Zeitschrift
anthos 2017/02
Räume für Bewegung
Wir räumen unsere Kinder auf, wie Geschirr in einen Schrank. Spielen dürfen sie nur in dafür vorgesehenen Bereichen, dort stehen Rutsche, Leiter, Schaukel aus dem Katalog. Drum herum ist es verdichtet, parkieren Autos. Oder sind andere Funktionen vorgesehen.
Wir waren als Kinder am liebsten auf der – verbotenen – alten Mülldeponie oder an den – ebenfalls verbotenen – Uferstreifen am nahen Fluss. Das roch nicht nur nach Abenteuer, es waren welche: Die Angriffe der Schwäne zur Brutzeit, wenn wir ihren Nestern auf der Suche nach Geheimnissen zu nahe kamen. Oder wenn wir auf der Müllhalde beim Herumklettern einbrachen, weil Plastikwannen mürbe geworden waren. Gefährlich und lehrreich. Spielplätze gab es auch, am beliebtesten war der am Bach mit einem Ausgang auf den Uferweg. Er lag abseits, Erwachsene kamen hier kaum vorbei. Es gab nur einen alten Sandkasten und drei Metallstangen, an denen wir Turnübungen machten, bis uns die Kraft in den Armen ausging.
Heute sehen Kinderspielplätze, insbesondere im Umfeld von Neubausiedlungen, häufig aus wie die Anlagen für Geissen in den Tierparks und Streichelzoos. Ein Metallzaun schützt das Innen vor dem Aussen, das Tor ist abgeschlossen, Zu- und Ausgang kontrollierbar. Die Bodenbeläge sind pflegeleicht, wischfest gewissermassen. Sandkästen sind aus der Mode – die Katzen. Klettergeräte haben überschaubare Höhen und stehen auf kaum überschaubaren Fallschutzmatten. Sie sind nach ergonomischen Richtlinien ideal für das Training eines Zwei- bis Dreijährigen ausgelegt, der einzelne Muskelpartien stärker ausbilden oder das Gleichgewicht trainieren soll. Und entsprechen den Europäischen DIN-Normen.
Zum grossen Glück aber gibt es sie dennoch: «die anderen». Konzepte wie jenes des öffentlichen Raums in Reutlingen, der gesamthaft als Bewegungsfläche mit Angeboten für alle entwickelt wird. Parcours-Sportler, die sich die Stadt für ihre Hindurch-Bewegung zunutze machen – und Zwischenräume, die sich funktionslos dazu anbieten, ohne bereits auch im ewigen Verwertungskreislauf funktionell gefangen zu sein. Vordenker wie den dänischen Architekten und Stadtplaner Jan Gehl, der in seinen Vorträgen und Publikationen schon seit den 1980er-Jahren dazu aufruft, die städtebauliche Infrastruktur und damit die Lebensqualität der Menschen, insbesondere der Fussgänger, Radfahrer, Kinder und Senioren zu verbessern.
Räume für Bewegung gibt es überall! Hier die sorgfältig gestaltete Anlage, dort den angeeigneten Ort, hier die Brache, dort den Park. Der Mix ist nicht nur für die Nutzer:innen attraktiv, auch für die kommunalen Haushalte, denn nicht jede Fläche bedeutet aufwändigen und teuren Unterhalt. Nutzen, pflegen, entwickeln und erhalten wir sie. Und tragen gemeinsam Sorge, dass sie zugänglich für alle bleiben.
Sabine Wolf
Dirk Schelhorn: Einfach bewegen in kommunalen Alltagsräumen!
Frode Birk Nielsen, Susanne Renée Grunkin, Pawel Antoni Lange: Der fliegende Teppich und die Hafenschule
Marie-Hélène Giraud: Öffentlicher Raum zum Spielen
Zélie Schaller: Stadtplanung für alle
Gabriela Muri, Sabine Friedrich, Dave Mischler: Bühnen für Bewegung und Begegnung
Andrea Cejka, Stefan Reimann: Plantage Potsdam
Sabine Wolf: Pingpong – Ping-pong
Rosa Diketmüller, Heide Studer: Bewegungspärke für ältere Menschen
Reto Rupf: Umweltauswirkungen von Grossanlässen
Jörg Michel: Umgestaltung des Stade Pierre-de-Coubertin
Ralf Maier: Wenn Normen und Vorlieben aufeinandertreffen
Daniel Jauslin: Quartiergarten an der Nordsee
Thomas Herrgen: Raum – Bewegung – Freiheit
Wir waren als Kinder am liebsten auf der – verbotenen – alten Mülldeponie oder an den – ebenfalls verbotenen – Uferstreifen am nahen Fluss. Das roch nicht nur nach Abenteuer, es waren welche: Die Angriffe der Schwäne zur Brutzeit, wenn wir ihren Nestern auf der Suche nach Geheimnissen zu nahe kamen. Oder wenn wir auf der Müllhalde beim Herumklettern einbrachen, weil Plastikwannen mürbe geworden waren. Gefährlich und lehrreich. Spielplätze gab es auch, am beliebtesten war der am Bach mit einem Ausgang auf den Uferweg. Er lag abseits, Erwachsene kamen hier kaum vorbei. Es gab nur einen alten Sandkasten und drei Metallstangen, an denen wir Turnübungen machten, bis uns die Kraft in den Armen ausging.
Heute sehen Kinderspielplätze, insbesondere im Umfeld von Neubausiedlungen, häufig aus wie die Anlagen für Geissen in den Tierparks und Streichelzoos. Ein Metallzaun schützt das Innen vor dem Aussen, das Tor ist abgeschlossen, Zu- und Ausgang kontrollierbar. Die Bodenbeläge sind pflegeleicht, wischfest gewissermassen. Sandkästen sind aus der Mode – die Katzen. Klettergeräte haben überschaubare Höhen und stehen auf kaum überschaubaren Fallschutzmatten. Sie sind nach ergonomischen Richtlinien ideal für das Training eines Zwei- bis Dreijährigen ausgelegt, der einzelne Muskelpartien stärker ausbilden oder das Gleichgewicht trainieren soll. Und entsprechen den Europäischen DIN-Normen.
Zum grossen Glück aber gibt es sie dennoch: «die anderen». Konzepte wie jenes des öffentlichen Raums in Reutlingen, der gesamthaft als Bewegungsfläche mit Angeboten für alle entwickelt wird. Parcours-Sportler, die sich die Stadt für ihre Hindurch-Bewegung zunutze machen – und Zwischenräume, die sich funktionslos dazu anbieten, ohne bereits auch im ewigen Verwertungskreislauf funktionell gefangen zu sein. Vordenker wie den dänischen Architekten und Stadtplaner Jan Gehl, der in seinen Vorträgen und Publikationen schon seit den 1980er-Jahren dazu aufruft, die städtebauliche Infrastruktur und damit die Lebensqualität der Menschen, insbesondere der Fussgänger, Radfahrer, Kinder und Senioren zu verbessern.
Räume für Bewegung gibt es überall! Hier die sorgfältig gestaltete Anlage, dort den angeeigneten Ort, hier die Brache, dort den Park. Der Mix ist nicht nur für die Nutzer:innen attraktiv, auch für die kommunalen Haushalte, denn nicht jede Fläche bedeutet aufwändigen und teuren Unterhalt. Nutzen, pflegen, entwickeln und erhalten wir sie. Und tragen gemeinsam Sorge, dass sie zugänglich für alle bleiben.
Sabine Wolf
Dirk Schelhorn: Einfach bewegen in kommunalen Alltagsräumen!
Frode Birk Nielsen, Susanne Renée Grunkin, Pawel Antoni Lange: Der fliegende Teppich und die Hafenschule
Marie-Hélène Giraud: Öffentlicher Raum zum Spielen
Zélie Schaller: Stadtplanung für alle
Gabriela Muri, Sabine Friedrich, Dave Mischler: Bühnen für Bewegung und Begegnung
Andrea Cejka, Stefan Reimann: Plantage Potsdam
Sabine Wolf: Pingpong – Ping-pong
Rosa Diketmüller, Heide Studer: Bewegungspärke für ältere Menschen
Reto Rupf: Umweltauswirkungen von Grossanlässen
Jörg Michel: Umgestaltung des Stade Pierre-de-Coubertin
Ralf Maier: Wenn Normen und Vorlieben aufeinandertreffen
Daniel Jauslin: Quartiergarten an der Nordsee
Thomas Herrgen: Raum – Bewegung – Freiheit
Weiterführende Links:
Ast & Fischer AG [anthos]
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