Artikel
Wandel für unser Klima
Nachdenken über eine positive Veränderung unserer Lebensweise: In Design und Architektur heißt das weg vom „Human Centered Design“ hin zum „Planet Centered Design“ – weg von stets steigenden Konsumansprüchen hin zur Frage, was wir wirklich benötigen. Eine Umschau.
31. März 2018 - Harald Gründl
Das Weltall, die Erdatmosphäre, die Hochseegebiete der Weltmeere und die Antarktika sind globale Gemeingüter, oder wie sie die internationale Wissenschaft nennt: „Global Commons“. Sie können von der gesamten Menschheit genutzt werden und sind Gegenstand von internationalen Gesetzen. Damit sind auch schon die drei wichtigsten Bausteine der Allmende aufgezählt: eine Ressource, eine Gruppe von Nutzern und bestimmte Regeln der Nutzung. Die Regeln zielen auf eine faire Nutzung und die Verhinderung des Zusammenbruchs der Ressource durch Übernutzung oder Ausbeutung – der „Tragik der Allmende“. 2009, im Jahr, in dem auch die Umweltökonomin Elenor Ostrom für ihre Forschung zu den Commons den Wirtschaftsnobelpreis bekam, hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um Johan Rockström (Stockholm Resilience Center) das Konzept der ökologischen Belastungsgrenzen, die „Planetary Boundaries“, im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht. In dem Artikel geht es um neun relevante planetare Systeme, für die Grenzwerte festgelegt wurden, innerhalb derer das Leben auf Erden nicht bedroht wird. Das Artensterben und der Nährstoffkreislauf der Erde sind schon in der Hochrisikozone. Im erhöhten Risiko und in der Zone der Unsicherheit befindet sich die Entwicklung des Weltklimas. Auf dieser Erkenntnis konnte auf der Klimakonferenz von Paris 2015 ein internationales politisches Übereinkommen gefunden werden, das zumindest eine Weltressource schützen soll: nämlich die Atmosphäre, deren Erwärmung auf zwei Grad Celsius beschränkt werden soll.
Das Leben in der Stadt, wo bis 2050 eine Mehrzahl der Menschen, nämlich prognostiziert zwischen 70 und 80 Prozent der Menschheit, leben könnten, hat einen entscheidenden Einfluss auf die globalen Gemeingüter. Die Systeme zur Nahrungsversorgung, die Energiesysteme, Produktion und Konsum und schließlich die urbanen Systeme sind heute bereits für mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Eine radikale Transformation, ein „Transition Design“, ist dringend nötig. Nebojsa Nakicenovic, der Leiter des in Klimafragen einflussreichen IIASA (International Institute of Applied Systems Analysis) in Laxenburg bei Wien, bringt es auf eine einfache Formel: Eine Stadt sollte in Harmonie mit der Natur sein. Die „Global Commons City“ wäre also die Zielvorstellung für den zukünftigen urbanen Lebensbereich von einigen Milliarden Menschen. Damit diese Vision einer weltverträglichen, zukunftsfähigen Lebensweise Wirklichkeit wird, haben sich neben dem IIASA und dem Stockholm Resilience Center auch die International Union for the Conservation of Nature, das World Resources Institute, die Global Environment Facility und das World Economic Forum zur „Global Commons“ Initiative zusammengeschlossen. Komplexe Systeme reagieren oft nicht linear und allzu oft auch gegen den Hausverstand. Warum soll denn plötzlich das Klima kippen? Und warum darf sich die Erdatmosphäre nicht mehr als zwei Grad erwärmen?
Ein kleiner Exkurs zu einer Alltagserfahrung aus dem Designbereich mit einem komplexen System soll uns für den großen Maßstab sensibilisieren: Stellen Sie sich vor, sie gehen duschen. Sie drehen das Wasser auf – es ist viel zu kalt –, Sie drehen heißer – nichts passiert. Plötzlich kommt brennheißes Wasser. Ein wunderbares Beispiel für die Interaktion Mensch – komplexes System. Wenn das Wasser dann Idealtemperatur hat, bemerken Sie, dass das Wasser nicht gut abrinnt, offenbar sind Haare im Abflusssieb. Langsam steigt der Wasserspiegel in der Designerduschtasse, und Sie regeln den Wasserfluss am chromglänzenden Wasserhahn zurück. Der Wasserstand bleibt gleich hoch – ein dynamisches Gleichgewicht, ein Naturprinzip. Da das kein Duscherlebnis ist, regeln Sie wieder hoch, und das Wasser steigt langsam bis zum oberen Rand der Duschtasse. Jetzt drehen Sie das Wasser entnervt ab und stehen dann noch eine geraume Zeit bis zu den Knöcheln im Wasser. Nur sehr, sehr langsam rinnt das Wasser ab. Das Alltagsbeispiel hat einen „Tipping Point“, so wie das Weltklima auch: Das ist der Punkt, an dem das eine Haar zu viel im Sieb ist, und das Wasser beginnt aufzustauen. Dann übernimmt plötzlich die Duschtasse eine neue Aufgabe als Wasserspeicher. Nun ist die Resilienz der Duschtasse aber mit dem oberen Wannenrand beschränkt, und wir müssen das Wasser abdrehen. Auch in der Natur gibt es ähnliche Systemelemente wie die Duschtasse. Sie erhalten für einige Zeit noch ein natürliches Gleichgewicht, doch dann geht alles über, zerstört nicht nur den Parkettboden der Wohnung, sondern auch die Wohnung unter Ihnen.
Der Klimawandel ist mit dem Narrativ der Klimakatastrophe und unverständlichen Zahlen und Dynamiken verbunden, ein Kommunikations- und Motivationsproblem für den positiven Wandel und der Suche nach einer guten Story für Veränderung. Die Klimawissenschaftlerin Helga Kromp-Kolb würde daher mehr auf die Kommunikation von gelingenden Initiativen und Experimenten im lokalen und regionalen Raum setzen, und vor allem auf soziale Innovation. Neue Werte und partizipative Prozesse für das Nachdenken über eine positive Veränderung unserer Lebensweise tun not. In Design und Architektur wäre das ein Paradigmenwechsel vom „Human Centered Design“, das in der Logik des Marktes nur allzu oft zu mehr Konsumansprüchen führt, zum „Planet Centered Design“, das natürlich die menschliche Perspektive beinhaltet, mit dem Fokus auf das, was wir wirklich benötigen.
Dafür setzt sich eine gemeinnützige Initiative aus internationalen Gestaltern und Gestalterinnen ein, indem sie die „Global Commons“ mit ihrer disziplinären Kreativität stärken. „The Value Web“ unterstützt konkret die Zusammenkünfte der Klimawissenschaftler der Global Commons Initiative, indem sie die komplexen Zusammenhänge in Bilder übersetzen, die während der Diskussion mit schnellem Strich in eine Art visuelles Protokoll umgesetzt werden. Mike Fleisch, einer der Prozessbegleiter, hat auf seiner Visitkarte als Berufsbezeichnung „Collaboration Designer/Graphic Facilitator“ stehen. Das ist einer der Berufe, die wir für die Gestaltung einer positiven Zukunft benötigen. Design- und Architekturschaffende, die mit und in komplexen Systemen arbeiten und vernetzt denken können, werden für den Wandel gebraucht. Das sind Gestalter, die Prozesse des „Transition Design“ begleiten, unterstützen und zwischen unterschiedlichen Interessen vermitteln können und das Mindset der Verbundenheit mit unserem Planeten in die Gestaltungsaufgaben der Zukunft einbringen.
Das Leben in der Stadt, wo bis 2050 eine Mehrzahl der Menschen, nämlich prognostiziert zwischen 70 und 80 Prozent der Menschheit, leben könnten, hat einen entscheidenden Einfluss auf die globalen Gemeingüter. Die Systeme zur Nahrungsversorgung, die Energiesysteme, Produktion und Konsum und schließlich die urbanen Systeme sind heute bereits für mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Eine radikale Transformation, ein „Transition Design“, ist dringend nötig. Nebojsa Nakicenovic, der Leiter des in Klimafragen einflussreichen IIASA (International Institute of Applied Systems Analysis) in Laxenburg bei Wien, bringt es auf eine einfache Formel: Eine Stadt sollte in Harmonie mit der Natur sein. Die „Global Commons City“ wäre also die Zielvorstellung für den zukünftigen urbanen Lebensbereich von einigen Milliarden Menschen. Damit diese Vision einer weltverträglichen, zukunftsfähigen Lebensweise Wirklichkeit wird, haben sich neben dem IIASA und dem Stockholm Resilience Center auch die International Union for the Conservation of Nature, das World Resources Institute, die Global Environment Facility und das World Economic Forum zur „Global Commons“ Initiative zusammengeschlossen. Komplexe Systeme reagieren oft nicht linear und allzu oft auch gegen den Hausverstand. Warum soll denn plötzlich das Klima kippen? Und warum darf sich die Erdatmosphäre nicht mehr als zwei Grad erwärmen?
Ein kleiner Exkurs zu einer Alltagserfahrung aus dem Designbereich mit einem komplexen System soll uns für den großen Maßstab sensibilisieren: Stellen Sie sich vor, sie gehen duschen. Sie drehen das Wasser auf – es ist viel zu kalt –, Sie drehen heißer – nichts passiert. Plötzlich kommt brennheißes Wasser. Ein wunderbares Beispiel für die Interaktion Mensch – komplexes System. Wenn das Wasser dann Idealtemperatur hat, bemerken Sie, dass das Wasser nicht gut abrinnt, offenbar sind Haare im Abflusssieb. Langsam steigt der Wasserspiegel in der Designerduschtasse, und Sie regeln den Wasserfluss am chromglänzenden Wasserhahn zurück. Der Wasserstand bleibt gleich hoch – ein dynamisches Gleichgewicht, ein Naturprinzip. Da das kein Duscherlebnis ist, regeln Sie wieder hoch, und das Wasser steigt langsam bis zum oberen Rand der Duschtasse. Jetzt drehen Sie das Wasser entnervt ab und stehen dann noch eine geraume Zeit bis zu den Knöcheln im Wasser. Nur sehr, sehr langsam rinnt das Wasser ab. Das Alltagsbeispiel hat einen „Tipping Point“, so wie das Weltklima auch: Das ist der Punkt, an dem das eine Haar zu viel im Sieb ist, und das Wasser beginnt aufzustauen. Dann übernimmt plötzlich die Duschtasse eine neue Aufgabe als Wasserspeicher. Nun ist die Resilienz der Duschtasse aber mit dem oberen Wannenrand beschränkt, und wir müssen das Wasser abdrehen. Auch in der Natur gibt es ähnliche Systemelemente wie die Duschtasse. Sie erhalten für einige Zeit noch ein natürliches Gleichgewicht, doch dann geht alles über, zerstört nicht nur den Parkettboden der Wohnung, sondern auch die Wohnung unter Ihnen.
Der Klimawandel ist mit dem Narrativ der Klimakatastrophe und unverständlichen Zahlen und Dynamiken verbunden, ein Kommunikations- und Motivationsproblem für den positiven Wandel und der Suche nach einer guten Story für Veränderung. Die Klimawissenschaftlerin Helga Kromp-Kolb würde daher mehr auf die Kommunikation von gelingenden Initiativen und Experimenten im lokalen und regionalen Raum setzen, und vor allem auf soziale Innovation. Neue Werte und partizipative Prozesse für das Nachdenken über eine positive Veränderung unserer Lebensweise tun not. In Design und Architektur wäre das ein Paradigmenwechsel vom „Human Centered Design“, das in der Logik des Marktes nur allzu oft zu mehr Konsumansprüchen führt, zum „Planet Centered Design“, das natürlich die menschliche Perspektive beinhaltet, mit dem Fokus auf das, was wir wirklich benötigen.
Dafür setzt sich eine gemeinnützige Initiative aus internationalen Gestaltern und Gestalterinnen ein, indem sie die „Global Commons“ mit ihrer disziplinären Kreativität stärken. „The Value Web“ unterstützt konkret die Zusammenkünfte der Klimawissenschaftler der Global Commons Initiative, indem sie die komplexen Zusammenhänge in Bilder übersetzen, die während der Diskussion mit schnellem Strich in eine Art visuelles Protokoll umgesetzt werden. Mike Fleisch, einer der Prozessbegleiter, hat auf seiner Visitkarte als Berufsbezeichnung „Collaboration Designer/Graphic Facilitator“ stehen. Das ist einer der Berufe, die wir für die Gestaltung einer positiven Zukunft benötigen. Design- und Architekturschaffende, die mit und in komplexen Systemen arbeiten und vernetzt denken können, werden für den Wandel gebraucht. Das sind Gestalter, die Prozesse des „Transition Design“ begleiten, unterstützen und zwischen unterschiedlichen Interessen vermitteln können und das Mindset der Verbundenheit mit unserem Planeten in die Gestaltungsaufgaben der Zukunft einbringen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom