Akteur

Peter Zinganel
* 1959 Graz 2016 Graz

Architekt wie aus dem Buche

Peter Zinganel, Architekt, Mitgestalter der „Grazer Schule“, Leiter des Architekturreferats im Forum Stadtpark in Graz, kunst- und musikinteressiert: Nachruf auf einen Umtriebigen.

29. Oktober 2016 - Karin Tschavgova
Vor wenigen Tagen ist der in Graz tätige Architekt Peter Zinganel gestorben, überraschend im Alter von 57 Jahren. In Graz war er kein Unbekannter. Viele hatten mit ihm studiert in den prägenden Jahren einer Bewegung, die Graz und die Steiermark in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit rückte, weil hier Architektur abseits des damals herrschenden Mainstreams der Postmoderne entstehen konnte. Andere waren einen Teil des Weges mit ihm gegangen, als er über einen Zeitraum von zehn Jahren praktische Erfahrungen im Büro von GüntherDomenig und in der Kooperation von Domenig mit Hermann Eisenköck sammelte. Es gibt zahllose Studierende, die seit 1991 an der Technischen Universität in Graz von Peter Zinganel nicht nur über Prinzipien und Konzepte des Entwerfens aufgeklärt wurden, sondern anschaulichen Unterricht darin erhielten, über die Persönlichkeit ihres Lehrers zu erkennen, dass Architektur als Disziplin neben reinem Fachwissen auch soziale Verantwortung, Empathie und Begeisterung braucht. Peter hatte all das.

Seit 1996 führte er als Architekt ein eigenes Büro. Ehemalige und aktuelle Mitarbeiter beschreiben ihn als Arbeitgeber, der Teamarbeit und flache Hierarchien bevorzugte und freundschaftlichen Umgang mit seinen Angestellten pflegte. In einem grundsätzlichen Statement auf der Website des Architekturbüros lässt sich seine Überzeugung nachlesen, wonach Meinungsvielfalt im Diskurs, gefolgt von klarer Entscheidungskompetenz, zu besseren Problemlösungen führt. Aus Stückwerk formt sich so ein stimmiges Bild. Um Aufschluss über die Arbeit und den Lebensweg dieses Architekten zu erhalten, braucht es keine schlussfolgernde Interpretation. Allein aus der Zusammenstellung von Einzelheiten in einem zeitlichen Rahmen ergibt sich eine Lebenslinie, in der sich eins ins andere schlüssig fügt.

Peter Zinganel wächst in Zell am See auf und besucht die Höhere Technische Lehranstalt in Saalfelden. 1979 geht er nach Graz, um Architektur zu studieren. Es ist eine Zeit des Aufbruchs, der auch die Technische Hochschule erreicht, als Günther Domenig 1980 dort das Institut für Gebäudelehre übernimmt. Peter muss dem ungestümen Professor, der seinen Studenten höchsten Einsatz abverlangt, als talentiert aufgefallen sein, denn ab 1985 arbeitet er regelmäßig im Architekturbüro Domenig. Daneben studiert er und übernimmt 1986 als Co-Leiter das Architekturreferat im Forum Stadtpark, das sichzu jener Zeit neben dem eben gegründeten Haus der Architektur erst wieder neu erfinden muss. Er erkennt den Vorteil des Hauses in seiner Mehrspartenstruktur und forciert die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen Referaten.

Auf die noch auf Architektur fokussierte Ausstellung mit dem Titel „Wem nützt schon ambitioniertes Bauen?“ folgt 1989 die disziplinenübergreifende Ausstellung „Trash City“. Im Büro Domenig trägt er 1987 federführend zum Wettbewerbsgewinn für den Neubau des Krankenhauses in Bruck an der Mur bei. Dieser damals beispielgebende Entwurf für eine neue Qualität im Krankenhausbau wird bis heute ihm zugeschrieben. 1990, im Jahr des Baubeginns, beendet er beinahe beiläufigsein Studium und beginnt neben der Bürotätigkeit mit eigenen Arbeiten. Es sind äußerst produktive Jahre. Er leitet das Architekturreferat im Forum allein, konzipiert 1993 die Ausstellung „Kunst als Revolte. Von der Fähigkeit, Nein zu sagen“ und ein Jahr später die zweite Auflage der legendären Architekturausstellung „Standpunkte“. 1996 gründet er sein eigenes Büro. 1997 wird er Vorsitzender und damit Leiter des Forum Stadtpark, das er in der Folge mit Ernst Giselbrecht umbauen und um ein Obergeschoß erweitern kann. 2003 beendet er seine Tätigkeit dort und konzentriert sich fortan auf Büro und Familie, die zu diesem Zeitpunkt auf fünf Mitglieder angewachsen ist. Seit der Internationalen Gartenausstellung IGS 2000 ist er immer wieder Projektpartner von Hermann Eisenköck und der Architektur Consult, in die er 2008 als teilhabender Partner eintritt; vermutlich auch, um sich abzusichern und auftragsschwache Zeiten des eigenen Büros durchzustehen, ohne Mitarbeiter entlassen zu müssen.

Beides läuft, so wird erzählt, parallel und wird aktiv und produktiv vom Chef, der seinen Mitarbeitern kein konventioneller Vorgesetzter sein will, begleitet und bearbeitet. Arbeitsprozesse werden durch gemeinsame Kaffeepausen strukturiert, die allen als Diskussionsrunden oder Erzählungen über architektonische Entdeckungen und favorisierte Architekten in Erinnerung bleiben. Peter Zinganel bevorzugt für sein Büro Leute, die „architektonisch etwas am Hut haben“. Detailwissen ist kein Einstellungskriterium, weil er weiß, dass man sich dieses aneignen kann. Er selbst ist interessiert an zeitgenössischer Kunst und Musik. In Vorstellungsgesprächen testet er Stellenbewerber mit der Frage nach dem Mastermind der Rockband Radiohead.

Der gebauten Architektur aus dem Büro Zinganel kann man ablesen, dass sie mit den Jahren pragmatischer, in ihrer Form unspektakulär und einfach wird. Der Weg der „Grazer Schule“, die er als Student aktiv mitgestaltet, ist nicht seiner geworden. Innovative Aspekte der Architektur treten in der Arbeit des Büros in den Hintergrund, was vielleicht daran liegt, dass das Büro zwar unzählige ambitionierte Projekte für Wettbewerbe entwickelt, aber kaum einen gewinnt. Im Statement zu den Grundsätzen der Büroausrichtung werden veränderte Anforderungen an die Architektur thematisiert und wird die stärkere Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Erfordernisse betont. Im Sozialwohnungsbau „Massive Living“ im Grazer Stadtteil St. Peter setzt Zinganel diese Maxime exemplarisch um und zeigt, was in einem engen Budgetrahmen dennoch möglich sein muss: gut funktionierende Grundrisse anzubieten und durch bedachte Gliederung der Baukörper individuellen Rückzugin halb private Außenräume von Terrassen und Balkonen möglich zu machen.

Jetzt, da die Erinnerung an Begegnungen mit ihm seine starke Präsenz ersetzen muss, wird mir klar, dass er keineswegs unzufrieden darüber gewesen sein kann, in diesen Zeiten nur in kleinen Schritten kleine Erfolge erzielt haben zu können. Immer wirkte er ausgeglichen und fröhlich. Architektur war nur ein Teil seines Lebens – eines mit der Familie, mit gutem Essen und Reisen, mit einer ausgeprägten Liebe zu Italien und Musik. Nun ist es jäh vorbei und lässt uns traurig zurück.

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