zu beobachten. Die verstärkte Kontrolle der Bevölkerung, die sich im Stadion durch omnipräsente Überwachungskameras, personalisierte Tickets und Wegweisungsgesetze manifestiert, ist ebenso wenig ein fussballspezifisches Phänomen wie die verstärkte Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen. Und die überhöhte Kommerzialisierung und «Mediatisierung» durchdringt alle Lebensbereiche des modernen Menschen, nicht nur seine Fussballwelt.

Saro Pepe, Betriebsleiter der Fussball- und Kultur-Bar «Flachpass» im Zürcher Stadion Letzigrund, das am 1. September 2006 abgerissen wird und einem Neubau weichen muss.

Olympiastadion Berlin
Anna Maria Odenthal
Die Sanierung und Modernisierung des ideologisch belasteten Berliner Olympiastadions bewahrte auch dessen Umgebung vor dem weiteren Verfall.

Leichte Überdeckung
Katinka Corts
Für das Berliner Stadion forderte die Fifa eine Tribünenüberdachung, der Denkmalschutz die Bewahrung der Sichtachsen im Stadion. Die Architekten von Gerkan, Marg und Partner entwickelten eine leichte Kragarmkonstruktion.

Zentralstadion Leipzig
Katinka Corts
In den aus Kriegstrümmern gebauten Stadionwall von 1955 setzten die Basler Architekten Wirth+Wirth behutsam einen Neubau für die WM ein.

SIA: Umsicht - Regards - Sguardi
Charles von Büren
Der SIA will zeigen, wie er und seine Mitglieder als Gestalter einer
nachhaltigen Entwicklung handeln. Dazu hat er eine Auszeichnung
ausgeschrieben.

Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Das Ende der Briefämter: Schanzenpost in Bern / Diskret: Kantonalbank in Zug

Magazin
Rund um den Fussball / Museen im 21. Jahrhundert / Le Corbusier, der Künstler / Sonnenenergie für Mehrfamilienhäuser / Schwarzstäube und Brandruss / Meisterleistungen mit Holz / Führung Saffa-Haus / In Kürze

Aus dem SIA
LHO 2003 als Chance / Einigung beim Bundesgesetz über die Geoinformation / Vernehmlassungen zu SIA 105 und SIA 144 / Vorteilhafte Normenabonnemente

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