Akteur
Gerhard Mitterberger
Graz (A)
Natur pur mit Stahl und Beton
Der Osttiroler Architekt Gerhard Mitterberger entwirft seit einem Vierteljahrhundert in der Steiermark seine Bauten. Einfachheit und Robustheit zeigen die Dinge, wie sie sind.
7. März 2015 - Karin Tschavgova
Weder der Bauboom in fernöstlichen Metropolen noch einzelne medial gehypte Leuchtturmprojekte in Europa können darüber hinwegtäuschen, dass die Tätigkeit der Architekten krisengeschüttelt ist, auch wenn, wer mit offenen Augen durch die Lande fährt und durch unsere Städte geht, den Eindruck gewinnt, dass die Auftragsbücher der Bauwirtschaft prall gefüllt sein müssten. Zweifelsohne wird viel gebaut, und es wird auch mehr denn je über das „Gute Bauen“ geschrieben. Das Marx'sche Theorem, wonach das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt, scheint jedoch in Bezug auf die Forderung nach gutem Bauen und Baukultur nicht anwendbar. Das Bewusstsein für hohe Bauqualität durch Fachleute – die Architekten – scheint, anders als bei Chirurgen oder Haustechnikern, nicht sehr ausgeprägt. Wie sonst ist zu erklären, dass der Anteil an Planungsleistungen von Architekten in Österreich immer noch so gering ist und sie nur bei geschätzten fünf Prozent der gesamten Bauvorhaben hinzugezogen werden?
Vor allem für frisch vereidigte Architekten wird es immer schwieriger, zu Aufträgen zu kommen und an Architekturwettbewerben teilzunehmen. Das liegt sicher nicht am fehlenden Engagement der Jungen – nein, es gibt einfach kaum Verfahren, die offen sind und nicht so hohe Zugangshürden vorgeben, dass Büros ohne große Referenzbauten sie erfüllen könnten. Nachdem Architekten, nicht anders als andere fachlich Qualifizierte, ihr Wissen durch Studium und erforderliche Praxis erworben haben, zeigt sich nicht zuletzt darin mangelndes Vertrauen in das Können dieser Berufsgruppe. Auch deshalb ist es interessant und aufschlussreich, die Berufsbiografie eines Architekten im Zusammenhang mit der Zeit seiner Tätigkeit und ihren soziokulturellen Gegebenheiten zu betrachten. Prägen individuelle Erkenntnisse und Biografien oder gesellschaftliche Diskurse ein Architektenleben stärker, oder wirkt beides gleichermaßen?
Gerhard Mitterberger betreibt seit einem Vierteljahrhundert in Graz als selbstständiger Architekt ein Büro mit zwei bis drei Mitarbeitern. Was er planen und bauen konnte, steht vorwiegend im ländlichen Raum der Steiermark, manches in seiner Heimat Osttirol. Mitterbergers architektonische Sozialisation fand zweifelsohne in den Zeichensälen, den Diskutierstuben der Grazer Technischen Universität in den 1980ern statt. Peter Blundell Jones führt ihn 1998 in der ersten theoretischen Aufarbeitung von „New Graz Architecture“ als Vertreter einer kommenden Generation an, die darauf hinweise, dass die Geschichte der Neuen Grazer Architektur noch nicht zu Ende geschrieben ist. Als Vertreter der Grazer Schule wird man ihn, dessen Bauten durch Einfachheit und werkstattartigen Charakter gekennzeichnet sind, kaum einordnen, selbst wenn man diese Zuschreibung wie der Autor weit fasst und die Heterogenität der Arbeiten dieser Gruppe berücksichtigt.
Gerhard Mitterbergers Zugang zum Bauen ist direkt, er bleibt im thematisch Grundsätzlichen einer Bauaufgabe. Diese Haltung ist vermutlich weniger der Opposition als Reaktion auf die Künstlerattitüden mancher „Väter“ der Grazer Architektur geschuldet als der biographischen Herkunft des Architekten. In der Natur und den Bergen Osttirols aufgewachsen, ist er Bergsteiger, der den Weg zum optimalen Ziel exakt bemisst und alles Überflüssige vermeidet. In seiner Arbeit scheint ihm nicht das Erklimmen höchster Gipfel wichtig zu sein. Das Ergebnis seiner kreativen Anstrengung soll eine einfache, robuste und gut funktionierende Form der Behausung sein, die viele Möglichkeiten ihrer Aneignung und Benutzung offen hält. Dass der „Naturbursch“ Mitterberger dabei mit Vorliebe die Leichtigkeit einer knappen, ephemer wirkenden Hülle anstrebt,die vor Wind und Wetter schützt, dabei den direkten Zugang zur Natur, zu Licht und Sonne hervorhebt, ist aus dieser Sicht verständlich. Dass Auftraggeber im ländlichen Raum seine unkonventionellen Vorstellungen und sein Materialverständnis akzeptieren können, ist hingegen erstaunlich.
Mitterberger verwendet Materialien mit Vorliebe pur – unbehandelt, unveredelt, unverkleidet. Er arbeitet mit konstruktiv wirksamen Massivholzelementen, die als Tafeln mit fertiger Sichtholzoberfläche auf die Baustelle kommen, er verwendet rauen Beton nicht nur als Sockel und baut Stahlträger auch unlackiert ein. Sieht er im Außenbereich Holzschalungen vor, so dürfen diese natürlich verwittern, grau und auch mal fleckig werden. Dennoch ist Holzbau für ihn keine Frage der Ideologie, sondern eine der Erzeugung atmosphärischer Räume, und so hat er auch keinerlei Scheu davor, als Außenhaut seiner Holzkonstruktionen witterungsbeständige, kunststoffbeschichtete Fassadenplatten zu verwenden – neuerdings sogar mit Blattdekor.
Auch wenn der Architekt, wie er selbst betont, die vier Sportanlagen, die er bis jetzt in Landgemeinden realisieren konnte, auf materialtechnischem Low-Level geplant hat („Sportplätze können Würstelbudenatmosphäre haben“), darf man nicht daraus schlussfolgern, dass seine Arbeit grob ist. Ein transparentes Dach aus gewelltem Polycarbonat wirkt zwar lapidar, wird aber fein detailliert und solide montiert, genauso wie Innenwände aus Massivholz, die in abgewinkelter Zusammensetzung fein auf Gehrung geschnitten werden oder die gut durchdachten Möbel aus Dreischichtplatten in Holz, die er für den Kindergarten in Stallhofen bauen lässt, um nicht Spanplatten verwenden zu müssen.
Design, meint der Architekt, habe in seiner Auffassung von Architektur keinen Platz. Das Bedürfnis, ein Funktionsprogramm auf seine wesentlichen Anforderungen hin zu optimieren und dabei zugleich einfach und zweckorientiert zu bleiben, verlange nach intelligenten Konzepten, die keine Behübschung brauchen. Das ist vielleicht das Geheimnis des Erfolges des Architekten: In seinen Bauten zeigt er die Dinge, wie sie sind. Seine Sprache kann offensichtlich verstanden werden. Dass er dabei, wie im Musikheim in Stallhofen, außergewöhnliche Räume schafft, reiht ihn doch als Nachfolger der Grazer Schule ein. Im Gegensatz zu jenen, die heute lossprinten wollen, hatte Jungarchitekt Mitterberger seinerzeit die Gelegenheit, sich über Wettbewerbe zu profilieren und Vertrauensvorschuss zu bekommen. So ist steirische Baukultur entstanden.
Vor allem für frisch vereidigte Architekten wird es immer schwieriger, zu Aufträgen zu kommen und an Architekturwettbewerben teilzunehmen. Das liegt sicher nicht am fehlenden Engagement der Jungen – nein, es gibt einfach kaum Verfahren, die offen sind und nicht so hohe Zugangshürden vorgeben, dass Büros ohne große Referenzbauten sie erfüllen könnten. Nachdem Architekten, nicht anders als andere fachlich Qualifizierte, ihr Wissen durch Studium und erforderliche Praxis erworben haben, zeigt sich nicht zuletzt darin mangelndes Vertrauen in das Können dieser Berufsgruppe. Auch deshalb ist es interessant und aufschlussreich, die Berufsbiografie eines Architekten im Zusammenhang mit der Zeit seiner Tätigkeit und ihren soziokulturellen Gegebenheiten zu betrachten. Prägen individuelle Erkenntnisse und Biografien oder gesellschaftliche Diskurse ein Architektenleben stärker, oder wirkt beides gleichermaßen?
Gerhard Mitterberger betreibt seit einem Vierteljahrhundert in Graz als selbstständiger Architekt ein Büro mit zwei bis drei Mitarbeitern. Was er planen und bauen konnte, steht vorwiegend im ländlichen Raum der Steiermark, manches in seiner Heimat Osttirol. Mitterbergers architektonische Sozialisation fand zweifelsohne in den Zeichensälen, den Diskutierstuben der Grazer Technischen Universität in den 1980ern statt. Peter Blundell Jones führt ihn 1998 in der ersten theoretischen Aufarbeitung von „New Graz Architecture“ als Vertreter einer kommenden Generation an, die darauf hinweise, dass die Geschichte der Neuen Grazer Architektur noch nicht zu Ende geschrieben ist. Als Vertreter der Grazer Schule wird man ihn, dessen Bauten durch Einfachheit und werkstattartigen Charakter gekennzeichnet sind, kaum einordnen, selbst wenn man diese Zuschreibung wie der Autor weit fasst und die Heterogenität der Arbeiten dieser Gruppe berücksichtigt.
Gerhard Mitterbergers Zugang zum Bauen ist direkt, er bleibt im thematisch Grundsätzlichen einer Bauaufgabe. Diese Haltung ist vermutlich weniger der Opposition als Reaktion auf die Künstlerattitüden mancher „Väter“ der Grazer Architektur geschuldet als der biographischen Herkunft des Architekten. In der Natur und den Bergen Osttirols aufgewachsen, ist er Bergsteiger, der den Weg zum optimalen Ziel exakt bemisst und alles Überflüssige vermeidet. In seiner Arbeit scheint ihm nicht das Erklimmen höchster Gipfel wichtig zu sein. Das Ergebnis seiner kreativen Anstrengung soll eine einfache, robuste und gut funktionierende Form der Behausung sein, die viele Möglichkeiten ihrer Aneignung und Benutzung offen hält. Dass der „Naturbursch“ Mitterberger dabei mit Vorliebe die Leichtigkeit einer knappen, ephemer wirkenden Hülle anstrebt,die vor Wind und Wetter schützt, dabei den direkten Zugang zur Natur, zu Licht und Sonne hervorhebt, ist aus dieser Sicht verständlich. Dass Auftraggeber im ländlichen Raum seine unkonventionellen Vorstellungen und sein Materialverständnis akzeptieren können, ist hingegen erstaunlich.
Mitterberger verwendet Materialien mit Vorliebe pur – unbehandelt, unveredelt, unverkleidet. Er arbeitet mit konstruktiv wirksamen Massivholzelementen, die als Tafeln mit fertiger Sichtholzoberfläche auf die Baustelle kommen, er verwendet rauen Beton nicht nur als Sockel und baut Stahlträger auch unlackiert ein. Sieht er im Außenbereich Holzschalungen vor, so dürfen diese natürlich verwittern, grau und auch mal fleckig werden. Dennoch ist Holzbau für ihn keine Frage der Ideologie, sondern eine der Erzeugung atmosphärischer Räume, und so hat er auch keinerlei Scheu davor, als Außenhaut seiner Holzkonstruktionen witterungsbeständige, kunststoffbeschichtete Fassadenplatten zu verwenden – neuerdings sogar mit Blattdekor.
Auch wenn der Architekt, wie er selbst betont, die vier Sportanlagen, die er bis jetzt in Landgemeinden realisieren konnte, auf materialtechnischem Low-Level geplant hat („Sportplätze können Würstelbudenatmosphäre haben“), darf man nicht daraus schlussfolgern, dass seine Arbeit grob ist. Ein transparentes Dach aus gewelltem Polycarbonat wirkt zwar lapidar, wird aber fein detailliert und solide montiert, genauso wie Innenwände aus Massivholz, die in abgewinkelter Zusammensetzung fein auf Gehrung geschnitten werden oder die gut durchdachten Möbel aus Dreischichtplatten in Holz, die er für den Kindergarten in Stallhofen bauen lässt, um nicht Spanplatten verwenden zu müssen.
Design, meint der Architekt, habe in seiner Auffassung von Architektur keinen Platz. Das Bedürfnis, ein Funktionsprogramm auf seine wesentlichen Anforderungen hin zu optimieren und dabei zugleich einfach und zweckorientiert zu bleiben, verlange nach intelligenten Konzepten, die keine Behübschung brauchen. Das ist vielleicht das Geheimnis des Erfolges des Architekten: In seinen Bauten zeigt er die Dinge, wie sie sind. Seine Sprache kann offensichtlich verstanden werden. Dass er dabei, wie im Musikheim in Stallhofen, außergewöhnliche Räume schafft, reiht ihn doch als Nachfolger der Grazer Schule ein. Im Gegensatz zu jenen, die heute lossprinten wollen, hatte Jungarchitekt Mitterberger seinerzeit die Gelegenheit, sich über Wettbewerbe zu profilieren und Vertrauensvorschuss zu bekommen. So ist steirische Baukultur entstanden.
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