Bauwerk
Haus am Hang
RUNSER / PRANTL architekten - Hintersdorf (A) - 1994
Dann wissen wir mehr
Zwei Häuser, in denen sich zufrieden leben läßt, eines im Burgenland, eines in Niederösterreich. Zwei Beweise dafür, daß die gängigen Kriterien zur Beurteilung von heutiger Architektur nicht mehr greifen.
21. Januar 1995 - Walter Zschokke
Kobersdorf im Burgenland: An der Rückseite von an der Straße aufgereihten Handtuchgrundstücken, dehnt sich ein großer Garten, der von einer norddeutsch aufgemachten Kleinvilla beherrscht wurde. Teile davon sind noch erhalten, wurden aber einem derart intensiven Transformationsprozeß unterworfen und einem vielgestaltigen größeren Ganzen einverleibt, daß ein Betrachter ohne eingehende Aufklärung nicht erkennen wird, welche Teile des vor ihm stehenden völlig neuen Hauses vom vorhergehenden stammen. Aber das ist auch nicht so wichtig.
Das angesprochene neue Haus dient einem Arzt, der seine Praxis im vorgelagerten, eingeschossigen Gebäudeteil eingerichtet hat. Urheber der stark plastischen Verformung ist der Architekt Otmar Hasler; 1955 geboren und im Burgenland aufgewachsen, hat an der Wiener TU studiert und verbrachte seine Praxiszeit im Büro von Luigi Blau und in den Ateliers von Hans Hollein und Heinz Tesar.
Der komplexe Ansatz des Neubaus sieht für den Patienten oder den Besucher, der zwischen zwei landwirtschaftlichen Ökonomiegebäuden hindurch in einer trompetenartigen Verengung auf das Gebäude zustrebt, folgendermaßen aus: Im Vordergrund steht der „Zweckbau“ für die therapeutische Praxis, dahinter türmt sich unter breit auskragendem Dach ein drei Geschoße hoher Teil des Wohnhauses, den ein zweigeschoßiger Körper anschneidet, welcher in Querrichtung daran angefügt ist.
Die kubischen Gebäudeteile scheinen sich um ein imaginäres Zentrum zu entwickeln, das sich als von der Gartenseite her zugänglicher, intimer Hof erweist. Aus diesem „Innenraum“, der zum Außenraum seitlich und nach oben Verbindung hält, stößt, einer Nadel gleich, der schlanke Kamin in die Höhe und markiert den virtuellen Drehpunkt. Wir haben also ineinandergreifende Volumen und eine fast spiralig eindrehende, dynamische Abfolge der Baukörper vor uns.
Die beiden Häuser beweisen, daß heutzutage Stilmerkmale für die qualitative Beurteilung und zeitliche Einordnung von Architektur untauglich sind. Der Betrachter muß sich tiefer einlassen.
Obwohl jetzt der Eindruck entstehen könnte, es handle sich um ein betont formalistisches und womöglich unpraktisches Gebäude, ist das Gegenteil der Fall. Nicht nur die innere Organisation, auch der äußere Ausdruck ist eindeutig und leicht verständlich. Dem Patienten öffnet sich breit ein Fensterband neben der Eingangstüre, welche zwischen einen kräftig nach vorn drängenden Mauerwinkel und einen containerartig in das Gebäude eingeschobenen, niedrigeren Baukörper gespannt sind. Hinter dem Glas liegt der Wartebereich, an den die Untersuchungs- und Therapieräume anschließen. Der genannte „Container“ zur Linken bildet ein Übergangselement. Von der Praxis und vom Wohnhaus her zugänglich, enthält er das Arztbüro, das auch als zweite Ordination dient. Wenn wir die beiden Häuser nebeneinanderhalten, finden wir zwei Haltungen, die beide nicht an sich „gut“ oder „schlecht“ sind, sondern ihre Bestätigung im Durcharbeitungsgrad finden.
Der aus dem Gebäude vorstoßende würfelartige Containerkopf schirmt den
Eingang zum Wohnhaus ab. Der private Besucher gelangt durch den Eingang in das erhalten gebliebene Stiegenhaus des Vorgängerbauwerks, wo eine hübsche alte Lärchenholztreppe den Betrachter ein erstes Mal auf den Transformationsprozeß hinweist. Das Erdgeschoß enthält eine weiträumige Küche und einen großzügigen Wohnraum mit Klaviernische.
Über die hölzernen Stufen steigt man ins Obergeschoß in einen gläsernen Wintergarten, der, nach Süden orientiert, als Sonnenfänger dient. Von hier gelangt man in einen zweiten, privateren Wohnraum oder in einen Gang, an dem die Schlafzimmer und das Bad liegen. Der Weg zum zweiten Obergeschoß windet sich nun um das Bad herum; man gelangt in einen Freizeitraum hinauf, der sich mit breiten Fensterwänden nach Süden und Osten öffnet, sowie auf die große Terrasse, die hinter einer schützenden Mauerbrüstung liegt.
Öffentlichkeit und Privatheit sind an diesem Bauwerk fein dosiert und über mehrere Schritte abgestuft zugänglich. Ein bißchen geheimnisvoll ist das Gebäude auch, aber nie abweisend, sondern ansprechend. Die baulichen Vorgaben überspielend, erlaubte ein sehr freier, aber dennoch disziplinierter Entwurfsvorgang eine reichhaltige Entwicklung zu einem spannenden räumlichen Gefüge, das in der Wiener Tradition des spielerischen Umgangs mit Raum steht.
Die Konstruktion ist durchaus beherrscht, drängt sich aber nicht in den Vordergrund. Die Oberflächen sind meist glatt und oft mit Farbe dematerialisiert. Nur die Dachkonstruktion in Holz zeigt den konstruktiven Aufbau: Träger und Platte, beides so luftig, als wären sie nur leicht aufgelegt und könnten jederzeit wegfliegen. Das formale Wollen manifestiert sich deutlich hinter dem Produkt, und doch ist die Form nie absolut, sie wird jeweils soweit verändert, daß das angenehme Wohnen vorgeht.
Hintersdorf in Niederösterreich: Mit einer ganz anderen, nicht minder engagierten Haltung ist hier ein völlig neues Einfamilienhaus errichtet worden. Für den Entwurf zeichnen die Architekten Christa Prantl und Alexander Runser verantwortlich. 1960 beziehungsweise 1955 geboren und Absolventen der TU, nennen sie ihr Werk „Haus am Hang“. Auf einer langen Handtuchparzelle stehend, nimmt es mit seiner geschlossenen Längsrechteckform darauf Bezug.
Zuerst, denke ich, war die Idee des Daches: ein langes, von keiner Gaupe gestörtes Satteldach mit ortsüblicher (!) Neigung. Das Prinzip des Schirmens ist in den Vordergrund gerückt. Diese Rolle wird betont mit den je zwei Stützen an den Stirnseiten. Obwohl dazwischen noch diverse vertikal tragende Elemente im Einsatz stehen, bewirkt das durchgehende Fensterband, daß die vier Stützen und das Dach zu einem primären Teil der formalen Gesamtkonzeption werden. Doch fragt man sich, ob dann die Dachwasserrohre nicht zu diesem Teil gehören sollten und deshalb eher an den Stützen herunterkommen müßten?
Man sieht, wie bei nach Klarheit strebenden Konzepten Nebensächlichkeiten rasch störend wirken können. Die Stützen sind – natürlich nur optisch – auf der kragenden Platte aus Balken und Brettern aufgestützt, die das Haus an drei Seiten umgibt. Mit dieser floßartigen Platte wird die Beziehung zum Boden verschattet, und man könnte durchaus das Bild eines sanft gestrandeten Hausfloßes assoziieren. Das Haus als Familienschiff, als Arche, die mit dem Hang nur über jenes fast zufällige Aufsitzen – wie nach einer Flut – in Verbindung tritt. In diesem „Anlegen“ ist auch das Vorübergehende enthalten, das sich im Haus selbst widerspiegelt, indem es prinzipiell demontierbar und wiederverwertbar ist.
Unter das lange Dach ist ein rechteckiger Mauerschirm gestellt, der da und dort von Fenstern durchbrochen, dennoch die Form eines langen Prismas behält. Sein Inneres wird von zwei Nebenraumkernen in drei Haupträume geteilt, eine Struktur, die vom Keller bis zum Obergeschoß durchgeht. Im Mittelbereich liegt jeweils ein großer, dielenartiger Raum, an dessen einer Seite die einläufige Stiege hochzieht. Nach Westen blicken die Wohnküche und das darüberliegende Elternzimmer; nach Osten schauen auf jedem Geschoß je zwei kleinere Zimmer mit immer noch 15 Quadratmetern Fläche.
In allen Obergeschoßräumen verfügt man über die herrliche Rundsicht durch das Fensterband. Auf der Südseite, die auf unserem Bild zu sehen ist, durchbricht der Wohnraum mit einem gläsernen Kasten den Mauerschirm und öffnet sich zur Mittagssonne. Das Dächlein wird nach hinten gezogen, um den Eingang zu schirmen. Dies ist vielleicht die einzige größere Ausnahme von der obsessiven Strenge, mit der der Grundriß organisiert ist. Er geht aus von einem Meternetz, das sich noch in der Schalung der Sichtbetonwände abbildet.
Es gibt sehr viel Gewolltes an diesem Haus, da und dort scheint es fast zu viel, sodaß sich ideomorphe Konzeptteile in die Quere zu kommen drohen. Die Großzügigkeit, mit der die Räume zugeschnitten sind, und die alternativen Zugangsmöglichkeiten geben den Bewohnern aber jene Freiheitsgrade zurück, die sich die Architekten versagt haben. Denn sie hatten sich selbstgestellte Bedingungen aufgeladen, von denen andere keine Ahnung haben. Da und dort blitzt das abstrakte Architekturwollen durch die Ritzen der gebauten Hülle und zeugt von der Bereitschaft, an selbstbestimmten Aufgabenstellungen zu wachsen.
Es ist hier auch von einem glücklichen Zusammentreffen mit einer innovationsbereiten Bauherrschaft zu reden, die mit dem Projekt mitging und auch den Hickhack mit einer engherzigen Baubehörde durchstand. Wobei der niederösterreichischen Ortsbildpflege ein Kränzchen zu winden ist, denn sie hat das Projekt zweimal mit Gutachten gestützt.
Wenn wir nun die beiden Häuser, in denen sich zufrieden leben läßt, nebeneinanderhalten, finden wir zwei Haltungen, die in der Architektur schon immer gleichzeitig bestanden haben. Beide sind sie nicht an sich „gut“ oder „schlecht“, sondern finden ihre Bestätigung im Durcharbeitungsgrad. Beide Haltungen tragen in sich das Risiko des Scheiterns wie die Aussicht auf durchschlagenden Erfolg. Sie beweisen, daß heutzutage Stilmerkmale für eine zeitliche Zuordnung oder eine qualitative Einstufung untauglich sind. Der Betrachter muß sich tiefer einlassen. Ein kurzer Blick reicht nicht aus. Und in zehn Jahren wissen wir wieder mehr.
Das angesprochene neue Haus dient einem Arzt, der seine Praxis im vorgelagerten, eingeschossigen Gebäudeteil eingerichtet hat. Urheber der stark plastischen Verformung ist der Architekt Otmar Hasler; 1955 geboren und im Burgenland aufgewachsen, hat an der Wiener TU studiert und verbrachte seine Praxiszeit im Büro von Luigi Blau und in den Ateliers von Hans Hollein und Heinz Tesar.
Der komplexe Ansatz des Neubaus sieht für den Patienten oder den Besucher, der zwischen zwei landwirtschaftlichen Ökonomiegebäuden hindurch in einer trompetenartigen Verengung auf das Gebäude zustrebt, folgendermaßen aus: Im Vordergrund steht der „Zweckbau“ für die therapeutische Praxis, dahinter türmt sich unter breit auskragendem Dach ein drei Geschoße hoher Teil des Wohnhauses, den ein zweigeschoßiger Körper anschneidet, welcher in Querrichtung daran angefügt ist.
Die kubischen Gebäudeteile scheinen sich um ein imaginäres Zentrum zu entwickeln, das sich als von der Gartenseite her zugänglicher, intimer Hof erweist. Aus diesem „Innenraum“, der zum Außenraum seitlich und nach oben Verbindung hält, stößt, einer Nadel gleich, der schlanke Kamin in die Höhe und markiert den virtuellen Drehpunkt. Wir haben also ineinandergreifende Volumen und eine fast spiralig eindrehende, dynamische Abfolge der Baukörper vor uns.
Die beiden Häuser beweisen, daß heutzutage Stilmerkmale für die qualitative Beurteilung und zeitliche Einordnung von Architektur untauglich sind. Der Betrachter muß sich tiefer einlassen.
Obwohl jetzt der Eindruck entstehen könnte, es handle sich um ein betont formalistisches und womöglich unpraktisches Gebäude, ist das Gegenteil der Fall. Nicht nur die innere Organisation, auch der äußere Ausdruck ist eindeutig und leicht verständlich. Dem Patienten öffnet sich breit ein Fensterband neben der Eingangstüre, welche zwischen einen kräftig nach vorn drängenden Mauerwinkel und einen containerartig in das Gebäude eingeschobenen, niedrigeren Baukörper gespannt sind. Hinter dem Glas liegt der Wartebereich, an den die Untersuchungs- und Therapieräume anschließen. Der genannte „Container“ zur Linken bildet ein Übergangselement. Von der Praxis und vom Wohnhaus her zugänglich, enthält er das Arztbüro, das auch als zweite Ordination dient. Wenn wir die beiden Häuser nebeneinanderhalten, finden wir zwei Haltungen, die beide nicht an sich „gut“ oder „schlecht“ sind, sondern ihre Bestätigung im Durcharbeitungsgrad finden.
Der aus dem Gebäude vorstoßende würfelartige Containerkopf schirmt den
Eingang zum Wohnhaus ab. Der private Besucher gelangt durch den Eingang in das erhalten gebliebene Stiegenhaus des Vorgängerbauwerks, wo eine hübsche alte Lärchenholztreppe den Betrachter ein erstes Mal auf den Transformationsprozeß hinweist. Das Erdgeschoß enthält eine weiträumige Küche und einen großzügigen Wohnraum mit Klaviernische.
Über die hölzernen Stufen steigt man ins Obergeschoß in einen gläsernen Wintergarten, der, nach Süden orientiert, als Sonnenfänger dient. Von hier gelangt man in einen zweiten, privateren Wohnraum oder in einen Gang, an dem die Schlafzimmer und das Bad liegen. Der Weg zum zweiten Obergeschoß windet sich nun um das Bad herum; man gelangt in einen Freizeitraum hinauf, der sich mit breiten Fensterwänden nach Süden und Osten öffnet, sowie auf die große Terrasse, die hinter einer schützenden Mauerbrüstung liegt.
Öffentlichkeit und Privatheit sind an diesem Bauwerk fein dosiert und über mehrere Schritte abgestuft zugänglich. Ein bißchen geheimnisvoll ist das Gebäude auch, aber nie abweisend, sondern ansprechend. Die baulichen Vorgaben überspielend, erlaubte ein sehr freier, aber dennoch disziplinierter Entwurfsvorgang eine reichhaltige Entwicklung zu einem spannenden räumlichen Gefüge, das in der Wiener Tradition des spielerischen Umgangs mit Raum steht.
Die Konstruktion ist durchaus beherrscht, drängt sich aber nicht in den Vordergrund. Die Oberflächen sind meist glatt und oft mit Farbe dematerialisiert. Nur die Dachkonstruktion in Holz zeigt den konstruktiven Aufbau: Träger und Platte, beides so luftig, als wären sie nur leicht aufgelegt und könnten jederzeit wegfliegen. Das formale Wollen manifestiert sich deutlich hinter dem Produkt, und doch ist die Form nie absolut, sie wird jeweils soweit verändert, daß das angenehme Wohnen vorgeht.
Hintersdorf in Niederösterreich: Mit einer ganz anderen, nicht minder engagierten Haltung ist hier ein völlig neues Einfamilienhaus errichtet worden. Für den Entwurf zeichnen die Architekten Christa Prantl und Alexander Runser verantwortlich. 1960 beziehungsweise 1955 geboren und Absolventen der TU, nennen sie ihr Werk „Haus am Hang“. Auf einer langen Handtuchparzelle stehend, nimmt es mit seiner geschlossenen Längsrechteckform darauf Bezug.
Zuerst, denke ich, war die Idee des Daches: ein langes, von keiner Gaupe gestörtes Satteldach mit ortsüblicher (!) Neigung. Das Prinzip des Schirmens ist in den Vordergrund gerückt. Diese Rolle wird betont mit den je zwei Stützen an den Stirnseiten. Obwohl dazwischen noch diverse vertikal tragende Elemente im Einsatz stehen, bewirkt das durchgehende Fensterband, daß die vier Stützen und das Dach zu einem primären Teil der formalen Gesamtkonzeption werden. Doch fragt man sich, ob dann die Dachwasserrohre nicht zu diesem Teil gehören sollten und deshalb eher an den Stützen herunterkommen müßten?
Man sieht, wie bei nach Klarheit strebenden Konzepten Nebensächlichkeiten rasch störend wirken können. Die Stützen sind – natürlich nur optisch – auf der kragenden Platte aus Balken und Brettern aufgestützt, die das Haus an drei Seiten umgibt. Mit dieser floßartigen Platte wird die Beziehung zum Boden verschattet, und man könnte durchaus das Bild eines sanft gestrandeten Hausfloßes assoziieren. Das Haus als Familienschiff, als Arche, die mit dem Hang nur über jenes fast zufällige Aufsitzen – wie nach einer Flut – in Verbindung tritt. In diesem „Anlegen“ ist auch das Vorübergehende enthalten, das sich im Haus selbst widerspiegelt, indem es prinzipiell demontierbar und wiederverwertbar ist.
Unter das lange Dach ist ein rechteckiger Mauerschirm gestellt, der da und dort von Fenstern durchbrochen, dennoch die Form eines langen Prismas behält. Sein Inneres wird von zwei Nebenraumkernen in drei Haupträume geteilt, eine Struktur, die vom Keller bis zum Obergeschoß durchgeht. Im Mittelbereich liegt jeweils ein großer, dielenartiger Raum, an dessen einer Seite die einläufige Stiege hochzieht. Nach Westen blicken die Wohnküche und das darüberliegende Elternzimmer; nach Osten schauen auf jedem Geschoß je zwei kleinere Zimmer mit immer noch 15 Quadratmetern Fläche.
In allen Obergeschoßräumen verfügt man über die herrliche Rundsicht durch das Fensterband. Auf der Südseite, die auf unserem Bild zu sehen ist, durchbricht der Wohnraum mit einem gläsernen Kasten den Mauerschirm und öffnet sich zur Mittagssonne. Das Dächlein wird nach hinten gezogen, um den Eingang zu schirmen. Dies ist vielleicht die einzige größere Ausnahme von der obsessiven Strenge, mit der der Grundriß organisiert ist. Er geht aus von einem Meternetz, das sich noch in der Schalung der Sichtbetonwände abbildet.
Es gibt sehr viel Gewolltes an diesem Haus, da und dort scheint es fast zu viel, sodaß sich ideomorphe Konzeptteile in die Quere zu kommen drohen. Die Großzügigkeit, mit der die Räume zugeschnitten sind, und die alternativen Zugangsmöglichkeiten geben den Bewohnern aber jene Freiheitsgrade zurück, die sich die Architekten versagt haben. Denn sie hatten sich selbstgestellte Bedingungen aufgeladen, von denen andere keine Ahnung haben. Da und dort blitzt das abstrakte Architekturwollen durch die Ritzen der gebauten Hülle und zeugt von der Bereitschaft, an selbstbestimmten Aufgabenstellungen zu wachsen.
Es ist hier auch von einem glücklichen Zusammentreffen mit einer innovationsbereiten Bauherrschaft zu reden, die mit dem Projekt mitging und auch den Hickhack mit einer engherzigen Baubehörde durchstand. Wobei der niederösterreichischen Ortsbildpflege ein Kränzchen zu winden ist, denn sie hat das Projekt zweimal mit Gutachten gestützt.
Wenn wir nun die beiden Häuser, in denen sich zufrieden leben läßt, nebeneinanderhalten, finden wir zwei Haltungen, die in der Architektur schon immer gleichzeitig bestanden haben. Beide sind sie nicht an sich „gut“ oder „schlecht“, sondern finden ihre Bestätigung im Durcharbeitungsgrad. Beide Haltungen tragen in sich das Risiko des Scheiterns wie die Aussicht auf durchschlagenden Erfolg. Sie beweisen, daß heutzutage Stilmerkmale für eine zeitliche Zuordnung oder eine qualitative Einstufung untauglich sind. Der Betrachter muß sich tiefer einlassen. Ein kurzer Blick reicht nicht aus. Und in zehn Jahren wissen wir wieder mehr.
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