Akteur

Max Fellerer
* 1889 Linz 1957 Wien

Wer war Max Fellerer?

Als öde, karg und ärmlich hat man sie geschmäht, die Bauten Max Fellerers. Dabei war der Architekt ein bedeutender Vertreter einer unprätentiösen, antimonumentalen Moderne.

12. September 2009 - Iris Meder
Bauten wie die von Max Fellerer haben es schwer, eine Lobby zu finden. Großteils in den Jahren des Wiederaufbaus nach 1945 entstanden und weniger dem schicken Espresso-Stil der Fifties als der reduzierten, schlichten Tradition der Wiener Vorkriegsmoderne verbunden, haben die Bauten Fellerers das Los, vielfach als öde, karg und ärmlich betrachtet zu werden – im Sinne von Josef Frank und seiner Beurteilung durch Hermann Czech als „Architektur, die nur spricht, wenn sie gefragt wird“.

Solche Architektur läuft natürlich Gefahr, einfach übertönt zu werden. Schon in den Achtzigerjahren musste das von Fellerer gemeinsam mit Carl Appel und Eugen Wörle geplante Haashaus am Stephansplatz dran glauben, um dem Neubau von Hans Hollein Platz zu machen. Dummerweise wurde dabei von den zahlreichen bestenfalls mittelmäßigen Nachkriegsbauten gegenüber der Domfassade ausgerechnet jener mit der höchsten architektonischen Qualität abgerissen. Beschlossene Sache sind der umfassende Umbau des von Fellerer mit seinem 20 Jahre jüngeren Büropartner Eugen Wörle realisierten Plenarsaals des Parlaments und der Abriss der vor 50 Jahren fertiggestellten Erweiterung des Finanzministeriums zwischen Himmelpfortgasse und Kärntner Straße.

Wenn sich Max Fellerers Geburtstag heuer am 15. Oktober zum 120. Mal jährt, wird diese Tatsache an seiner derzeit als Kulturhauptstadt Europas im Licht der internationalen Öffentlichkeit stehenden Geburtsstadt Linz wohl unkommentiert vorübergehen. Dabei hat Fellerer für seine Heimatstadt um 1930 mit dem Handel-Mazzetti-Hof und der Miethausanlage Poschacherwiese mehrere größere Wohnbauten im Sinne einer unprätentiösen, antimonumentalen Moderne entworfen. Im großstädtischen Kontext ist Fellerer/Wörles 1935 entstandener, nicht realisierter Entwurf für das Wiener Funkhaus dem hocheleganten Funktionalismus Le Corbusiers verpflichtet.

Studien bei Carl König an der Wiener Technischen Hochschule, bei Otto Wagner an der Akademie und bei Josef Hoffmann an der Kunstgewerbeschule, der heutigen „Angewandten“, boten Fellerer das gesamte Spektrum der Architektenausbildung seiner Zeit. Zunächst war er Büroleiter Hoffmanns, danach wurde er von Clemens Holzmeister angeworben, dessen Projekte er, wie er seinem Freund Milan Dubrovic anvertraute, eigentlich schauerlich fand. Holzmeisters dröhnende Kraftlackel-Attitude konnte dem rationalen Fellerer, dem die zurückhaltende, reflektierte Moderne eines Oskar Strnad weit mehr lag, kaum entsprechen. Mit zwei Reihenhäusern an der Wiener Werkbundsiedlung beteiligt, schaffte es Fellerer als einer von wenigen, sich nicht Josef Franks lebenslangen Hass zuzuziehen, obwohl er 1933 mit Holzmeister und Hoffmann dem „Neuen Werkbund Österreichs“ beitrat, der gegen den „Allerwelts-Internationalismus“ des Frank-Kreises mit einem Arierparagrafen anging.

Fellerers Beitritt zum „Neuen Werkbund“ ist als Akt der Loyalität gegenüber seinem Chef und keinesfalls als (kultur-)politisches Statement zu sehen. Zu fest war Fellerer im skeptischen Denken der Wiener Moderne verwurzelt. Bewohner des Hochhauses in der Herrengasse und Stammgast des benachbarten Café Herrenhof, frequentierte er mit Größen wie Robert Musil, Alfred Polgar und Leonhard Frank die intellektuellen Salons der Ersten Republik. Nach 1938 gehörte er mit den Familien seines Bruders Josef und seines Hochhausnachbarn Milan Dubrovic zum Kreis des Bauernhauses in Hochrotherd im Wienerwald, das die emigrierte Anna Freud den Besitzern des Manz-Verlages verkauft hatte, um es nicht in nationalsozialistische Hände fallen zu lassen. Das Haus wurde ein Zentrum von intellektuellen Nazigegnern, denen die horrible Zeit und persönliche Lebensgefahr nicht ihren anarchischen Humor zu nehmen vermochten. Von seinem Direktorsposten an der Kunstgewerbeschule war Fellerer unmittelbar nach dem „Anschluss“ zurückgetreten. In seiner Atelierwohnung im Hochhaus, die er seit 1939 mit der Kostümbildnerin Erni Kniepert bewohnte, nahm er verfolgte jüdische Freunde und Nachbarn wie den Arzt und Kunstsammler Paul Singer und dessen Frau, die Schauspielerin Eva Geyer, auf.

Nach 1945 hatte Fellerer wieder die Leitung der Kunstgewerbeschule inne. Mit Erich Boltenstern, Oswald Haerdtl und Otto Niedermoser gehörte er zu den an einer Hand abzählbaren Wiener Architekten, die nicht emigriert waren und sich weder politisch noch architektonisch kompromittiert hatten. Unter diesen wurden nun die großen Projekte des Wiederaufbaus der Kultur- und Regierungsbauten am Ring aufgeteilt. 1953 wurde er gemeinsam mit Roland Rainer und den internationalen Stars Kenzo Tange, Pierluigi Nervi und Alvar Aalto zum Wettbewerb für die Wiener Stadthalle geladen. Von den in dieser Zeit entstandenen Salzburger Hotelum- und -neubauten Österreichischer Hof, Goldener Hirsch, Kultur- und Kongresshaus, Parkhotel Mirabell und Paracelsusbad ist ebenso wenig erhalten wie von ihren zahlreichen Geschäftseinrichtungen in der Wiener Innenstadt.

Ab 1947 waren Fellerer/Wörle am Bau der mit schwedischer Finanzhilfe gebauten Per-Albin-Hansson-Siedlung beteiligt, deren Konzept einer gemischten Reihenhaus- und Stockwerksbebauung mit privaten und öffentlichen Freiräumen noch heute funktioniert. Vor 60 Jahren wurde ihr wohl populärstes Werk fertiggestellt: der Neubau des kriegszerstörten Strandbades Gänsehäufel, dessen vor Kurzem sorgsam restaurierte filigrane Sichtbetonkonstruktionen nach wie vor die Augen vieler Badegäste erfreuen. Ein weiteres, unbekannteres Highlight ist der 1952–1958 entstandene Concordia-Hof neben der Kirche Maria am Gestade.

Fellerer starb er am 27. März 1957. Sein Büropartner Eugen Wörle, dem das Architekturzentrum Wien Anfang dieses Jahres eine kleine Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag widmete, lebte und arbeitete bis 1996. Die erste und bislang einzige Fellerer-Ausstellung richtete 1967 die Österreichische Gesellschaft für Architektur aus. Neben einem Besuch des Gänsehäufels empfiehlt sich auf den Spuren Fellerers und Wörles eine Einkehr in der Restaurant-Veranda des Tulbingerkogel-Hotels nahe Wien. Die nüchtern-moderne, bescheidene Sprache des 1932 gebauten Hotels in großartiger Wienerwald-Panoramalage steht in der besten Tradition der Wiener Moderne. Die vor wenigen Jahren realisierte Erweiterung durch das Büro Archisphere fügt dem Komplex einen adäquaten zeitgenössischen Teil hinzu. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung für die Architektur von Max Fellerer.

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