Akteur
Wilfried Wang
Hoidn Wang Partner - Berlin (D)
Paradigmenwechsel: Jetzt
Der in Berlin tätige Architekt Wilfried Wang plädiert für eine völlige Veränderung im Selbstverständnis des Berufsstandes, diese soll helfen, die Herausforderungen der Ökologie zu meistern.
10. Oktober 2009 - Ute Woltron
Eine Menge Arbeit stehe Architektinnen und Architekten bevor, sagt Wilfried Wang. Doch wird die in Zukunft „heterogener, vielfältiger und alles andere als mit einfachen geometrischen Formornamenten zu bewerkstelligen sein.“
Zwar herrsche nicht nur in Alltagspolitik, sondern auch in Fachkreisen der Bauwirtschaft der Glaube vor, intelligente Technologie allein könne den westlichen Lebensstandard erhalten. Doch tatsächlich bedürfe es eines radikaleren und weitreichenderen Paradigmenwechsels, sagt Wang, der am Montag in Wien auf Einladung der Ögfa einen Vortrag dazu halten wird.
Standard: Wie soll dieser Paradigmenwechsel aber ausschauen?
Wang: Das Bild, das wir Architekten uns selbst geben, das neu gebaute Architekturwunderzeichen auf der grünen Wiese, das wird in Zukunft immer weniger der Realität entsprechen. Eine einfache Betrachtung dazu: Auch wenn wir pro Jahr bis zu ein Prozent der gesamten Bausubstanz durch Neubauten ersetzen, sind wir erst in 100 Jahren so weit, dass die Gesamtsubstanz höhere technische Standards aufweist. Wir müssen uns vielmehr verstärkt dem Bestand widmen, anstatt abzureißen und neu zu bauen.
Standard: Das bedeutet thermische Sanierung und Umrüstung hin zu Passiv- oder zumindest Niedrigenergiestandards. Ist das zum einen machbar, zum anderen tatsächlich das einzig Zielführende? Derzeit ist nachgerade ein politischer Hype in diese Richtung ausgebrochen.
Wang: Man könnte folgenden Lackmustest anwenden und sagen: Gut, liebe Politiker, ihr sagt uns, die Welt sei durch Technik zu retten. Dann machen wir doch die Probe aufs Exempel. Rüsten wir zudem alle Bauten, die darüber verfügen könnten, mit geothermischen Anlagen, Fotovoltaik und Solarthermie aus, sodass sie bis zu 50 Prozent des Eigenbedarfs abdecken könnten. Wie aber reagieren die Energieversorgungsunternehmen darauf, wenn sich die Republik auf den Weg macht, deren Bedarf um die Hälfte zu kürzen?
Standard: Man darf davon ausgehen, dass ihnen das nicht gefällt. Doch abgesehen davon: Derzeit hat man den Eindruck, die EU-Politik schere die gesamte Bausubstanz sicherheitshalber über einen Kamm. Die Forderung, alle öffentlichen Gebäude, egal welcher Bauzeit, auf Passivstandard zu bringen, mag nur ein Indiz dafür sein.
Wang: Unterschiedliche Bautypen aus verschiedensten Jahrhunderten und Jahrzehnten stellen unterschiedlichste Fragen, also muss man auch sehr differenziert an sie herangehen. Es ist nicht jede Maßnahme überall bauphysiologisch sinnvoll, das haben Leute, die behutsam mit denkmalgeschützten Bauten umgehen, klar aufgezeigt. Dumme technische Vorschriften sind leider dazu geeignet, baukulturelle Unterschiede glattzubügeln. Bürokraten haben für solche Fragen kein Gespür.
Standard: Während hinter vorgehaltener Hand sehr viel Kritik an den Dekreten geübt wird, bleibt ein öffentlicher Aufschrei der Architektur allerdings aus.
Wang: Die Architektenschaft war immer schon sehr schwach in Lobbyarbeit. Viele glauben an den Passivstandard, und dagegen spricht ja auch nichts. Andererseits hat sich die Architektenschaft in vielen wichtigen Belangen wie Schlachtvieh verhalten, etwa zum Thema Architekturwettbewerb. Dank der EU-Servicedirektive gibt es den im europäischen Raum so gut wie nicht mehr. Die Architektenschaft reiht sich im Dienstleistungsbereich gleichrangig ein mit Schlossern, Installateuren und anderen Betrieben, während sich Hochschullehrer, Anwälte oder Ärzte rausgenommen haben. Das heißt, wenn es um kulturelle Werte geht, lassen wir Architekten uns behandeln wie Malermeister. Da ist an unsere Kammern und Vertreter schon die Frage zu stellen: Warum habt ihr das zugelassen?
Standard: Architektur im besten Sinne, also Baukultur abseits von Ikonen und Pfauenfedern, war erstaunlicherweise niemals Thema der EU-Gremien. Es stimmt verdächtig, wenn eben diese Gremien nun europaweit suggerieren, man könne die Welt mit Architektur retten, während etwa die österreichische Bahn derzeit den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlegen will. Darf man da nicht getrost von krasser Unverhältnismäßigkeit sprechen?
Wang: Wenn wir Architekten uns jetzt zum Instrument dieser Nachhaltigkeitstechnik machen, werden wir wieder versagen. Der Funktionalismus hat gezeigt, dass die Lösung über die technische Schiene nicht der einzige zielführende Weg ist. Wir haben in der Vergangenheit als Architektenschaft der Standardisierung, der Industrialisierung und Normierung das Wort geredet. Was ist aber dabei herausgekommen? Es sind die schrecklichsten Wohnbauten aller Zeiten in den ödesten Verhältnissen entstanden. Wenn man jetzt 90 Jahre Bauhaus feiert und nicht auf diese Probleme hinweist, dokumentiert das einen großen Fehler im Bewusstsein der Architekten. Ich kritisiere diesen Mangel an Diskurs, denn affirmatives Gerede bringt nichts mehr. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass die Probleme weit größer sind und eben nicht nur mit optimierten Heizgeräten und Dämmstoffen bewerkstelligt werden können. So einfach ist das leider nicht, doch die komplizierteren Umstände sind immer die unbequemeren.
Standard: Welche Rolle kann aber die Architektur tatsächlich spielen?
Wang: Wenn die Architektenschaft Nachhaltigkeit grundsätzlich befürwortet und den Klimawandel einschränken will, bedeutet das, dass wir uns künftig viel mehr um den Bestand kümmern müssen als um den Neubau. Tatsächlich gibt es in den meisten Ländern ohne Bevölkerungswachstum keinen Bedarf an Neubauten. Von Demografen wird für Deutschland ein Bevölkerungsrückgang bis 2050 von 82 auf 72 Millionen Menschen vorausgesagt. Zwar gibt es allerorten eine Steigerung des Wohnraums pro Kopf, in der Nachkriegszeit lag er bei 18 Quadratmetern, derzeit halten wir bei knapp 40. Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Bevölkerungsdichte bei derselben Bebauungsdichte um mehr als 50 Prozent fällt. Das hat enorme Auswirkungen auf Einzelhandel, Nahrungsmittelversorgung, Industrialisierung. Die Baukultur kann davon nicht unabhängig betrachtet werden.
Standard: Wie lautet Ihr Credo hinsichtlich der Baukultur dazu?
Wang: Mein Plädoyer lautet: Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern, nicht die Technik. Die kann helfen, aber zuallererst müssen wir unsere lange eingespielten Wertevorstellungen ändern, und zwar auch diejenigen, die wir Architekten als Berufsstand mit uns tragen und zudem immer noch medial verbreiten lassen. Der Traum vom Häuschen im Grünen mit den zwei Autos, mit denen die Kinder in die Schule gefahren werden, wo man mit dem großen Wagen einkaufen fährt, ist uns als kultureller Fuß- abdruck eingeimpft worden. Wem kann man das auch verwehren?
Standard: Nimmt die Ausbildung auf derlei Fragestellungen hinreichend Bedacht?
Wang: An den Hochschulen sind Werkvorträge von interessanten Architektinnen und Architekten zu hören, es wird Architekturgeschichte unterrichtet - doch es ist eine Architekturgeschichte der Neubauten. Was mit Gebäuden tatsächlich über die Jahrhunderte passiert, wird in den wenigsten Vorträgen thematisiert. Wir brauchen aber eine realistischere, ganzheitlichere Betrachtung des Umgangs mit Bausubstanz, denn wir werden es künftig mehrheitlich mit Umbauten und Renovierungen zu tun haben, nicht mit Neubauten. Das fehlt komplett an den Hochschulen. Sanieren und Umbauen ist eben nicht so attraktiv wie der Neubau.
Standard: Welchen Rat würden Sie jungen Architektinnen und Architekten mit auf den Weg geben?
Wang: Ich würde ihnen sagen, setzt euch mit Dingen auseinander, die vor Ort bereits seit längerem existieren. Schaut euch beispielsweise die Materialien und Details an, die sich am besten bewährt haben und die nicht aus großen Distanzen herbeigekarrt werden müssen. Schaut euch an, was etwa an Bauteilen vorhanden ist und was man gegebenenfalls wiederverwerten kann. Es gibt sehr wohl Leute, die sich überlegen, wie Baukultur angelehnt an lokale Traditionen und Materialien entstehen kann. Doch das wird selten angewandt und wird stets ein wenig anrüchig mit Heimatstil und ähnlichem verwechselt. Intelligente Ausrichtung von Bauten in klimatischer und topografischer Hinsicht gibt es jedoch bereits seit Jahrtausenden. Hätte man sich darauf besonnen, sähe die Welt anders aus.
Standard: Eine elementare Rolle bei der Treibhausgasreduktion kann erwiesenermaßen ein intelligenter Städtebau spielen. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie dort?
Wang: Der Städtebau ist eine schwierige Frage, weil Veränderungen nachträglich nur zäh durchzuführen sind. Doch auch hier kommt man zu Lösungen. Wir arbeiten etwa gerade in Texas daran, wie der öffentliche Nahverkehr dichter ausgebaut werden könnte, und das geschieht immerhin in einer Gegend, in der in der Vergangenheit ein eher anderes Leitbild geherrscht hat. Doch auch dort hat man erkannt, dass das System Auto so nicht aufrechtzuerhalten ist.
Standard: Ein Fazit?
Wang: Wir können nicht so tun, als hätten wir immer wieder die Chance abzureißen und neu zu bauen. Das Weg kann also nicht über Neubauten führen. Nicht die Lösung des Einzelprojektes ist das Thema, sondern die anderen 99,5 Prozent.
[ Wilfried Wang führt mit Barbara Hoidn ein Architekturbüro in Berlin und ist an der University of Texas at Austin Professor für Architektur. Der Vortrag „Paradigmenwechsel“ findet am 12. 10. um 19.00 Uhr im Project Space - Kunsthalle Wien statt. ]
Zwar herrsche nicht nur in Alltagspolitik, sondern auch in Fachkreisen der Bauwirtschaft der Glaube vor, intelligente Technologie allein könne den westlichen Lebensstandard erhalten. Doch tatsächlich bedürfe es eines radikaleren und weitreichenderen Paradigmenwechsels, sagt Wang, der am Montag in Wien auf Einladung der Ögfa einen Vortrag dazu halten wird.
Standard: Wie soll dieser Paradigmenwechsel aber ausschauen?
Wang: Das Bild, das wir Architekten uns selbst geben, das neu gebaute Architekturwunderzeichen auf der grünen Wiese, das wird in Zukunft immer weniger der Realität entsprechen. Eine einfache Betrachtung dazu: Auch wenn wir pro Jahr bis zu ein Prozent der gesamten Bausubstanz durch Neubauten ersetzen, sind wir erst in 100 Jahren so weit, dass die Gesamtsubstanz höhere technische Standards aufweist. Wir müssen uns vielmehr verstärkt dem Bestand widmen, anstatt abzureißen und neu zu bauen.
Standard: Das bedeutet thermische Sanierung und Umrüstung hin zu Passiv- oder zumindest Niedrigenergiestandards. Ist das zum einen machbar, zum anderen tatsächlich das einzig Zielführende? Derzeit ist nachgerade ein politischer Hype in diese Richtung ausgebrochen.
Wang: Man könnte folgenden Lackmustest anwenden und sagen: Gut, liebe Politiker, ihr sagt uns, die Welt sei durch Technik zu retten. Dann machen wir doch die Probe aufs Exempel. Rüsten wir zudem alle Bauten, die darüber verfügen könnten, mit geothermischen Anlagen, Fotovoltaik und Solarthermie aus, sodass sie bis zu 50 Prozent des Eigenbedarfs abdecken könnten. Wie aber reagieren die Energieversorgungsunternehmen darauf, wenn sich die Republik auf den Weg macht, deren Bedarf um die Hälfte zu kürzen?
Standard: Man darf davon ausgehen, dass ihnen das nicht gefällt. Doch abgesehen davon: Derzeit hat man den Eindruck, die EU-Politik schere die gesamte Bausubstanz sicherheitshalber über einen Kamm. Die Forderung, alle öffentlichen Gebäude, egal welcher Bauzeit, auf Passivstandard zu bringen, mag nur ein Indiz dafür sein.
Wang: Unterschiedliche Bautypen aus verschiedensten Jahrhunderten und Jahrzehnten stellen unterschiedlichste Fragen, also muss man auch sehr differenziert an sie herangehen. Es ist nicht jede Maßnahme überall bauphysiologisch sinnvoll, das haben Leute, die behutsam mit denkmalgeschützten Bauten umgehen, klar aufgezeigt. Dumme technische Vorschriften sind leider dazu geeignet, baukulturelle Unterschiede glattzubügeln. Bürokraten haben für solche Fragen kein Gespür.
Standard: Während hinter vorgehaltener Hand sehr viel Kritik an den Dekreten geübt wird, bleibt ein öffentlicher Aufschrei der Architektur allerdings aus.
Wang: Die Architektenschaft war immer schon sehr schwach in Lobbyarbeit. Viele glauben an den Passivstandard, und dagegen spricht ja auch nichts. Andererseits hat sich die Architektenschaft in vielen wichtigen Belangen wie Schlachtvieh verhalten, etwa zum Thema Architekturwettbewerb. Dank der EU-Servicedirektive gibt es den im europäischen Raum so gut wie nicht mehr. Die Architektenschaft reiht sich im Dienstleistungsbereich gleichrangig ein mit Schlossern, Installateuren und anderen Betrieben, während sich Hochschullehrer, Anwälte oder Ärzte rausgenommen haben. Das heißt, wenn es um kulturelle Werte geht, lassen wir Architekten uns behandeln wie Malermeister. Da ist an unsere Kammern und Vertreter schon die Frage zu stellen: Warum habt ihr das zugelassen?
Standard: Architektur im besten Sinne, also Baukultur abseits von Ikonen und Pfauenfedern, war erstaunlicherweise niemals Thema der EU-Gremien. Es stimmt verdächtig, wenn eben diese Gremien nun europaweit suggerieren, man könne die Welt mit Architektur retten, während etwa die österreichische Bahn derzeit den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlegen will. Darf man da nicht getrost von krasser Unverhältnismäßigkeit sprechen?
Wang: Wenn wir Architekten uns jetzt zum Instrument dieser Nachhaltigkeitstechnik machen, werden wir wieder versagen. Der Funktionalismus hat gezeigt, dass die Lösung über die technische Schiene nicht der einzige zielführende Weg ist. Wir haben in der Vergangenheit als Architektenschaft der Standardisierung, der Industrialisierung und Normierung das Wort geredet. Was ist aber dabei herausgekommen? Es sind die schrecklichsten Wohnbauten aller Zeiten in den ödesten Verhältnissen entstanden. Wenn man jetzt 90 Jahre Bauhaus feiert und nicht auf diese Probleme hinweist, dokumentiert das einen großen Fehler im Bewusstsein der Architekten. Ich kritisiere diesen Mangel an Diskurs, denn affirmatives Gerede bringt nichts mehr. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass die Probleme weit größer sind und eben nicht nur mit optimierten Heizgeräten und Dämmstoffen bewerkstelligt werden können. So einfach ist das leider nicht, doch die komplizierteren Umstände sind immer die unbequemeren.
Standard: Welche Rolle kann aber die Architektur tatsächlich spielen?
Wang: Wenn die Architektenschaft Nachhaltigkeit grundsätzlich befürwortet und den Klimawandel einschränken will, bedeutet das, dass wir uns künftig viel mehr um den Bestand kümmern müssen als um den Neubau. Tatsächlich gibt es in den meisten Ländern ohne Bevölkerungswachstum keinen Bedarf an Neubauten. Von Demografen wird für Deutschland ein Bevölkerungsrückgang bis 2050 von 82 auf 72 Millionen Menschen vorausgesagt. Zwar gibt es allerorten eine Steigerung des Wohnraums pro Kopf, in der Nachkriegszeit lag er bei 18 Quadratmetern, derzeit halten wir bei knapp 40. Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Bevölkerungsdichte bei derselben Bebauungsdichte um mehr als 50 Prozent fällt. Das hat enorme Auswirkungen auf Einzelhandel, Nahrungsmittelversorgung, Industrialisierung. Die Baukultur kann davon nicht unabhängig betrachtet werden.
Standard: Wie lautet Ihr Credo hinsichtlich der Baukultur dazu?
Wang: Mein Plädoyer lautet: Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern, nicht die Technik. Die kann helfen, aber zuallererst müssen wir unsere lange eingespielten Wertevorstellungen ändern, und zwar auch diejenigen, die wir Architekten als Berufsstand mit uns tragen und zudem immer noch medial verbreiten lassen. Der Traum vom Häuschen im Grünen mit den zwei Autos, mit denen die Kinder in die Schule gefahren werden, wo man mit dem großen Wagen einkaufen fährt, ist uns als kultureller Fuß- abdruck eingeimpft worden. Wem kann man das auch verwehren?
Standard: Nimmt die Ausbildung auf derlei Fragestellungen hinreichend Bedacht?
Wang: An den Hochschulen sind Werkvorträge von interessanten Architektinnen und Architekten zu hören, es wird Architekturgeschichte unterrichtet - doch es ist eine Architekturgeschichte der Neubauten. Was mit Gebäuden tatsächlich über die Jahrhunderte passiert, wird in den wenigsten Vorträgen thematisiert. Wir brauchen aber eine realistischere, ganzheitlichere Betrachtung des Umgangs mit Bausubstanz, denn wir werden es künftig mehrheitlich mit Umbauten und Renovierungen zu tun haben, nicht mit Neubauten. Das fehlt komplett an den Hochschulen. Sanieren und Umbauen ist eben nicht so attraktiv wie der Neubau.
Standard: Welchen Rat würden Sie jungen Architektinnen und Architekten mit auf den Weg geben?
Wang: Ich würde ihnen sagen, setzt euch mit Dingen auseinander, die vor Ort bereits seit längerem existieren. Schaut euch beispielsweise die Materialien und Details an, die sich am besten bewährt haben und die nicht aus großen Distanzen herbeigekarrt werden müssen. Schaut euch an, was etwa an Bauteilen vorhanden ist und was man gegebenenfalls wiederverwerten kann. Es gibt sehr wohl Leute, die sich überlegen, wie Baukultur angelehnt an lokale Traditionen und Materialien entstehen kann. Doch das wird selten angewandt und wird stets ein wenig anrüchig mit Heimatstil und ähnlichem verwechselt. Intelligente Ausrichtung von Bauten in klimatischer und topografischer Hinsicht gibt es jedoch bereits seit Jahrtausenden. Hätte man sich darauf besonnen, sähe die Welt anders aus.
Standard: Eine elementare Rolle bei der Treibhausgasreduktion kann erwiesenermaßen ein intelligenter Städtebau spielen. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie dort?
Wang: Der Städtebau ist eine schwierige Frage, weil Veränderungen nachträglich nur zäh durchzuführen sind. Doch auch hier kommt man zu Lösungen. Wir arbeiten etwa gerade in Texas daran, wie der öffentliche Nahverkehr dichter ausgebaut werden könnte, und das geschieht immerhin in einer Gegend, in der in der Vergangenheit ein eher anderes Leitbild geherrscht hat. Doch auch dort hat man erkannt, dass das System Auto so nicht aufrechtzuerhalten ist.
Standard: Ein Fazit?
Wang: Wir können nicht so tun, als hätten wir immer wieder die Chance abzureißen und neu zu bauen. Das Weg kann also nicht über Neubauten führen. Nicht die Lösung des Einzelprojektes ist das Thema, sondern die anderen 99,5 Prozent.
[ Wilfried Wang führt mit Barbara Hoidn ein Architekturbüro in Berlin und ist an der University of Texas at Austin Professor für Architektur. Der Vortrag „Paradigmenwechsel“ findet am 12. 10. um 19.00 Uhr im Project Space - Kunsthalle Wien statt. ]
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