Akteur
Onix
Groningen (NL)
Zeichen aus der Provinz
Projekte der Groninger Architektengruppe Onix
Oft werden die Niederlande als Eldorado avantgardistischen Bauens gefeiert. Doch nach Jahren des Aufbruchs scheint die Begeisterung einem neuen Realismus zu weichen. Einen der interessantesten Impulse steuert dabei das junge Groninger Büro Onix bei, das sich auf die Thesen des dänischen Filmemachers Lars von Trier beruft.
3. September 2004 - Robert Uhde
Die beiden ländlich geprägten Provinzen Groningen und Friesland gelten in den Niederlanden nicht gerade als Brennpunkt architektonischer Entwicklungen. In der Regel stammen die vielbeachteten jungen Baukünstler aus den beiden Metropolen Amsterdam und Rotterdam. Deutlich aus der Reihe fällt da das Groninger Architekturbüro Onix, das sich in kritischer Distanz zum herrschenden Architekturdiskurs ganz offen zum eigenen Standort im weniger dicht besiedelten Nordosten des Landes bekennt.
Nachhaltiges Bauen
Für die meisten Projekte greifen die Architekten um die beiden Gründungsmitglieder Alex van de Beld und Haiko Meijer auf den Werkstoff Holz zurück. So etwa bei dem im letzten Jahr südlich von Groningen realisierten ökologischen Behinderten- Bauernhof „De Mikkelhorst“, bei dem sie die fünf unterschiedlich grossen und mit unterschiedlich geformten, asymmetrischen Dachschrägen ausgebildeten Volumina zu einem homogenen Ganzen vereint haben. Im Schatten der Zackenlinie des Daches ist dabei eine Art Dorfstrasse entstanden, an der, wie an einer Perlenkette aufgereiht, ein Büro, ein kleiner Laden, ein Veranstaltungsraum, eine Teestube, eine Küche, eine Wohnung, eine Scheune, ein Garten sowie Weideflächen liegen. Das gesamte Ensemble besteht zu 90 Prozent aus nicht gestrichenem, naturnah behandeltem und aus Gründen der Materialauthentizität nicht hinter Blendmaterialien verstecktem Fichten- und Lärchenholz. Zum Heizen werden Holzspäne verwendet, zur Warmwasserbereitung dienen Sonnenkollektoren.
Mit ihrer Forderung nach Regionalität und Nachhaltigkeit opponieren die Onix-Architekten ganz offen gegen die ihrer Meinung nach zunehmend kommerzieller werdende Architekturpraxis in den Niederlanden. Mit sentimentalem Antimodernismus hat das jedoch nur wenig zu tun: Das Projekt in Haren erscheint mit seinen kantigen Volumina ebenso wenig als idealisierte Verklärung alter friesischer Bauernhäuser wie die beiden zuvor mit ähnlich schroffen Formen gestalteten Scheunengebäude in Donderen und Drenthe. Statt sich auf vorgegebene, vermeintlich „authentische“ Fassaden- oder Gebäudetypologien zu stützen und diese dann beliebig in neue Kontexte einzufügen - eine Strategie, wie sie gegenwärtig beispielsweise Rob Krier und Christoph Kohl in ihren neumittelalterlich anmutenden „Zitadellen“ Brandevoort oder Broekpolder praktizieren (NZZ 29. 6. 04) -, nutzt Onix die Geschichte des jeweiligen Ortes eher als konzeptuellen Ausgangspunkt einer assoziativen Spurensuche. Mit oftmals wenig sentimentalem Ergebnis: Der Bauernhof in Haren etwa befindet sich mitten auf einer von Wassergräben umschlossenen und von hohen Bäumen umgebenen „Insel“, auf der bis vor wenigen Jahren eine Kläranlage betrieben wurde. Statt die Reste dieser Anlage vollständig abzutragen, nutzte Onix sie spontan zur architektonischen Formfindung und gestaltete am Schnittpunkt zwischen Gebäude und Klärbecken einen deutlichen Fassadenvorsprung. Das stillgelegte „Bassin“ selbst soll künftig als Spielplatz dienen.
Ähnlich stark auf den jeweiligen Kontext bezogen erscheinen auch die Projekte mit eher urbanem Bezug: Das Innere des Musiksaales der Musikschule Groningen gestaltete Onix als organische Raumskulptur aus Holz, die mit ihrer Dynamik direkt auf die Ausbreitung des Klanges zu reagieren scheint, und bei der Erweiterung von vier unmittelbar neben einer Bahnlinie gelegenen Groninger Wohnblöcken setzten die Architekten kompromisslos eine gläserne Lärmschutzfassade vor die einzelnen Einheiten, um die Wohnungen so fliessend mit der Stadt zu verbinden.
Ihre theoretische Umsetzung fanden die Auffassungen der Architekten in dem Anfang 2001 gemeinsam mit anderen Groninger Architekten und Theoretikern ausformulierten Manifest „DogmA 01“ - einer bewusst auf Friesisch niedergeschriebenen „architektonischen Variante“ des dänischen Filmmanifests „Dogma 95“. Ähnlich wie das Filmemacher-Kollektiv um Lars von Trier mit „Dogma 95“ der „Verflachung der Hollywood-Produktionen“ entgegentreten wollte, zielt Onix mit „DogmA 01“ auf eine „essenzielle“ Alternative zur Verflachung der gegenwärtigen Baukultur mit ihrem Hang zur selbstgerecht inszenierten Fassadenarchitektur.
Abweichungen vom Dogma
Als puristische Zwangsjacke will die Architektengruppe Onix „DogmA 01“ jedoch nicht verstanden wissen. Die Amsterdamer Architekturkritikerin Anneke Bokern verweist in diesem Zusammenhang auf die im letzten Jahr realisierte Erweiterung eines Spielplatz-Gebäudes im Groninger Oosterpark: Zwar passt sich die als architektonischer Baumstammstapel gestaltete Form mit ihrem gekrümmten Dach deutlich dem Bestand und der Parkumgebung an, doch hat Onix hier die Stirnseiten des Gebäudes mit 30 Zentimeter langen Rundhölzern verkleidet, um so die Anmutung des Gebäudes als riesiger Holzstapel zu unterstützen. Bezogen auf den Anspruch von Onix, keine Blendmaterialien zu verwenden, handelt es sich hier um einen deutlich zur Schau getragenen Stilbruch. Ähnlich wie sich schon der 1999 von Søren Kragh-Jacobsen gedrehte Dogma-Film „Mifune“ - das nach „Festen“ von Thomas Vinterberg (1998) und Lars von Triers „Idioterna“ (1999) dritte Dogma-Werk - nicht mehr vollständig an die eigenen Regeln hielt und statt ausschliesslich auf vorhandenes Licht mitunter auch auf Scheinwerferlicht zurückgriff, so erlauben sich auch die Onix-Architekten bisweilen Abweichungen von ihrem Dogma. Nicht als Kompromiss, sondern aus ironisch- spielerischer Lust am Experiment.
Nachhaltiges Bauen
Für die meisten Projekte greifen die Architekten um die beiden Gründungsmitglieder Alex van de Beld und Haiko Meijer auf den Werkstoff Holz zurück. So etwa bei dem im letzten Jahr südlich von Groningen realisierten ökologischen Behinderten- Bauernhof „De Mikkelhorst“, bei dem sie die fünf unterschiedlich grossen und mit unterschiedlich geformten, asymmetrischen Dachschrägen ausgebildeten Volumina zu einem homogenen Ganzen vereint haben. Im Schatten der Zackenlinie des Daches ist dabei eine Art Dorfstrasse entstanden, an der, wie an einer Perlenkette aufgereiht, ein Büro, ein kleiner Laden, ein Veranstaltungsraum, eine Teestube, eine Küche, eine Wohnung, eine Scheune, ein Garten sowie Weideflächen liegen. Das gesamte Ensemble besteht zu 90 Prozent aus nicht gestrichenem, naturnah behandeltem und aus Gründen der Materialauthentizität nicht hinter Blendmaterialien verstecktem Fichten- und Lärchenholz. Zum Heizen werden Holzspäne verwendet, zur Warmwasserbereitung dienen Sonnenkollektoren.
Mit ihrer Forderung nach Regionalität und Nachhaltigkeit opponieren die Onix-Architekten ganz offen gegen die ihrer Meinung nach zunehmend kommerzieller werdende Architekturpraxis in den Niederlanden. Mit sentimentalem Antimodernismus hat das jedoch nur wenig zu tun: Das Projekt in Haren erscheint mit seinen kantigen Volumina ebenso wenig als idealisierte Verklärung alter friesischer Bauernhäuser wie die beiden zuvor mit ähnlich schroffen Formen gestalteten Scheunengebäude in Donderen und Drenthe. Statt sich auf vorgegebene, vermeintlich „authentische“ Fassaden- oder Gebäudetypologien zu stützen und diese dann beliebig in neue Kontexte einzufügen - eine Strategie, wie sie gegenwärtig beispielsweise Rob Krier und Christoph Kohl in ihren neumittelalterlich anmutenden „Zitadellen“ Brandevoort oder Broekpolder praktizieren (NZZ 29. 6. 04) -, nutzt Onix die Geschichte des jeweiligen Ortes eher als konzeptuellen Ausgangspunkt einer assoziativen Spurensuche. Mit oftmals wenig sentimentalem Ergebnis: Der Bauernhof in Haren etwa befindet sich mitten auf einer von Wassergräben umschlossenen und von hohen Bäumen umgebenen „Insel“, auf der bis vor wenigen Jahren eine Kläranlage betrieben wurde. Statt die Reste dieser Anlage vollständig abzutragen, nutzte Onix sie spontan zur architektonischen Formfindung und gestaltete am Schnittpunkt zwischen Gebäude und Klärbecken einen deutlichen Fassadenvorsprung. Das stillgelegte „Bassin“ selbst soll künftig als Spielplatz dienen.
Ähnlich stark auf den jeweiligen Kontext bezogen erscheinen auch die Projekte mit eher urbanem Bezug: Das Innere des Musiksaales der Musikschule Groningen gestaltete Onix als organische Raumskulptur aus Holz, die mit ihrer Dynamik direkt auf die Ausbreitung des Klanges zu reagieren scheint, und bei der Erweiterung von vier unmittelbar neben einer Bahnlinie gelegenen Groninger Wohnblöcken setzten die Architekten kompromisslos eine gläserne Lärmschutzfassade vor die einzelnen Einheiten, um die Wohnungen so fliessend mit der Stadt zu verbinden.
Ihre theoretische Umsetzung fanden die Auffassungen der Architekten in dem Anfang 2001 gemeinsam mit anderen Groninger Architekten und Theoretikern ausformulierten Manifest „DogmA 01“ - einer bewusst auf Friesisch niedergeschriebenen „architektonischen Variante“ des dänischen Filmmanifests „Dogma 95“. Ähnlich wie das Filmemacher-Kollektiv um Lars von Trier mit „Dogma 95“ der „Verflachung der Hollywood-Produktionen“ entgegentreten wollte, zielt Onix mit „DogmA 01“ auf eine „essenzielle“ Alternative zur Verflachung der gegenwärtigen Baukultur mit ihrem Hang zur selbstgerecht inszenierten Fassadenarchitektur.
Abweichungen vom Dogma
Als puristische Zwangsjacke will die Architektengruppe Onix „DogmA 01“ jedoch nicht verstanden wissen. Die Amsterdamer Architekturkritikerin Anneke Bokern verweist in diesem Zusammenhang auf die im letzten Jahr realisierte Erweiterung eines Spielplatz-Gebäudes im Groninger Oosterpark: Zwar passt sich die als architektonischer Baumstammstapel gestaltete Form mit ihrem gekrümmten Dach deutlich dem Bestand und der Parkumgebung an, doch hat Onix hier die Stirnseiten des Gebäudes mit 30 Zentimeter langen Rundhölzern verkleidet, um so die Anmutung des Gebäudes als riesiger Holzstapel zu unterstützen. Bezogen auf den Anspruch von Onix, keine Blendmaterialien zu verwenden, handelt es sich hier um einen deutlich zur Schau getragenen Stilbruch. Ähnlich wie sich schon der 1999 von Søren Kragh-Jacobsen gedrehte Dogma-Film „Mifune“ - das nach „Festen“ von Thomas Vinterberg (1998) und Lars von Triers „Idioterna“ (1999) dritte Dogma-Werk - nicht mehr vollständig an die eigenen Regeln hielt und statt ausschliesslich auf vorhandenes Licht mitunter auch auf Scheinwerferlicht zurückgriff, so erlauben sich auch die Onix-Architekten bisweilen Abweichungen von ihrem Dogma. Nicht als Kompromiss, sondern aus ironisch- spielerischer Lust am Experiment.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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