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werk, bauen + wohnen 10-16
Behauster Schatten
werk, bauen + wohnen 10-16
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Licht und Schatten zählen zu den wichtigsten Baustoffen der Architektur. Sie sind frei verfügbar, aber doch keine verlässlichen Gesellen. Der Schatten ändert dauernd seinen Standpunkt, verschwindet mitunter ganz oder bleibt über Tage verschollen: eine Laune der Natur. Trotzdem ist er unverzichtbar, wenn es gilt, der Architektur Körper und Plastizität zu verleihen. Ohne Schattenspiel bleibt sie flache Ware. Das Relief von Pfeilern, Lisenen und Gesimsen verlieh Bauten in der Geschichte besondere Bedeutung und Kraft. Wo das Relief sich als Loggia oder Veranda zum Raum weitet und zur begehbaren Zone wird, legt sich die Fassade Tiefe zu. Wir kennen dieses Phänomen aus der Antike: vom Säulenkranz griechischer Tempel. Als Gewand des Tempels und Ort des Kults war er ein Raum des Übergangs. Bei einem profanen Bauwerk verlängert ein solcher Bereich zeitlich und räumlich den Eintritt oder das Verlassen, er verleiht der Ankunft und dem Abschied einen feierlichen Rahmen. Darüber hinaus ist er auch ein Ort zum Verweilen: im öffentlichen Bau wie im privaten Haus. Was wäre ein solcher Raum ohne das natürliche Licht, das ihm erst die Konturen verleiht? Schwellenräume sind von eminenter Bedeutung im Wohnumfeld und gewinnen in der dichter werdenden Stadt noch zusätzlich an Gehalt. Loggien, Balkone und Veranden sind Pufferzonen der Verdichtung. Geschickt eingesetzte Regulierungsmöglichkeiten von Ein- wie Ausblick ermöglichen Abgrenzung oder Exposition nach Bedarf. Das ist oftmals entscheidend für ein gelungenes Miteinander in der Nachbarschaft. Der Raum zwischen dem Innen und Aussen kleidet das Haus, und dieses Kleid wird durch Licht und Schatten erst lebendig.

Die Fassade ist nicht nur Passage und Ort, sondern verweist auch auf ihr Dahinter, die Funktion. Eine tiefe Fassade signalisiert Offenheit, ist einladende Geste. Gerade in der Sockelzone vermag ein Bau etwas für die Stadt zu leisten, sei es mit Portikus oder Vordach: Der Schatten macht die Differenz. All das ist schön und gut. Wenn aber mit dem Investor heute über Putzstärken gestritten wird, um im Innern noch letzte renditetragende Quadratzentimeter herauszuschinden, geht meist der Fassade zuerst die Puste aus. Deshalb sind wir überzeugt davon, dass die Baukunst des Schattens wieder ins richtige Licht gesetzt werden soll.

Klippe wird Raum
Neues Hauptgebäude der UTEC-Universität in Lima von Grafton Architects
Frederick Cooper Llosa, Grafton Architects (Bilder)

Hüllschicht am Habitat
Wohnensemble in Lyon von Eric Lapierre
Alois Diethelm, ELEX (Bilder)

Verschattung seiner selbst
Einfamilienhaus von Buchner Bründler in Lörrach
Susann Vécsey, Ruedi Walti (Bilder)

Geheimnisvolles Versprechen
Erweiterung des Sprengel Museums Hannover von Meili & Peter Architekten
Olaf Bartels, Georg Aerni (Bilder)

Chiaroscuro
Bedeutungstiefe des Hell-Dunkelkontrasts
Sylvain Malfroy

Zudem
Leserbrief: Christian Kerez kristisiert in seiner Zuschrift unsere Kritik an seinem Biennale-Beitrag.
Debatte: Im Meer der Bilder und Referenzen drohen die Kernthemen von Architektur zu ertrinken, warnt Architektin Astrid Staufer: nämlich Inhalt, Raum und Konstruktion. Ist das Geschichtenerzählen ein Ausweg aus der Bilderflut?
Wettbewerb: Wie lässt sich im mittelalterlichen Kern von Rheinfelden, direkt an der Rheinbrücke, ein Grosskomplex mit Hotel und Klinik einfügen? Das Siegerprojekt von Miller & Maranta löst die volumetrischen Probleme, urteilt Martin Tschanz, doch mit der schematisch-abstrakten Fassade leistet der projektierte Neubau zu wenig Eigenes.
Recht: Die funktionalen Bedürfnisse der Nutzer haben den Vorrang vor dem Urheberrecht des Architekten, urteilt das Bundesgericht mit einer wenig plausiblen Begründung, meint Isabelle Vogt.
Bücher: Ein unverzichtbares Standardwerk ist die neu erschienene Geschichte der Landschaft in der Schweiz, findet Chefredaktor Daniel Kurz. Ausserdem für Sie gelesen: zwei gewichtige Sammelwerke zum dichten Wohnen im Low-rise wie auch im High-rise.
Ausstellungen: Zwei Ausstellungen in Zürich: Das Kunsthaus zeigt Architektur im Bild, das Institut gta eine Schau über den japanischen Architekten Kazuo Shinohara, dem wir 2015 ein monografisches Heft widmeten.
Kolumne: Architektur ist … in Bewegung
Bauten: Happy End für ein Trauma? Neugestaltung Forum des Halles in Paris von Patrick Berger
Bauten: Im chinesischen Hinterland. Arbeiten des Büros Rural Urban Framework
werk-material: Pilatus-Akademie in Luzern von Lütolf und Scheuner Architekten, Luzern
werk-material: Centro di formazione G S, Bellinzona di conte pianetti zanetta architetti, Lugano-Carabbia

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