Publikation
Keine Würfelwelt
Architekturpositionen einer „bodenständigen“ Moderne
ISBN: 978-3-901174-65-0
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2007
Umfang: 254 S.,
Format: englisch broschiert, 29 x 22 cm
Schwarz und Weiß – das meint innerhalb der Architekturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem eines: historisierender Traditionalismus kontra polyglotte, erhaben schlichte und eben weiße Moderne. Dieser Logik folgen bislang die allermeisten Architekturgeschichten. Schon weil die strenge Unterscheidung zwischen Schnörkelverliebtheit einerseits und heroisch strahlender Erneuerung andererseits ja so hilfreich ist, einen ästhetisch normativen Kanon des Neuen von der schwarzen Liste des Überkommenen abzugrenzen. Sieht man genauer hin, wird deutlich, dass diese Bipolarität mehr eine Erfindung der Nachwelt ist, als dass sie die Architektur von vornherein bestimmte. Die Sache ist eben komplexer als die Porponenten einfacher, zweiwertiger Differenzierung es einen glauben machen wollen. Besonders wenn man aufs Detail, auf die steirische Architekturszene fokussiert.
Schon in ihrer ersten, groß angelegten Studie zur steirischen Architektur „Moderner Stil und heimisches Bauen“ ist es Antje Senarclens de Grancy gelungen, das breite Kräftefeld nach zu zeichnen, auf welchem die hiesigen Vorstellungen eines „bodenständigen“, „heimischen“ Bauens aus dem ideologischen Streit zwischen „Moderne“ und „Antimoderne“ hervorgingen. Schon hier war es der Autorin darum zu tun, die kulturellen Rahmenbedingungen des Bauens genauso wie die zeitgenössische Rezeption des Gebauten mitzureflektieren, also jene Prozesse auszuleuchten, die für die Generierung von Bedeutung, für die Kodierung und Umkodierung von Architektur verantwortlich sind.
Stand in „Moderner Stil und heimisches Bauen“ die Zeit um 1900 im Fokus der Analyse, geht die Autorin jetzt, chronologisch voranschreitend, auf die zwei Jahrzehnte zwischen den Weltkriegen ein, skizziert die politischen und kulturellen Veränderungen nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der Architekten, bevor sie damit beginnt, die Mehrgleisigkeit der Entwicklungslinien einer Grazer Architektur aufzuzeigen, die dann erst nach 1933, also mit dem ständestaatlichen Ende der Demokratie zu schärfer, expliziter ausgetragenen Konflikten führte.
Im Detail wird nachvollziehbar, wie uneindeutig das Architekturmilieu in der Steiermark verfärbt sein konnte. Das von Hans Hönel 1928 für den Steiermärkischen Werkbund und in Reaktion auf die Mustergültigkeit der Weißenhofsiedlung entworfene „Musterhaus“ macht die Ambivalenz heimischer Architekturvorstellungen besonders augenfällig, wird hier doch die moderne Form auf ein – als wohnlicher verkauftes – Maß zurechtgebogen, der kubische Block mit Flachdach um Zierelemente wie dekorative Putzbänder ergänzt, die Fenster hell gerahmt und mittels heimeliger Sprossen eingeteilt, das Weiß reinster Moderne erdbeerrot gefärbelt.
Überraschend ist, wie sehr sich die Mehrdeutigkeiten bis hinein in die Arbeit auch dem Heimatgefühl gegenüber kritischer weil international orientierter Architekten zog. Herbert Eichholzer etwa entwarf nicht nur modern, sondern nebenher auch Bauernstuben mit viel Liebe zum handwerklichen Detail. Die Hypothese, dass sich die Heimat- und Traditionsverbundenheit der Grazer Architektur im Allgemeinen nicht aus einer von internationalen Tendenzen abgeschnittenen Provinzsituation erklären lässt, wird gerade hier besonders einfach nachvollziehbar.
Spannend wird dargestellt, wie sehr die ästhetischen und politischen Positionierungen mancher Architekten einander widersprechen konnten, wie schizophren sie schließlich zwischen Überzeugung und Anpassung hin und her lavierten.
Das große Verdienst des Buches liegt darin, das ganze Spektrum der das Bauen in der Steiermark bestimmenden Stereotype aufzufächern, die Relativismen zwischen „dumpfem Regionalismus“ sprich „Heimatstilistik“ und „polyglotter Modernität“ aufzuspüren. Minutiös arbeitet Senarclens de Grancy jene Diskurse heraus, die dazu betrugen, das Konzept der „bodenständigen Moderne“ gegenüber einer zunehmend denunzierten Modernisierung durchzusetzen und immer stärker ideologisch zu vereinnahmen. (Text: Ulrich Tragatschnig)
Schon in ihrer ersten, groß angelegten Studie zur steirischen Architektur „Moderner Stil und heimisches Bauen“ ist es Antje Senarclens de Grancy gelungen, das breite Kräftefeld nach zu zeichnen, auf welchem die hiesigen Vorstellungen eines „bodenständigen“, „heimischen“ Bauens aus dem ideologischen Streit zwischen „Moderne“ und „Antimoderne“ hervorgingen. Schon hier war es der Autorin darum zu tun, die kulturellen Rahmenbedingungen des Bauens genauso wie die zeitgenössische Rezeption des Gebauten mitzureflektieren, also jene Prozesse auszuleuchten, die für die Generierung von Bedeutung, für die Kodierung und Umkodierung von Architektur verantwortlich sind.
Stand in „Moderner Stil und heimisches Bauen“ die Zeit um 1900 im Fokus der Analyse, geht die Autorin jetzt, chronologisch voranschreitend, auf die zwei Jahrzehnte zwischen den Weltkriegen ein, skizziert die politischen und kulturellen Veränderungen nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der Architekten, bevor sie damit beginnt, die Mehrgleisigkeit der Entwicklungslinien einer Grazer Architektur aufzuzeigen, die dann erst nach 1933, also mit dem ständestaatlichen Ende der Demokratie zu schärfer, expliziter ausgetragenen Konflikten führte.
Im Detail wird nachvollziehbar, wie uneindeutig das Architekturmilieu in der Steiermark verfärbt sein konnte. Das von Hans Hönel 1928 für den Steiermärkischen Werkbund und in Reaktion auf die Mustergültigkeit der Weißenhofsiedlung entworfene „Musterhaus“ macht die Ambivalenz heimischer Architekturvorstellungen besonders augenfällig, wird hier doch die moderne Form auf ein – als wohnlicher verkauftes – Maß zurechtgebogen, der kubische Block mit Flachdach um Zierelemente wie dekorative Putzbänder ergänzt, die Fenster hell gerahmt und mittels heimeliger Sprossen eingeteilt, das Weiß reinster Moderne erdbeerrot gefärbelt.
Überraschend ist, wie sehr sich die Mehrdeutigkeiten bis hinein in die Arbeit auch dem Heimatgefühl gegenüber kritischer weil international orientierter Architekten zog. Herbert Eichholzer etwa entwarf nicht nur modern, sondern nebenher auch Bauernstuben mit viel Liebe zum handwerklichen Detail. Die Hypothese, dass sich die Heimat- und Traditionsverbundenheit der Grazer Architektur im Allgemeinen nicht aus einer von internationalen Tendenzen abgeschnittenen Provinzsituation erklären lässt, wird gerade hier besonders einfach nachvollziehbar.
Spannend wird dargestellt, wie sehr die ästhetischen und politischen Positionierungen mancher Architekten einander widersprechen konnten, wie schizophren sie schließlich zwischen Überzeugung und Anpassung hin und her lavierten.
Das große Verdienst des Buches liegt darin, das ganze Spektrum der das Bauen in der Steiermark bestimmenden Stereotype aufzufächern, die Relativismen zwischen „dumpfem Regionalismus“ sprich „Heimatstilistik“ und „polyglotter Modernität“ aufzuspüren. Minutiös arbeitet Senarclens de Grancy jene Diskurse heraus, die dazu betrugen, das Konzept der „bodenständigen Moderne“ gegenüber einer zunehmend denunzierten Modernisierung durchzusetzen und immer stärker ideologisch zu vereinnahmen. (Text: Ulrich Tragatschnig)
Weiterführende Links:
HDA Haus der Architektur