Bauwerk

Bürogebäude Stelzer
Franz Sam - Herzogenburg (A) - 2001
Bürogebäude Stelzer, Foto: Margherita Spiluttini
Bürogebäude Stelzer, Foto: Margherita Spiluttini

Das Cockpit des Baumeisters

18. Oktober 2002 - Otto Kapfinger
Der Bauherr ist vom Fach. Er führt ein alteingesessenes Unternehmen in einer Kleinstadt im Zentrum von Niederösterreich. Der Ort ist geprägt durch ein wunderbares Barockstift, ist auch als Industriestandort bekannt, liegt kulturell etwas im Windschatten großer Nachbarn - elf Kilometer südlich die Landeshauptstadt St. Pölten, doppelt so weit im Norden das regionale Kulturzentrum Krems.

Die Firma Stelzer macht vieles in der prosperierenden Umgebung Herzogenburgs, vom Tief- und Brückenbau bis zur Einreichplanung für Häuselbauer. Für den Neubau des Firmensitzes holte Stelzer als Entwerfer Franz Sam aus Krems, mit dem er vorher bei Innenausbauten kooperiert hatte. Das Resultat, von den eigenen Bauleuten ausgeführt, ist in seinem Umfeld sensationell, ein kühner Sprung über viele Jahrzehnte und Traditionen hinweg ins 21. Jahrhundert. Am Rand der Kleinstadt entstand über dem Arsenal des Alltäglichen ein Manifest des Möglichen.


Aufgestapelt

Sam stapelte an der östlichen Böschungskante drei funktionell, konstruktiv und gestalterisch differenzierte Zonen übereinander. Belegschaftsräume, Garderoben, Schauraum für Materialien und Archiv bilden den kompakten Sockel an der Böschung, gleichsam das massive Widerlager im Abhang; darüber strahlen die Büros vom Straßenniveau als räumliche Kragbalken weit in die „Grube“ des Geländes hinaus, überdachen auch den Vorplatz der Sockelzone.

Quer über die Hauptzone erhebt sich als Abschluss und als Transformation des alten Firmenlogos - ein „fliegender“ Ziegelstein - das Cockpit des Baumeisters. Es ist das persönliche Studio Stelzers, Atelier und Besprechungsplatz mit Nebenräumen, etwas abgeteilt vom Tagesgeschehen.

Die drei Zonen sind wie gesagt einerseits durch Konstruktion, Material und verglaste Lichtschneisen scharf differenziert. Zugleich sind sie durch übergreifende Bewegungsräume und „innere Fenster“ in allen drei Raumachsen vielfältig verbunden. Sämtliche Bauteile sind statisch/plastisch intensiv durchgearbeitet, sind für Gewichtsersparnis und optische Leichtigkeit auf ihre Essenz getrimmt.


Hohe Schule

Alles an diesem körperhaft und räumlich modellierten Bau demonstriert die wechselseitige Durchdringung, Herausforderung und Ausbalancierung technischer, statischer und gestalterischer Vision. Wie ein Baumeister im Pakt mit einem versierten Gestalter Beton, Glas und Stahl aus der strengen Sachlichkeit in eine Hohe Schule baukünstlerischer Sinnlichkeit steigern kann, das zeigt auch der subtile Tanz der verschiedenen Betonstützen unter der als Durchlaufträger konzipierten Hauptebene.

Die verhaltene Expressivität dieser „Propyläen“ am Zugang für Kunden und Belegschaft spiegelt statische Kraftlinien und funktionelle Details. Die hinteren beiden sind im Winkel gestellte Scheiben, „führen“ auch den Eintritt zum Schauraum; nahe dem Eingang sind alle ihre Kanten „entschärft“ und gerundet.


Einschlägige Vorbildung

Franz Sam ist schon länger in der Szene in und um Wien unterwegs, mit den eigenen Arbeiten bisher wenig bekannt. Zehn Jahre hat er als Projektleiter bei Coop Himmelb(l)au einige spektakuläre Entwurfsideen in der konstruktiven Umsetzung betreut.

Sam entwirft und bespricht seine Projekte am liebsten mit dem Vierfarbenstift. Mit kalligrafisch hingeschriebenen Diagrammen bringt er Prinzipien, Kraftlinien, Gelenke und Raumquerschnitte eines Projektes auf den Punkt. Seine Linien sind federnd - wie schwarze, rote, blaue Pfeilschüsse im weißen Raum des Papiers.

In jeder Kreuzung, jeder Überlagerung der Farben schwingt das Gefühl für Tragen und Lasten mit, antizipiert sich das Bündeln, Spannen und Abfließen von Kräften. Schon in der Baufachschule war sein ungewöhnliches ingeniöses Talent aufgefallen. Seine Freude an der Komplexität von Baustatik, sein Faible für die optische Entlastung scheinbar schwerer Körper hat sich von der abstrakten, mathematischen Ebene in den sinnlich-projektiven Raum weiterentwickelt.

Der Bürobau Stelzer setzt in seinem Oeuvre einen Markstein, im lokalen Kontext einen Meilenstein.


[ Tipp: Franz Sam zählt zu einem jener zehn Architekten, die in der dritten Staffel von emerging architecture ab 20. November im Architektur Zentrum Wien zu sehen sein werden.
Den ungekürzten Originalbeitrag von Otto Kapfinger finden Sie in architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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Bauherrschaft
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