Akteur
BDE Architekten BSA SIA
Winterthur (CH)
Subtile Eingriffe
Bauten und Projekte von BDE Architekten aus Winterthur
1. September 2006 - J. Christoph Bürkle
Bei Schulhaus-Wettbewerben kann der Architektennachwuchs seine Fähigkeiten wie selten sonst beweisen. Junge Architekturbüros erzielen deshalb ihre ersten Erfolge oftmals im Schulhausbau. Obwohl die Ausschreibungen zumeist die vorschriftsmässige Zuordnung rechtwinkliger Schulräume entlang von erschliessenden Korridoren fordern, werden immer wieder kreative Lösungen gefunden. Es erstaunt daher nicht, dass sich im Schulbau die Tendenzen der neuen Schweizer Architektur besonders gut ablesen lassen.
Kontextbezogenes Entwerfen
Mit einem Schulhausprojekt wurden auch die Winterthurer Architekten Philipp Brunnschweiler, Matthias Denzler und Oliver Erb bekannt. Bei der Erweiterung der Primarschule in Elsau handelte es sich um die erste grössere Arbeit, mit der sie ihre Bürogemeinschaft starteten. Die formale Kraft der aussen liegenden, aus rautenförmigen Betonstützen bestehenden Tragstruktur verleiht der mehrfach erweiterten Schule eine eigene architektonische Identität. Das scherengitterartige Tragsystem ermöglicht eine freie Raumaufteilung im Inneren und erweist sich zugleich als kritische Reflexion der vorhergehenden Anbauten. Denn wie viele Schulbauten entstand auch das Primarschulhaus Elsau in Etappen. Der Kernbau von 1930 wurde 1950, 1980 und 2004 erweitert. Bemerkenswert ist dabei, wie unterschiedlich in den jeweiligen Epochen die immer gleiche Bauaufgabe angegangen wurde - und dies bei kaum veränderten Vorschriften.
Brunnschweiler, Denzler und Erb versuchten gar nicht erst, darauf mit einer analogen Sprache zu antworten. Vielmehr nahmen sie die Geschossaufteilung und die Betonrahmenstruktur der letzten Erweiterung auf, indem sie diese mit «bewegten» Stützen gekonnt konterkarierten. So entstand eine prägnante Form, die das Dogma der Rechtwinkligkeit und der Trennung von Stütze und Wand ins Wanken brachte. Man spürt bei BDE Architekten das starke Interesse am kontextbezogenen Entwurf. Dabei geht es ihnen um das ständige Suchen nach einem tragfähigen Thema. Das Konzept wird ständig neu hinterfragt, was den Entwurfsprozess sehr aufwendig macht. Zwar ist ihnen ein starker formaler Ausdruck wichtig, aber die Form darf nicht zum Selbstzweck werden. Dennoch meint Philipp Brunnschweiler lakonisch: «Lieber an der Ausstattung sparen als an der Fassade!»
Unterschiedliche Massstäbe
Dass BDE Architekten ihr Credo vom kontextbezogenen Entwurf auch im grösseren Massstab umsetzen können, zeigt ihre Wettbewerbsarbeit für das Archareal in Winterthur, mit der sie und Amadeus Dorsch, der mittlerweile zum Kernteam zählt, den ersten Preis erzielten. Unweit des Winterthurer Bahnhofs soll im Wildbachquartier ein städtisches Geviert komplett überbaut werden. Immer häufiger werden in mittleren Städten unterschiedliche Nutzungen zu grossen Überbauungen zusammengefasst, was einhergeht mit dem Wandel kleinstädtischer, mit Solitären bebauter Gebiete in grossstädtisch verdichtete Anlagen. BDE Architekten nutzten diese städtebauliche Ausgangslage und entwickelten einen kompakten Baukörper, bei dem sie die Vorteile der Blockrandbebauung herausarbeiteten. Der zum Aussenraum geschlossene Block nimmt mit seiner prismatischen Dachlandschaft Bezug zu den umgebenden Firsthöhen und ordnet sich perfekt in das vorhandene Gefüge ein. Zur Technikumstrasse hin nimmt sich das Gebäude zurück, um dem grossen Volumen Raum zu geben, einen Platz zu schaffen und die städtische Dichte durch öffentlichen Raum aufzulösen.
Um das vielfältige, sich aus Verkaufsgeschäften, Büros und Wohnungen zusammensetzende Raumprogramm unterzubringen, sehen die Architekten statt eines grossen Innenhofes sieben Licht- und Wohnhöfe vor, die mit unterschiedlichen Geometrien dem Volumen die Schwere nehmen und es zugleich vertikal und horizontal strukturieren. Während sich die Verkaufs- und Dienstleistungsflächen in den unteren Geschossen ineinander verschleifen, wird das Gebäude nach oben durch die Gartenhöfe der Wohnungen lichter und offener. Mit seinen begrünten Höfen und der vielfältigen Nutzung hätte das Projekt einen interessanten Beitrag zum innerstädtischen Wohnen leisten können. Nun soll aber - auf Wunsch des Investors - anstelle der ursprünglich geplanten Stadtwohnungen eine Altersresidenz verwirklicht werden. Es dürfte sich bald zeigen, ob dies die richtige Nutzung ist. Denn im nächsten Jahr soll mit dem Bau begonnen werden.
Tektonische Collage
Bereits fertig gestellt ist das Pfarrhaus in Steinhausen bei Zug, mit welchem BDE Architekten souverän zeigten, wie man auf einen uneinheitlichen Ort architektonisch angemessen reagieren kann. Es galt, das neben der auf das 12. Jahrhundert zurückgehenden katholischen St.-Matthias-Kirche gelegene Pfarrhaus umzubauen und zu erweitern. Flankiert wird die Anlage von einem zur Einkaufszone degradierten Dorfplatz mit gesichtslosen Gebäuden aus den siebziger Jahren, die unter anderem Rathaus, Gemeindeamt und Post beherbergen. Vergeblich versuchte 1981 Ernst Gisel, den Raum mit dem brutalistischen Sichtbetonkonglomerat von Kirchgemeindehaus und Bibliothek zu schliessen. Nun konnten Brunnschweiler, Denzler und Erb mit der Erweiterung des bestehenden Pfarrhauses eine selbständige Architektur schaffen, die das heterogene Ensemble ergänzt.
Sie entwickelten eine einheitliche Fassadenstruktur, die den Innenhof mit den Wohnungen und dem Pfarramt zu einem ein- und zweigeschossigen Bau verschmilzt und eine introvertierte innere Raumstruktur vermuten lässt. Grosse, grün eingefärbte Betonplatten, die mit Andeerer Granit versehen sind, weisen auf einen eigenwilligen Umgang mit den Materialien hin. Dank unterschiedlichsten Fenstergrössen werden die Fassaden zu einer tektonischen Collage, die sehr geschickt die plumpe und grob detaillierte Architektursprache der siebziger Jahre aufnimmt, diese dann aber in ihr Gegenteil verkehrt und so zu einem geradezu künstlerischen Objekt mutieren lässt. Dadurch wird an diesem formal aufgeregten Ort das neue Pfarrhaus zu einem architektonischen Ruhepol, der - reduziert und abstrahiert - erst auf den zweiten Blick seine Qualität vermittelt. Es ist zu hoffen, dass Brunnschweiler, Denzler und Erb bald mit weiteren ähnlich subtilen Eingriffen aufwarten können.
[ BDE Architekten stellen ihre Arbeiten am Mittwoch, 13. September, um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich vor. ]
Kontextbezogenes Entwerfen
Mit einem Schulhausprojekt wurden auch die Winterthurer Architekten Philipp Brunnschweiler, Matthias Denzler und Oliver Erb bekannt. Bei der Erweiterung der Primarschule in Elsau handelte es sich um die erste grössere Arbeit, mit der sie ihre Bürogemeinschaft starteten. Die formale Kraft der aussen liegenden, aus rautenförmigen Betonstützen bestehenden Tragstruktur verleiht der mehrfach erweiterten Schule eine eigene architektonische Identität. Das scherengitterartige Tragsystem ermöglicht eine freie Raumaufteilung im Inneren und erweist sich zugleich als kritische Reflexion der vorhergehenden Anbauten. Denn wie viele Schulbauten entstand auch das Primarschulhaus Elsau in Etappen. Der Kernbau von 1930 wurde 1950, 1980 und 2004 erweitert. Bemerkenswert ist dabei, wie unterschiedlich in den jeweiligen Epochen die immer gleiche Bauaufgabe angegangen wurde - und dies bei kaum veränderten Vorschriften.
Brunnschweiler, Denzler und Erb versuchten gar nicht erst, darauf mit einer analogen Sprache zu antworten. Vielmehr nahmen sie die Geschossaufteilung und die Betonrahmenstruktur der letzten Erweiterung auf, indem sie diese mit «bewegten» Stützen gekonnt konterkarierten. So entstand eine prägnante Form, die das Dogma der Rechtwinkligkeit und der Trennung von Stütze und Wand ins Wanken brachte. Man spürt bei BDE Architekten das starke Interesse am kontextbezogenen Entwurf. Dabei geht es ihnen um das ständige Suchen nach einem tragfähigen Thema. Das Konzept wird ständig neu hinterfragt, was den Entwurfsprozess sehr aufwendig macht. Zwar ist ihnen ein starker formaler Ausdruck wichtig, aber die Form darf nicht zum Selbstzweck werden. Dennoch meint Philipp Brunnschweiler lakonisch: «Lieber an der Ausstattung sparen als an der Fassade!»
Unterschiedliche Massstäbe
Dass BDE Architekten ihr Credo vom kontextbezogenen Entwurf auch im grösseren Massstab umsetzen können, zeigt ihre Wettbewerbsarbeit für das Archareal in Winterthur, mit der sie und Amadeus Dorsch, der mittlerweile zum Kernteam zählt, den ersten Preis erzielten. Unweit des Winterthurer Bahnhofs soll im Wildbachquartier ein städtisches Geviert komplett überbaut werden. Immer häufiger werden in mittleren Städten unterschiedliche Nutzungen zu grossen Überbauungen zusammengefasst, was einhergeht mit dem Wandel kleinstädtischer, mit Solitären bebauter Gebiete in grossstädtisch verdichtete Anlagen. BDE Architekten nutzten diese städtebauliche Ausgangslage und entwickelten einen kompakten Baukörper, bei dem sie die Vorteile der Blockrandbebauung herausarbeiteten. Der zum Aussenraum geschlossene Block nimmt mit seiner prismatischen Dachlandschaft Bezug zu den umgebenden Firsthöhen und ordnet sich perfekt in das vorhandene Gefüge ein. Zur Technikumstrasse hin nimmt sich das Gebäude zurück, um dem grossen Volumen Raum zu geben, einen Platz zu schaffen und die städtische Dichte durch öffentlichen Raum aufzulösen.
Um das vielfältige, sich aus Verkaufsgeschäften, Büros und Wohnungen zusammensetzende Raumprogramm unterzubringen, sehen die Architekten statt eines grossen Innenhofes sieben Licht- und Wohnhöfe vor, die mit unterschiedlichen Geometrien dem Volumen die Schwere nehmen und es zugleich vertikal und horizontal strukturieren. Während sich die Verkaufs- und Dienstleistungsflächen in den unteren Geschossen ineinander verschleifen, wird das Gebäude nach oben durch die Gartenhöfe der Wohnungen lichter und offener. Mit seinen begrünten Höfen und der vielfältigen Nutzung hätte das Projekt einen interessanten Beitrag zum innerstädtischen Wohnen leisten können. Nun soll aber - auf Wunsch des Investors - anstelle der ursprünglich geplanten Stadtwohnungen eine Altersresidenz verwirklicht werden. Es dürfte sich bald zeigen, ob dies die richtige Nutzung ist. Denn im nächsten Jahr soll mit dem Bau begonnen werden.
Tektonische Collage
Bereits fertig gestellt ist das Pfarrhaus in Steinhausen bei Zug, mit welchem BDE Architekten souverän zeigten, wie man auf einen uneinheitlichen Ort architektonisch angemessen reagieren kann. Es galt, das neben der auf das 12. Jahrhundert zurückgehenden katholischen St.-Matthias-Kirche gelegene Pfarrhaus umzubauen und zu erweitern. Flankiert wird die Anlage von einem zur Einkaufszone degradierten Dorfplatz mit gesichtslosen Gebäuden aus den siebziger Jahren, die unter anderem Rathaus, Gemeindeamt und Post beherbergen. Vergeblich versuchte 1981 Ernst Gisel, den Raum mit dem brutalistischen Sichtbetonkonglomerat von Kirchgemeindehaus und Bibliothek zu schliessen. Nun konnten Brunnschweiler, Denzler und Erb mit der Erweiterung des bestehenden Pfarrhauses eine selbständige Architektur schaffen, die das heterogene Ensemble ergänzt.
Sie entwickelten eine einheitliche Fassadenstruktur, die den Innenhof mit den Wohnungen und dem Pfarramt zu einem ein- und zweigeschossigen Bau verschmilzt und eine introvertierte innere Raumstruktur vermuten lässt. Grosse, grün eingefärbte Betonplatten, die mit Andeerer Granit versehen sind, weisen auf einen eigenwilligen Umgang mit den Materialien hin. Dank unterschiedlichsten Fenstergrössen werden die Fassaden zu einer tektonischen Collage, die sehr geschickt die plumpe und grob detaillierte Architektursprache der siebziger Jahre aufnimmt, diese dann aber in ihr Gegenteil verkehrt und so zu einem geradezu künstlerischen Objekt mutieren lässt. Dadurch wird an diesem formal aufgeregten Ort das neue Pfarrhaus zu einem architektonischen Ruhepol, der - reduziert und abstrahiert - erst auf den zweiten Blick seine Qualität vermittelt. Es ist zu hoffen, dass Brunnschweiler, Denzler und Erb bald mit weiteren ähnlich subtilen Eingriffen aufwarten können.
[ BDE Architekten stellen ihre Arbeiten am Mittwoch, 13. September, um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich vor. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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