Bauwerk

Patiohaus
THALERTHALER - Wien (A) - 2002
Patiohaus, Foto: Sina Baniahmad
Patiohaus, Foto: Sina Baniahmad

Bescheidenheit ist eine Zier . . .

. . . und schließt außergewöhnliche Raumlösungen nicht aus, wie ein kleines Haus von Norbert und Ursina Thaler in Wien zeigt.

23. November 2002 - Franziska Leeb
Die Besonderheiten dieses kleinen Wohnhauses für eine Familie mit zwei Kindern erschließen sich nicht gleich auf den ersten Blick. Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei dem auf einem Hanggrundstück am Wiener Stadtrand gelegenen Neubau um eine der mittlerweile recht häufigen Holzkisten mit Flachdach.

Was Norbert und Ursina Thaler hier auf einer bebauten Fläche von nur 50 Quadratmetern und mit sparsamen finanziellen Mitteln vollbracht haben, ist bei genauerem Hinsehen aber viel mehr als ein schlichtes Haus mit ein paar großen Fensterflächen. Steigen wir also die an der Ostfassade liegende Treppe zum Eingang im Erdgeschoß hinab. Von einem schmalen Garderobenbereich gelangt man gleich in den Wohn- und Essraum, der sich entlang der südlichen Gartenseite erstreckt.

Spätestens hier offenbart sich das erstaunliche Raumangebot, das hier Platz fand, ohne ein Gefühl von Enge hervorzurufen. Die kleine Küche im Zentrum des Hauses ist in ein mit Schiebeläden zu schließendes Holzmöbel verpackt und deshalb leicht aus dem Blickfeld zu blenden. Grundsätzlich verfügt jeder Aufenthaltsraum über mindestens eine Wand aus Glas, und von jedem Zimmer kann man auch in mindestens ein anderes blicken. Das bringt Licht und Weite - zwei Grundvoraussetzungen, um kleinhäuslerische Enge zu vermeiden.

Möglich ist all das durch einen Innenhof, der von einer Stützmauer im Westen begrenzt wird. Das Wohnzimmer und das im rückwärtigen Teil des Hauses gelegene Arbeitszimmer sind zum mit Bambus und Kies fernöstlich inspirierten Patio hin verglast. Die Küche öffnet sich mit einem horizontalen Fensterband. Diese Lösung mit Innenhof gewährleistet, dass auch die in der Mitte des Gebäudes bzw. teilweise im Hang liegenden Bereiche des Hauses nicht nur ausreichend Licht erhalten, sondern durch das Weiterfließen des Raumes nach außen die Räume größer wirken, als sie tatsächlich sind.

Parallel zur Außentreppe führt ebenfalls entlang der Ostwand innen platzsparend eine einläufige Holztreppe in das Obergeschoß. Sie mündet in einem galerieartigen Leseplatz, der ebenso wie die Treppe viel Licht durch ein raumhohes, um die Gebäudeecke gezogenes Fenster erhält. Die Bibliothek fand praktischerweise gleich in einer Regalwand, die die Treppe begleitet, Platz.

Die im Obergeschoß liegenden Zimmer haben ihre Glaswände jeweils nach Westen, wo sie auf Terrassen münden und nicht nur viel Aussicht gewähren, sondern auch den Blick in den Hof und die angrenzenden Räume im Erdgeschoß ermöglichen. Diese diagonalen Durchblicke stellen räumliche Bezüge her. Selbst in den kleinen Kinderzimmern, die durch eine Schiebewand flexibel zu trennen oder zu verbinden sind, wird deshalb die Raumgrenze nicht an der tatsächlichen Raumaußenwand erlebt, sondern dort, wo der Blick ein Ende findet.

Die äußere Hülle besteht aus einfachen sägerauen Lärchenbrettern. Dort, wo Einschnitte in die Großform stattfanden, also im Bereich des Innenhofes und den Dachgeschoßterrassen, kamen glatte Holzplatten zum Einsatz. Schließlich sind diese Außenräume als Aufenthaltsräume zu sehen und verlangen nach einer feineren Materialsprache. Wiewohl auf die individuellen Bedürfnisse der Bauherren zugeschnitten, könnte dieses Haus auch für andere Lebensentwürfe eine taugliche Wohnumgebung bieten.

Es bietet Räume, die für viele Funktionen denkbar wären. Und trotz der notwendigen Einschränkungen hinsichtlich Volumen und Baubudget hat das kleine Gebäude durch die gelungenen Raumfolgen die Ausstrahlung eines „großen“ Hauses. Denkt man es sich mit edleren Oberflächen, könnte es sogar ein richtig nobler Vertreter seiner Spezies sein.

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