Akteur

Gregor Eichinger
eichinger offices - Wien (A)

Von der Elastiziät des Holzes

Im Gespräch - Czech Eichinger Ritter

Zusammenfassung eines Gesprächs über Holz und Gastlichkeit mit den Architekten Hermann Czech und Gregor Eichinger, moderiert von Arno Ritter am 19. Jänner 2002 in Wien.

15. März 2002 - Arno Ritter
Ritter: Welche Dinge sind eurer Meinung nach bei der Gestaltung von Lokalen wichtig, damit ein Ort der Gastlichkeit im Endeffekt auch lang funktioniert?

Czech: Vor kurzem habe ich in einem Interview für eine Gastgewerbezeitschrift gesagt, dass ein Gasthaus eigentlich nach nichts ausschauen soll, weil sonst der Gast glaubt, dass er für das Design auch noch mitzahlen muss.

Eichinger: Oder er hat Angst, dass er nicht zum Lokal passt.

Ritter: In einem Gespräch, Gregor, hast du einmal gesagt, dass Gastronomiebetriebe immer dann funktionieren, wenn eine produktive Synthese zwischen dem Wirt, dem Personal und der Küche existiert. Erst an letzter Stelle komme die Architektur.

Eichinger: Das wichtigste sind meiner Meinung nach das Licht, der Kellner und die Atmosphäre, welche sicher durch Gestaltung und Material erzeugt wird, wobei Architekturexzesse oder übertriebenes Design kontraproduktiv sind. Sie befriedigen eigentlich nur kurzfristig eine gewisse Klientel, die nach einiger Zeit wieder weiterzieht. Es gibt Lokale, die nach zwei Jahren abgefuckt sind und es gibt Statements, die über ihr Errichtungsdatum hinaus bestehen bleiben. Zum Beispiel ist das Kleine Café von Czech ein Prototyp, das seit Jahrzehnten seinen Stellenwert in Wien hat. Dort ist das Herstellen eines Brotes ein Ritual und das deswegen, weil so wenig Platz ist und deshalb jedes Ding, das dazu notwenig ist, seinen bestimmten Ort haben muss. Auch die Bewegungen sind fast vorgegeben und daraus entsteht eine Einheit zwischen Form und Inhalt. In gewissem Sinne ist das Kleine Café wie die Loos-Bar ein amerikanisches Lokal, weil alles durchritualisiert ist.

Ritter: Das heißt mit den Worten und im Sinne von Czech, dass die Inszenierung vor dem Hintergrund der Architektur stattfindet.

Eichinger: Ja, aber die Architektur gibt genau diese Rituale vor. Ich finde, dass dort die Aufmerksamkeit, wie ein Brot bestrichen wird, mit der Aufmerksamkeit, wie die Kunden bedient werden, korreliert. Die Architektur prägt mit ihren räumlichen wie konzeptionellen Statements die ganze Inszenierung mit.

Czech: So weit würde ich nicht gehen. Wenn der Betrieb nicht funktioniert und der Wirt seine Rolle nicht wahrnimmt, dann kann die Architektur auch nicht helfen. Man kann mit Architektur kein Lokal machen, allenfalls kann man eines ruinieren.

Eichinger: Das stimmt natürlich, aber man kann schon einiges mit Architektur steuern. Die Architektur erzeugt die typologische Aussage, ob das Lokal eine Bar, ein Café oder ein Restaurant ist.

Ritter: Ihr habt den Begriff Atmosphäre verwendet. Grob gesprochen wird diese durch Licht und Material hergestellt. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang für euch Holz? Kann man es als atmosphärisches Material bezeichnen, das automatisch so etwas wie »Gemütlichkeit« erzeugt?

Eichinger: Für mich ist Holz eines der elastischsten Materialien, weil es im ruralen wie auch urbanen Kontext für jeden gastronomischen Typus eingesetzt werden kann. Es kann für ein urbanes und elegantes Ambiente oder für eine rohe und räudige Kantinenatmosphäre herangezogen werden, da Holz alle möglichen Projektionen zurückspielt.

Czech: Begriffe wie Gemütlichkeit und Atmosphäre sind nicht die Ansatzpunkte beim Entwurf, denn eigentlich geht es immer um ganz rationale Überlegungen. Holz ist ein relativ schlechter Wärmeleiter, dadurch fühlt es sich beim Angreifen warm an. Holz atmet und nimmt viel auf, wenn es entweder unbehandelt bleibt oder mit Leinöl eingelassen ist. Wenn man es mit einer Kunststoffschicht zuschmiert, dann verliert es diese Durchlässigkeit. Es war ja einmal in den 70er Jahren schick, echte Holzfurniere so zu verarbeiten, dass sie wie Resopal ausschauten...

Eichinger: Das war eine hohe Kunst, muss man sagen.

Czech: Gestalterisch spielt man mit den verschiedenen Holzarten, man setzt heute entweder Vollholz oder den Kunststoff Holz ein bzw. kombiniert die Materialien. Holz hat zwar eine objektive Qualität, aber es gibt so etwas wie Bedeutungsebenen, die man je nach Zeit den Holzarten zuweist. Dementsprechend erleben wir immer wieder Rezeptionsänderungen. Wer hätte geglaubt, dass die historisch belastete Eiche wieder so selbstverständlich eingesetzt werden wird?

Eichinger: Natürlich gibt es Moden. Ende der 80er Jahre war vor allem Birkensperrholz das Material, mit dem man gearbeitet hat, parallel dazu hat sich auch MDF eingebürgert. Leider reagieren Produzenten und Markt viel zu langsam auf die sich ändernden Ansprüche. Denn bis ein Material wirklich präsent und billig ist, ist das Interesse daran schon wieder erlahmt. Wobei wir eigentlich bisher nur drei Holzarten eingesetzt haben, nämlich Birke, Eiche und Nuss. Denn uns interessieren nicht die verschiedenen Effekte, die man über die Maserung oder die Furniere erzielen kann, sondern uns geht es um das Erzeugen von Neutralität. Wir setzen Holz eher als beruhigendes Moment ein, so zum Beispiel, wenn wir durchgehend amerikanische Eiche verwenden und diese unbehandelt lassen.Czech Ich zum Beispiel kenne bis heute nicht viel mehr als fünf Holzarten und die reichen mir. Im Palais Schwarzenberg habe ich bei der Bar das Holz nur nach den Kriterien von hell und dunkel ausgesucht. Mich interessiert eigentlich die Holzart nicht, sondern nur gewisse Eigenschaften, nämlich die Farbe und ob sie hart oder weich ist.

Ritter: Das heißt, bei euch überwiegen rationale Gründe?

Czech: Nehmen wir doch die Entwicklung des Sessels. Im Rahmen der damaligen Technologien war das Bugholzmöbel deswegen so fortschrittlich, weil es leicht und billig war. Aus diesen rationalen Gründen wurde der Bugholzstuhl zum selbstverständlichen Möbel in den Kaffeehäusern. So blieb Holz immer ein fixer Bestandteil von Gast- und Kaffeehäusern, weil es in seiner Materialeigenschaft uneinholbar war. Bevor andere Materialien entdeckt wurden, gab es ja keine Alternativen zum Holz. Den ausschließlichen Vorteil der Leichtigkeit hat das Holzmöbel heute nicht mehr, da es seit einiger Zeit Metall- und Kunststoffmöbel gibt, die auch leicht sind. Andererseits existieren unbewusst abgespeicherte Normen und Verhaltensregeln. Auch wenn sich die Routinehandlungen im Zusammenhang mit dem Essengehen oder der Kaffeehausbenutzung historisch verändert haben, so bleibt doch trotz einiger Verluste immer ein Paket an Wissen und Eingeübtem übrig. Mit dieser Dialektik muss man als Architekt umgehen, nämlich den richtigen Mittelweg zwischen Tradition und Veränderung finden. Konsum in einem Gastronomiebetrieb hat viel mehr mit Gewohnheit als mit Innovation zu tun. Die Veränderungen sind eher minimal. Letztlich wäre man als Konsument verloren, wenn alles umgekrempelt würde.

Eichinger: Holz ist ja fast in allen Kulturen im gastronomischen Bereich in Verwendung. Das hängt sicher damit zusammen, dass es ein Hightech-Material ist und besondere Qualitäten in der Instandhaltung hat. Deshalb gibt es auch in diesem Bereich so ein Naheverhältnis zu diesem Material. Holz umarmt einen in gewissem Sinne, es besitzt einen Sympathiewert. Das bedeutet nicht, dass andere Materialien nicht auch sympathisch wären, aber Holz verhält sich der Haut gegenüber sehr angenehm. Holz nimmt sehr gut Schwingungen und Schweiß auf. Holz hat einen Körper. Es ist wie ein Instrument.

Ritter: Gehen wir noch auf die Tradition ein. In jeder Kultur haben sich räumliche bzw. atmosphärische Standards herausgebildet, an die man sich gewöhnt hat und wo man sensibel reagiert, wenn sie sich radikal ändern. Es geht also in eurem Verständnis um ein leichtes Weiterentwickeln von Gewohnheiten in der Kultur der Gastlichkeit, um den Erhalt von gewissen Momenten. Besitzt Holz in diesem Zusammenhang einen Wiedererkennungseffekt?

Czech: Nur zum Teil. Gerade seit der klassischen Moderne gibt es das Eindringen des Stahlrohrsessels in die Möbellandschaft. Diese Entwicklung bringt auch einen gewissen Sitzkomfort, den man vorher so nicht gekannt hat. Es gab natürlich auch ideologische Auswüchse, wonach nur der Stahlrohrstuhl modern sei.

Eichinger: Heute ist es nicht mehr so, dass ein Sessel automatisch ein Holzsessel sein muss, weil es seit einiger Zeit eine große Auswahl gleichwertiger Materialien gibt. Insofern ist es auch ein bewusster Akt, wenn man sich für einen Holzsessel entscheidet. Mir hat in dem Zusammenhang sehr gefallen, wie der Sessel von Jasper Morrison auf den Markt gekommen ist, gerade zu einem Zeitpunkt, als man glaubte, dass man leichte Möbel nur mehr in Kunststoff herstellen kann. Dieser Stuhl hat gezeigt, dass man auch in Holz die Anforderungen erfüllen kann. Morrison hat einen völlig neuen Ansatz in die Diskussion eingebracht.

Ritter: Demgegenüber stehen jene Materialentwicklungen, die ich pointiert mit dem Begriff Kunststoff Holz bezeichnen möchte, wo Holz als Ausgangsmaterial für gewisse Produkte verwendet oder sogar, wie in den 70er Jahren, imitiert wird. Viele Architekten lieben diese Künstlichkeit und es ist zu bemerken, dass sich eine gewisse Entwicklung in Richtung Imitation abzeichnet.

Eichinger: Das stimmt sicher. Einerseits gibt es die Bewegung, die dem Holz etwas Auratisches und Natürliches zuweist, andererseits gibt es diese konstruierten Raumschiffwelten, wo alles künstlich sein muss. Das sind für mich normale Pendelbewegungen, die eigentlich irgendwie vorhersagbar sind. Wir setzen Holz nicht emotional ein, vor allem haben wir manchmal Angst, dass sich das Holz zu stark in den Vordergrund spielt. Deswegen schauen wir auch, dass wir so schlichte Furniere wie möglich bekommen, um die Anwendung von Holz auf das Wesentliche zu reduzieren und es zu sich kommen zu lassen.

Czech: In der Gastronomie ist es gar nicht notwendig, Holz zu propagieren, da es sowieso sehr präsent ist. Ich verwende sogar Holz, um es dann zu verleugnen. Ich nehme z.B. Ahorn, weil es zunächst nur einen Farbton repräsentiert, der nicht in erster Linie als Holz wahrgenommen wird. Mir geht es eher darum, Dinge zum Verschwinden zu bringen, d.h. wenn ich Holz verwende, kommt es mir nicht darauf an, dass es holzig wirkt. Auch bei einer Lackierung schaue ich, dass ich eine Farbe finde, die entweder im Material selber liegt oder die selbstverständlich mit dem Objekt verschmilzt. Man nimmt die Farbe nicht bewusst wahr, weil sie gewohnheitsmäßig mit dem Objekt verbunden wird.

Ritter: Du hast am Anfang erwähnt, dass Holz aufgrund seiner symbolischen wie auch materiellen Elastizität gerade in den verschiedenen ruralen wie auch urbanen Kontexten gut einsetzbar ist.

Eichinger: Holz ist für mich ein Werkstoff, mit dem man wirklich in einer großen Vielfalt umgehen kann. Wir haben ja bisher fast ausschließlich Lokale in urbanen Situationen geplant. Derzeit bearbeiten wir ein Projekt für Lech am Arlberg, wo sich die Aufgabe »Holz in allen seinen Facetten« stellt. Wir sollen ein Lokal entwickeln, das komplett aus Holz besteht. Das ist sehr spannend, vor allem weil der Auftraggeber, der selber Architekt ist, in seinem Hotel Zimmer nur mit Holz umgebaut hat, die in ihrer Eleganz beeindruckend sind. Wir müssen jetzt vollkommen neu anfangen über Holz nachzudenken.

Czech: Ich finde das vorhin angeschnittene Thema »Imitation von Holz« sehr interessant. Früher hat ja jeder gute Anstreicher alle möglichen Holzarten lasierend nachmachen können. Es gibt heute noch viele Gründerzeithäuser mit gemalten Eichen- oder Mahagonitüren. Das hat man damals unter Architekten inferior empfunden. Zum Beispiel sagte Adolf Loos, man dürfe jedes Material bekleiden, nur nicht mit dem Imitat seiner selbst. Jetzt gibt es seit einiger Zeit Fußbodenbeläge aus Laminat, die bisher ausschließlich eine Holzstruktur als Oberfläche haben und sehr billig sind. Und dann denke ich mir, vielleicht sollte man sich diesem Material ähnlich nähern, wie man jetzt die alten Pseudoholzanstriche betrachtet, die irgendwie liebenswert sind in ihrer Ästhetik. Andererseits denke ich mir aber auch, dass kleine Kinder auf diesem Boden aufwachsen und von früh an mit diesem Betrug konfrontiert sind. Das ist, als ob Kinder in der Volksschule mit der Kronen-Zeitung lesen lernen würden.

Eichinger: Ich finde diese Künstlichkeit sehr interessant und irgendwie habe ich nicht dieses Problem wie du, Hermann, weil unsere Umwelt aus vielen Künstlichkeiten besteht, vom Computer angefangen bis zum Fernsehen. Für mich ist das kein Betrug, denn mit diesen neuen Materialien kann man neue und zeitgemäße Möbel und Raumsituationen entwerfen oder damit ironisch umgehen.

Ritter: Welche Auswirkungen hat diese Bewegung der Künstlichkeit auf den Einsatz von Vollholz?

Eichinger: Meiner Meinung nach wird dieses anders wahrgenommen werden und man beginnt, sich wieder neu damit zu beschäftigen. Der Kunststoff Holz erzeugt eine neue Bedeutung für das Thema Vollholz.

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Gregor Eichinger, Pressebild: Elfie Semotan