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Seit 1999 führen Ulrike Schartner und Alexander Hagner das Wiener Architekturbüro gaupenraub+/- und engagieren sich seit vielen Jahren in der Obdachlosenhilfe. Gemeinsam mit dem Trägerverein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan und Vinzenzgemeinschaft Eggenberg aus Graz entstanden dabei wegweisende Bauten. Im VinziRast mittendrin wohnen und arbeiten Studierende und ehemalige Obdachlose zusammen. Im VinziDorf in Wien wohnen alkoholkranke langzeitobdachlose Männer. Und die VinziRast am Land ist ein Landwirtschaftsbetrieb, in dem vormals obdachlose Menschen wohnen, arbeiten und dabei wieder „Boden unter den Füßen“ gewinnen können. gaupenraub+/- erschafft Orte der Begegnung – hybrid, integrativ und im Dienst des nötigen gesellschaftlichen und sozialen Wertewandels. Das Gespräch mit Ulrike Schartner und Alexander Hagner ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.
Armut wird noch schlimmer durch fehlende Wertschätzung. Nur weil ich arm bin, heißt das ja noch lange nicht, dass ich weniger wertvoll bin. Über die Art und Weise, wie wir Architektur gestalten, können wir den Menschen Wertschätzung entgegenbringen und überhaupt Formen von Begegnung initiieren. Unser Appell ist: Je schlechter es jemandem geht, desto mehr müssen wir anderen, denen es besser geht, uns bemühen, hier das, was wir professionell machen, noch besser zu machen.
Bei unseren VinziRast-Projekten müssen wir eigentlich immer aus einer Not heraus versuchen, mit den Materialien umzugehen, die es entweder schon gibt oder die uns Sponsoren schenken. So auch bei VinziRast am Land. Hier arbeiten wir mit Permakultur, und dafür braucht man Mist und Hühner, die diesen Mist produzieren. Es war ein schöner Zufall, dass uns jemand einen Stadel geschenkt hat. Schüler und Schülerinnen der HTL Mödling, die uns auch schon im VinziDorf geholfen haben, haben den Stadel im Kamptal abgebaut und in Mayerling wieder aufgebaut. Es ist wunderbar, wenn man weiß, wie ein Stadel zusammengebaut wird. Doch die Schüler oder Schülerinnen, die hier mitgearbeitet haben, nehmen aus dem Projekt sicher auch einen anderen Zugang zu Obdachlosigkeit, zu sozialen Themen und zu Nachhaltigkeit mit.
Auch in Marburg bauen wir jetzt ein VinziDorf. Das Schöne an dem Projekt in Marburg ist, dass es von den Vereinen, von der Ehrenamtlichkeit weg- und zur Kommune hingeht. Es ist das erste Mal, dass nicht ein ehrenamtlicher Verein so etwas mit Spenden auf die Beine stellt, sondern die Kommune selbst. Die EU hat als Ziel deklariert, dass bis 2030 niemand mehr obdachlos sein soll. Daran glauben wir nicht. Aber ich denke, der Handlungsbedarf wird immer klarer. Durch verschiedene Krisen gibt es eine Gesellschaftsgruppe, die immer ärmer, und eine, die immer reicher wird. Hier müssen wir mehr machen. Der Blick zum Beispiel nach Los Angeles zeigt auch, was passiert, wenn man das verabsäumt. Es gibt aber jetzt ein Interesse, und das sehen wir positiv.“
1999 gründeten Alexander Hagner und Ulrike Schartner das Architekturbüro gaupenraub+/-. Alexander Hagner hat zudem seit 2016 eine Stiftungsprofessur „Soziales Bauen“ an der FH Kärnten inne. Ulrike Schartner lehrt immer wieder an verschiedenen Universitäten und ist im Sektionsvorstand der Kammer der ZiviltechnikerInnen der ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland im Bereich leistbares Wohnen tätig. Für ihre Bauten erhielten sie viele Auszeichnungen, zuletzt den Kulturpreis des Landes Niederösterreich 2022 in der Kategorie Architektur, eine Nominierung für den Hühnerstall beim Architekturpreis Constructive Alps und 2021 den Bauherrenpreis für das VinziDorf in Wien.
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