Zeitschrift

archithese 3.2005
Bauen in den Bergen
archithese 3.2005
zur Zeitschrift: archithese
Herausgeber:in: FSAI
Verlag: niggli
Als Gottfried Semper die Villa Garbald für Castasegna entwarf, interessiert es ihn wenig, wie man denn eigentlich im Bergell zu bauen hätte. Er wählte ein Vorbild, das in der Zeit modisch war und auch an anderem Ort und in anderer Landschaft hätte errichtet werden können: ein italienisches Landhaus. Erst gegen 1900 wurde die Frage gestellt, ob es einen den Bergen angemessenen Baustil geben könne. Die Protagonisten des Schweizer Heimatschutzes verwahrten sich gegen den als fremd empfundenen Importstil der Hotelpaläste von St. Moritz und suchten eine Verbindung zu ortsspezifischen Bautraditionen, und Adolf Loos stellte wenig später seine Regeln für den, der in den Bergen baut auf.

Allerdings: Auch der Heimatschutz trat erst auf den Plan, als die Tradition längst bedroht, wenn nicht gar abgerissen war. Und Natur und ländliches Leben sind seit der Romantik zunächst ohnehin Konstrukte. Der Blick auf die Bergwelt und damit die Frage, wie man dort bauen sollte, ist somit stark von ideologischen Einstellungen geprägt – bis heute.

Loos’ Diktum, in den Bergen nicht malerisch zu bauen, mag man akzeptieren. Aber was spricht gegen die von Loos verdammte Vertikale? Ist ein Hochhausprojekt, wie es Herzog & de Meuron für die Schatzalp in Davos vorschlagen, ein gangbarer Weg oder ein falscher? Passen die Projekte, die UN Studio oder Norman Foster in Davos oder Zuoz realisiert haben, in die Landschaft oder nicht? Und warum eigentlich sollte der Erweiterungsbau der Villa Garbald, der sich auf Vogelfangtürme in Norditalien beruft, authentischer sein?
Allerdings führen ästhetische Fragen, so interessant sie auch sein mögen, nur bedingt weiter. Es wird viel gebaut in den Bergen, vor allem in Orten wie St. Moritz. Bauland in attraktiven Orten ist gefragt, Ferienwohnungen, die grosse Teile des Jahres leer stehen, prägen viele Siedlungsbereiche. Bleibt die Nachfrage von aussen nach temporären Domizilen auch ungebrochen, so siedeln mehr und mehr permanente Bewohner der Alpenregionen in die Städte ab. Marcel Meili und das ETH Studio Basel stellen daher die Frage, ob die dauerhafte Besiedlung des hochalpinen Raums ökonomisch und ökologisch vertretbar ist.

Dass auch die Tourismusindustrie selbst in die Krise geraten ist, offenbaren die sinkenden Belegungszahlen vieler Beherbergungsbetriebe. Es gilt, sich umzuorientieren und auf eine andere Form des Tourismus zu setzen. Projekte wie das Ecomuseum Viamala, der Umbau des Hotels Castell in Zuoz oder das Projekt für das Haus Piz Tschütt in Vnà zeigen ein neues Bewusstsein für eine Balance von Natur, Kultur und Tourismus – und wären wohl ohne das erfolgreiche Vorbild der Therme Vals kaum vorstellbar. Es sind diese vergleichsweise kleinen Projekte, die Hoffnung geben, auch wenn sie an der Grundproblematik der alpinen Besiedlung nur wenig zu rühren vermögen.

In den Bergen bauen – Kontinuität eines Diskurses
St. Moritz existiert nicht
Vorwärts zur Natur? Die Urbanität alpiner Regionen
Alpine Moderne in Tirol und Südtirol

Bauten und Projekte: Herzog & de Meuron,
UN Studio, Miller & Maranta, Hans-Jörg Ruch,
Jürg Conzett, Mario Botta, Matteo Thun

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