Publikation
Dobrović in Dubrovnik
A Venture in Modern Architecture
ISBN: 978-3-86859-357-0
Sprache: Englisch
Publikationsdatum: 2015
Umfang: 160 Seiten, ca. 80 Abb.
Format: Hardcover, 24 x 30 cm
Adonis an der Adria
Eine Ausstellung in Zagreb widmet sich den Bauten des Architekten Nikola Dobrović in und um Dubrovnik. Wiederentdeckt hat sie der österreichische Fotograf Wolfgang Thaler.
20. Februar 2016 - Maik Novotny
Glas und Beton, Trabantenstädte, Häuser wie Maschinen: Das Klischeebild der modernen Architektur ist ein so urbanes wie graues. Und es ist falsch. Denn es lassen sich reichlich beweise finden, dass der Geburtsort der Moderne in der arkadischen Landschaft des Mittelmeerraums liegt. Die weißgetünchten kubischen Bauten, die den jungen Le Corbusier 1911 auf seiner „Voyage d’Orient“ auf dem Balkan und in der Türkei faszinierten, fanden sich später in seiner Architektur wieder, und der legendäre 4. Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM), der 1933 die Charta von Athen zusammenstellte, die folgenreiche Gesetzestafel der modernen Architektur, fand auf dem Schiff Patras zwischen Marseille und Athen statt. Die Forderung nach „Licht, Luft und Sonne“ lässt sich auch als romantischer Sehnsuchtsexport vom Mittelmeer in die internationale Welt lesen.
Dass der vom aufsässigen jungen Team X geleitete 10. Kongress der CIAM im heißen August 1956 in Dubrovnik Station machte, passt genau ins Bild. Die Moderne allerdings war schon vor ihnen im südlichen Dalmatien angekommen: in Gestalt eines strahlend weißen Hotels mit ausschwingenden Balkonen – und kubischen Villen –, die auf dünnen Stützen balancierten.
Sie alle stammen aus der Feder des Architekten Nikola Dobrović – eines internationalen Europäers mit deutsch-serbischen Wurzeln. Er wurde 1897 im ungarischen Pécs geboren und studierte in Prag, bevor er in den 1920er-Jahren erstmals versuchte, im jungen Staat Jugoslawien Fuß zu fassen. 1934 zog er schließlich nach Dubrovnik, wo eine intensive Schaffensphase begann.
Feuerwerk an Ideen
Wiederentdeckt wurde dieses jetzt vom Wiener Fotografen Wolfgang Thaler. Schon für seinen 2012 erschienenen Bildband Modernism In-between: The Mediatory Architectures of Socialist Yugoslavia hatte er die reichhaltige Architektur des blockfreien Staates dokumentiert. Unter allen spektakulären Bauten war es das elegante Grand Hotel auf der kleinen Insel Lopud, das seine Neugier weckte. Also reiste Thaler erneut an die Adria, auf den Spuren des Architekten. „Dobrović hat hier in kurzer Zeit ein kompaktes Werk geschaffen. Die Häuser sind gebaute Experimente, ein richtiges Feuerwerk an Ideen auf kleinstem Raum“, erklärt Thaler: „Außerdem hat das Jugoslawien dieser Zeit architektonisch ein völlig anderes Gesicht als die Tito-Ära.“ Nächste Woche wird die Dokumentation im Architekturmuseum Oris in Zagreb ausgestellt. Zusammengetan hat sich Thaler dafür mit dem Zagreber Architekten Krunoslav Ivanišin, der ein besonderes Verhältnis zu Dobrović mitbrachte: Er wurde in der „Villa Adonis“ geboren, die der Architekt für Ivanišins Großeltern gebaut hatte. Das hat ihn bis heute geprägt. „Man kann ihn durchaus als einen der besten modernen Architekten Europas bezeichnen“, sagt Ivanišin. „Dabei war er sowohl ein mediterraner Regionalist als auch ein moderner, weltläufiger Europäer. Er brachte die Bautraditionen Dubrovniks mit ihren statischen, steinern-archaischen Häusern und die Technologie des Industriezeitalters zusammen.“
In der Tat sind Dobrovićs Häuser keine aus dem Nichts gelandeten Kopfgeburten, sondern genau auf Topografie und Klima zugeschnitten. Seine Begeisterung für die wuchtige Festungsmauer von Dubrovnik mündete in der tapetenartigen Steinfassade seiner Villa Svid, die wie ein archaischer Tempel im rauen Gelände steht, aus dem sie geformt scheint. Bei der Villa Adonis wiederum ließ der Architekt den Steilhang, auf dem sie steht, wie einen Tunnel durch das Haus laufen. „Auch die Symmetrie, die sich in vielen seiner Häuser findet, ist sehr untypisch für die Moderne, aber sehr typisch für die traditionellen dalmatinischen Häuser“, erklärt Ivanišin.
Am auffälligsten ist diese Symmetrie in der Villa Adonis mit ihren beiden spiegelbildlichen Eingängen: einer für die Besitzer, einer für das Personal. Ein Indiz für die bürgerliche Klientel seiner Auftraggeber: Zahnärzte, Bankbeamte und Rechtsanwälte. Dabei drückte der charakterstarke Architekt seinen Häusern durchaus buchstäblich seinen Stempel auf: Dobrović gab seinen Villen theatralische Namen und kümmerte sich dabei nicht groß um die Meinung seiner Auftraggeber. Die Namen wie Adonis, Rusalka, Vesna und Svid wurden in die Betonbrüstung der Dachterrassen eingestanzt und verweisen, wie die Architektin Liljana Blagojević im Buch zur Ausstellung schreibt, auf griechische und slawische Sagengestalten aus mythologischen Zwischenreichen. Ein Paradebeispiel für die romantische Tiefengrundierung der rationalen Moderne.
Romantische Grundierung
Nach dem Krieg ging Dobrović nach Belgrad und wurde dort einflussreicher Planer und Hochschullehrer. Die beschauliche Adriaküste wuchs derweil im Tito-Jugoslawien zur baulich aufgeladenen Touristendestination an. Die Hotels der Nachkriegszeit waren größer, wuchtige und vom architektonischem Wagemut des stolzen jungen Staats erfüllt. Dobrović’ kleines Grand Hotel mit seinem bürgerlichen Tennisplatz auf dem Dach geriet langsam in Vergessenheit und steht heute ausgebeint und leer in seinem verwilderten Park.
Die mediterrane Moderne ließ Dobrović jedoch auch in der Hauptstadt nicht los: Sein bedeutendstes Werk, das 1963 fertiggestellte Generalstabsgebäude der Jugoslawischen Volksarmee, war trotz seiner monumentalen Dimensionen aus den gleichen Bausteinen zusammengestellt wie seine Villen in Dubrovnik: eine tapetenartige Steinverkleidung aus quadratischen, roh gebrochenen Platten, eine symmetrische Anordnung, ein baumbestandener Platz davor. Ein dalmatinischer Transfer, dem nur ein kurzes Leben beschieden war: Der beim Nato-Bombardement 1999 schwer getroffene Bau wurde nach jahrelanger öffentlicher Debatte 2015 endgültig abgerissen.
Die letzte Rückkehr zum Ursprung seiner architektonischen Ideen blieb Dobrović verwehrt: Schon schwer krebskrank, entwarf er 1965 ein Sommerhaus für sich und seine Frau Ivanka, direkt unterhalb der Villa Vesna auf der Insel Lopud, mit Blick auf das Meer – natürlich mit archaisch-steinernen Wänden, die jedoch fast zentrifugal auseinanderzufliegen schienen. Es sollte nicht mehr dazu kommen. Am 11. Januar 1967 starb Dobrović in Belgrad. Seine ersten Werke wurden zu seinem wertvollsten Nachlass.
Dass der vom aufsässigen jungen Team X geleitete 10. Kongress der CIAM im heißen August 1956 in Dubrovnik Station machte, passt genau ins Bild. Die Moderne allerdings war schon vor ihnen im südlichen Dalmatien angekommen: in Gestalt eines strahlend weißen Hotels mit ausschwingenden Balkonen – und kubischen Villen –, die auf dünnen Stützen balancierten.
Sie alle stammen aus der Feder des Architekten Nikola Dobrović – eines internationalen Europäers mit deutsch-serbischen Wurzeln. Er wurde 1897 im ungarischen Pécs geboren und studierte in Prag, bevor er in den 1920er-Jahren erstmals versuchte, im jungen Staat Jugoslawien Fuß zu fassen. 1934 zog er schließlich nach Dubrovnik, wo eine intensive Schaffensphase begann.
Feuerwerk an Ideen
Wiederentdeckt wurde dieses jetzt vom Wiener Fotografen Wolfgang Thaler. Schon für seinen 2012 erschienenen Bildband Modernism In-between: The Mediatory Architectures of Socialist Yugoslavia hatte er die reichhaltige Architektur des blockfreien Staates dokumentiert. Unter allen spektakulären Bauten war es das elegante Grand Hotel auf der kleinen Insel Lopud, das seine Neugier weckte. Also reiste Thaler erneut an die Adria, auf den Spuren des Architekten. „Dobrović hat hier in kurzer Zeit ein kompaktes Werk geschaffen. Die Häuser sind gebaute Experimente, ein richtiges Feuerwerk an Ideen auf kleinstem Raum“, erklärt Thaler: „Außerdem hat das Jugoslawien dieser Zeit architektonisch ein völlig anderes Gesicht als die Tito-Ära.“ Nächste Woche wird die Dokumentation im Architekturmuseum Oris in Zagreb ausgestellt. Zusammengetan hat sich Thaler dafür mit dem Zagreber Architekten Krunoslav Ivanišin, der ein besonderes Verhältnis zu Dobrović mitbrachte: Er wurde in der „Villa Adonis“ geboren, die der Architekt für Ivanišins Großeltern gebaut hatte. Das hat ihn bis heute geprägt. „Man kann ihn durchaus als einen der besten modernen Architekten Europas bezeichnen“, sagt Ivanišin. „Dabei war er sowohl ein mediterraner Regionalist als auch ein moderner, weltläufiger Europäer. Er brachte die Bautraditionen Dubrovniks mit ihren statischen, steinern-archaischen Häusern und die Technologie des Industriezeitalters zusammen.“
In der Tat sind Dobrovićs Häuser keine aus dem Nichts gelandeten Kopfgeburten, sondern genau auf Topografie und Klima zugeschnitten. Seine Begeisterung für die wuchtige Festungsmauer von Dubrovnik mündete in der tapetenartigen Steinfassade seiner Villa Svid, die wie ein archaischer Tempel im rauen Gelände steht, aus dem sie geformt scheint. Bei der Villa Adonis wiederum ließ der Architekt den Steilhang, auf dem sie steht, wie einen Tunnel durch das Haus laufen. „Auch die Symmetrie, die sich in vielen seiner Häuser findet, ist sehr untypisch für die Moderne, aber sehr typisch für die traditionellen dalmatinischen Häuser“, erklärt Ivanišin.
Am auffälligsten ist diese Symmetrie in der Villa Adonis mit ihren beiden spiegelbildlichen Eingängen: einer für die Besitzer, einer für das Personal. Ein Indiz für die bürgerliche Klientel seiner Auftraggeber: Zahnärzte, Bankbeamte und Rechtsanwälte. Dabei drückte der charakterstarke Architekt seinen Häusern durchaus buchstäblich seinen Stempel auf: Dobrović gab seinen Villen theatralische Namen und kümmerte sich dabei nicht groß um die Meinung seiner Auftraggeber. Die Namen wie Adonis, Rusalka, Vesna und Svid wurden in die Betonbrüstung der Dachterrassen eingestanzt und verweisen, wie die Architektin Liljana Blagojević im Buch zur Ausstellung schreibt, auf griechische und slawische Sagengestalten aus mythologischen Zwischenreichen. Ein Paradebeispiel für die romantische Tiefengrundierung der rationalen Moderne.
Romantische Grundierung
Nach dem Krieg ging Dobrović nach Belgrad und wurde dort einflussreicher Planer und Hochschullehrer. Die beschauliche Adriaküste wuchs derweil im Tito-Jugoslawien zur baulich aufgeladenen Touristendestination an. Die Hotels der Nachkriegszeit waren größer, wuchtige und vom architektonischem Wagemut des stolzen jungen Staats erfüllt. Dobrović’ kleines Grand Hotel mit seinem bürgerlichen Tennisplatz auf dem Dach geriet langsam in Vergessenheit und steht heute ausgebeint und leer in seinem verwilderten Park.
Die mediterrane Moderne ließ Dobrović jedoch auch in der Hauptstadt nicht los: Sein bedeutendstes Werk, das 1963 fertiggestellte Generalstabsgebäude der Jugoslawischen Volksarmee, war trotz seiner monumentalen Dimensionen aus den gleichen Bausteinen zusammengestellt wie seine Villen in Dubrovnik: eine tapetenartige Steinverkleidung aus quadratischen, roh gebrochenen Platten, eine symmetrische Anordnung, ein baumbestandener Platz davor. Ein dalmatinischer Transfer, dem nur ein kurzes Leben beschieden war: Der beim Nato-Bombardement 1999 schwer getroffene Bau wurde nach jahrelanger öffentlicher Debatte 2015 endgültig abgerissen.
Die letzte Rückkehr zum Ursprung seiner architektonischen Ideen blieb Dobrović verwehrt: Schon schwer krebskrank, entwarf er 1965 ein Sommerhaus für sich und seine Frau Ivanka, direkt unterhalb der Villa Vesna auf der Insel Lopud, mit Blick auf das Meer – natürlich mit archaisch-steinernen Wänden, die jedoch fast zentrifugal auseinanderzufliegen schienen. Es sollte nicht mehr dazu kommen. Am 11. Januar 1967 starb Dobrović in Belgrad. Seine ersten Werke wurden zu seinem wertvollsten Nachlass.
[ Ausstellung: „Dobrović in Dubrovnik“, Architekturzentrum Oris, Zagreb, 23. 2. – 6. 3. 2 016. Das Buch zur Ausstellung ist im Jovis-Verlag erschienen. ]
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