Bauwerk
Wallraf-Richartz-Museum
Oswald Mathias Ungers - Köln (D) - 2000
Germanen auf Eberjagd im Rasterbau
Oswald Ungers' Neubau des Wallraf-Richartz-Museums
2. Februar 2001 - Matthias Frehner
Das Wallraf-Richartz-Museum hat den vierten Museumsbau seit seiner Gründung bezogen. Der rationalistische Bau des Kölner Architekten Oswald Matias Ungers bezieht im Stadtbild markant Position, er ist jedoch mit gravierenden infrastrukturellen Mängeln behaftet, so dass sich die Kunstwerke nicht optimal entfalten können.
Böcklins «Germanen auf Eberjagd» im dritten Ausstellungsgeschoss waren lange im Depot, auf keinen Fall erkennt man sie als ein typisches Kölner Bild wieder wie den berühmten «Seeräuberüberfall» desselben Künstlers, Manets «Spargelbund» oder van Goghs «Zugbrücke». Die ironische Szene zeigt zwei Tarzantypen in knapper Fellbekleidung einen steilen Abhang hinunterhangeln; einer schwingt ein Messer; dass es allerdings zum Kampf mit dem unten im Grünen sich suhlenden Eber oder dessen Gefährtin kommen wird, lässt das unprofessionelle Vorgehen der beiden brüllenden Weidmänner unwahrscheinlich erscheinen.
Ein herrliches Bild, malerisch eine Trouvaille, im aufgelösten und doch pastosen Duktus Courbet ebenbürtig, inhaltlich eine köstliche Ohrfeige ans martialische Preussentum wie auch an Wagners Heldenpathos. - Böcklin hat Germanen jenseits der Erwartungshaltung seiner Zeitgenossen gemalt, als dumme Machos, die mit Bestimmtheit nichts zum Übermenschentum beigetragen haben, so komplett neben den Schuhen wie Matthew Barneys Retortenfaune unserer Tage. Böcklins schon fast postmoderner Umgang mit Historie und Mythologie lässt für Augenblicke alle Störfaktoren vergessen, denen man in diesem Neubau permanent ausgesetzt ist.
Zur Schau stellen statt ausstellen
Auf die Bilder bezogen, liegt das Problem in der Art und Weise, wie wir sie wahrnehmen. In Oswald Ungers' Rasterräumen mit schwarzem Parkett, weisser Kunstlicht-Kassettendecke und der vom Architekten letztlich selbst bestimmten Kolorierung der Wände - ein hartes Elfenbeinweiss für die Kunst des 19. Jahrhunderts, ein aggressives Jadegrün in der Barock-Sektion und ein fleischkäsiges Terrakotta für die Altkölner Tafelmalerei - werden die Bilder wie Verbrecher zur Schau gestellt. Es ist so grell, dass einen die Augen schmerzen, und doch sieht man vor allem bei den dunkeltonigen Werken nicht mehr als auf einer schlechten Reproduktion. Die Helle überstrahlt die sensiblen Farbnuancen, die sich nur bei weichem Licht auf dunklen Wänden entfalten können. Man registriert bloss Flächen und Flecken, wo sich Tiefenräume öffnen. Kommt dazu, dass das Fehlen von Brüstungen den Goldrahmen jeden Halt nimmt. Die Bilder treiben wie Planken auf optisch glitschigen Wänden. Das Problem ist ohne einschneidende bauliche Veränderungen nicht in den Griff zu bekommen. Je mehr man die Lichtstärke in den Decken hochfährt, um die tonige Malerei auszuleuchten, umso mehr verstärkt sich die Reflexion auf den Wänden. Es kommt zum Paradox, dass es immer heller wird, man aber immer weniger sieht.
Die Infrastruktur weist noch weitere Mängel auf. Der ganze Bau beruht auf dem Grundmodul eines Quadrates von 97 mal 97 Zentimetern, das Ungers aus der Vierung der benachbarten Ruine der gotischen St.-Alban-Kirche übernommen hat. Der Kubus des Museums, der abgetreppte Verwaltungstrakt sowie der die beiden Körper verbindende Treppenhausschacht sind durch Teilung und Multiplikation aus dem Modul abgeleitet. Die Ausstellungsräume bestehen aus sechs mal fünf Quadraten, die sowohl an der Decke als auch am Fussboden ablesbar sind. Diese räumlichen Grundeinheiten werden von Streifen in einer Modulbreite getrennt, die Ungers für Zwischenwände vorgesehen hat. Die 97 Zentimeter dicken Stellwände, mit denen dem Kölner Architekt ein Eintrag ins «Guinness Buch der Rekorde» sicher sein dürfte, haben allerdings ihren Preis: Überall dort, wo eine sein könnte, gibt es oben keine Bilderschiene, was die mitunter alle Regeln einer rhythmischen Hängung missachtenden Bildabstände erklärt. Nageln kann man in den splittrigen Freskoputz ebenfalls nicht. Kleinformate sind deshalb auf grosse Tafeln geschraubt, die ihrerseits in improvisatorischer Freiheit an Schnüren baumeln - ein schrecklicher Anblick. Spots, die eine punktuelle Aufhellung dunkler Bilder ermöglichten, kann man übrigens auch nur gerade im zentralen Feld der 25 97-Zentimeter-Quadrate umfassenden Lichtdeckeneinheit anbringen. Effekt gleich null. - Der Bau ist kompromisslos klar, allerdings waren die Kuratoren bei der Einrichtung zu Kompromissen gezwungen, bei der sie ihre Berufsehre an den Nagel hängen konnten.
Wenn man diesen extremen Rasterbau ohne jede Spannung an seiner Funktionalität misst, kommt man zu einer verheerenden Bilanz. Die Benützer des neuen Wallraf-Richartz-Museum, das Ungers in der Rekordzeit von zweieinhalb Jahren realisierte, damit das Haus am Dom für das Picasso-Angebot der Ludwig-Stiftung Platz gewinnen kann, hatten bei der Planung aus Termingründen wenig bis kein Mitspracherecht. Ungers hat die städtebauliche Herausforderung der Kreation eines neuen Wahrzeichens eindeutig den Anforderungen einer bedeutenden Sammlung übergeordnet - mit einer optimalen Infrastruktur und zurückhaltenden Räumen schreibt man keine Architekturgeschichte.
Gemessen an der kommunikativen Struktur des Ludwigs-Museums am Dom von Peter Bussmann und Godfrid Haberer von 1986, in dem die Exponate in Foyers, auf «Plätzen» und entlang enger «Strassen» dem Geist der siebziger Jahre entsprechend offen präsentiert wurden, was zumal bei der historischen Kunst zu einem kaleidoskopischen Wirrwarr führte, darf man das neue Museum als Fortschritt betrachten. Es herrscht nun vom Raumdispositiv her wieder ein musealer Charakter vor wie im 1957 eingeweihten Haus von Rudolf Schwarz. Verglichen mit der Lichtführung und Wandgestaltung im Schwarz-Bau oder auch den architektonisch schlichten, die Bilder tragenden Räumen der neuen Berliner Gemäldegalerie, ist die Kölner Sammlung vom 13. bis ins frühe 20. Jahrhundert in ein neues Provisorium eingezogen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass im Ungers-Bau mit rund 550 Werken (von 2000) zehn Prozent weniger zu sehen sind als am Dom.
Mittelalterabteilung als Höhepunkt
Die Präsentation der durch internationale Gotik verstärkten Kölner Tafelmalerei vermag aus dem Neubau den grössten Gewinn zu ziehen. Die Zwischenwände wurden hier so placiert, dass ein kreuzförmiger Zentralraum entstand, in dem nun die grossen Flügelaltäre in einem Raum mit kirchlichen Dimensionen zu Geltung gelangen, wobei der Altar aus Osnabrück von 1370/80 und der Kölner «Franziskaneraltar» (1505) chronologische Eckpunkte setzen, während das Sebastian-Triptychon des Jüngeren Meisters der Heiligen Sippe von 1493/94 wirkungsmächtig im Zentrum steht. Auch die Gegenüberstellungen in den umliegenden Sälen sind intelligent: Nachvollziehbar werden die grosse Nähe der Kölner Spätgotik zu Frankreich wie auch die Einflüsse aus den Niederlanden oder die Wechselwirkungen mit dem westfälischen Kreis. Einzigartig sind die Kabinette mit den Juwelen des Veronika-Meisters und Lochners vergeistigt-naivem Paradiesgärtlein, ein Höhepunkt sodann die Bildtafeln mit der Ursula-Legende, auf denen sich im Hintergrund die kirchliche Pracht von Kölns spätmittelalterlichem Stadtbild entfaltet. Der Rundgang schliesst mit dem Kölner Porträtisten des Humanismus, mit Bartholomäus Bruyn.
Das Barock-Geschoss ist weniger überzeugend. Zum einen kommen Grossformate von Rubens, Murillo oder Piazzetta in den engen Räumen nur fragmentarisch zur Geltung, zum andern konnten die disparaten Bestände in keine didaktisch einigermassen sinnvolle Abfolge gebracht werden. Am meisten leidet Rembrandt unter dem Giftpilzgrün, das die Bilder wie Zuckerguss überstrahlt. Angesichts dieser optischen Entstellungen eine Reinigung der noch nicht restaurierten Bilder zu fordern, wäre ein Trugschluss. Van Dycks brutal heruntergeputzte, von allen Lasuren befreite Antiope, die von Jupiter in Gestalt eines Satyrn heimgesucht wird, ist in diesem ruinösen Zustand nur noch ein abgegriffenes Stück Fleisch, allein grün ist auch sie.
Die Architektur ist die Kunst
Das dritte Geschoss mit den Beständen des 19. Jahrhunderts ist nicht nur infolge der Weissüberstrahlung, sondern auch der räumlichen Disposition wegen das schlechteste. Der zentrale Raum ist hier höher, umso mehr aber auch entfaltet das Licht seine totschlagende Wirkung. Selbst Monets «Seerosen» gehen drauf, wie überhaupt alle dunklen Werke von Friedrich, Menzel, Renoir, Courbet usw. bis zum frühen Gauguin. Die Bilder dokumentieren hier bloss noch die Absicht des Kurators, die malerisch-innovative Haltung in Klassizismus, Romantik und Realismus von der braven Pedanterie der Nazarener und dem hölzernen Akademismus der Düsseldorfer abzugrenzen. Die Verstärkung der Kölner Bestände durch die Stiftung des Schweizer Sammlers Corboud setzt abschliessend ein paar Glanzlichter, mit einer schönen Caillebotte-Gruppe und einigen interessanten Spätpointillisten.
Das Kunstwerk, das sich am besten präsentiert, ist jedoch kein Gemälde, sondern die Architektur selbst. Keinen Augenblick vergisst man sie. Und aussen? Im Stadtbild überzeugt der kubische Solitär über seiner metallischen Sockelzone. Er schafft im urbanen Kontext einen Ort der Konzentration, der sich formal absetzt, in der Farbe jedoch integriert, sind die Fassaden doch im gleichen Stein verkleidet, aus dem die Kölner Kirchen erbaut worden sind. Die Schrifttafeln mit den von Ian Hamilton Finlay applizierten Künstlernamen, die die Stelle der ursprünglich vorgesehenen Fensterstreifen einnehmen - diese konnten die Benutzer verhindern -, verleihen der Fassade klassische Würde, und die Eckfenster in jeder Etage ermöglichen den Einblick ins Museum und von dort zurück auf die trostlosen Nachkriegsbauten, deren Fünfziger-Jahre-Raster Ungers mit seinem jüngsten Bau eine Apotheose errichtet hat. Für Kunstwerke aus dieser Zeit wäre das Museum tauglich.
[Neu erschienen ist ein Prachtsband mit 100 Meisterwerken, DM 98.-, Taschenbuchfassung (DuMont-Verlag) DM 25.-. ]
Böcklins «Germanen auf Eberjagd» im dritten Ausstellungsgeschoss waren lange im Depot, auf keinen Fall erkennt man sie als ein typisches Kölner Bild wieder wie den berühmten «Seeräuberüberfall» desselben Künstlers, Manets «Spargelbund» oder van Goghs «Zugbrücke». Die ironische Szene zeigt zwei Tarzantypen in knapper Fellbekleidung einen steilen Abhang hinunterhangeln; einer schwingt ein Messer; dass es allerdings zum Kampf mit dem unten im Grünen sich suhlenden Eber oder dessen Gefährtin kommen wird, lässt das unprofessionelle Vorgehen der beiden brüllenden Weidmänner unwahrscheinlich erscheinen.
Ein herrliches Bild, malerisch eine Trouvaille, im aufgelösten und doch pastosen Duktus Courbet ebenbürtig, inhaltlich eine köstliche Ohrfeige ans martialische Preussentum wie auch an Wagners Heldenpathos. - Böcklin hat Germanen jenseits der Erwartungshaltung seiner Zeitgenossen gemalt, als dumme Machos, die mit Bestimmtheit nichts zum Übermenschentum beigetragen haben, so komplett neben den Schuhen wie Matthew Barneys Retortenfaune unserer Tage. Böcklins schon fast postmoderner Umgang mit Historie und Mythologie lässt für Augenblicke alle Störfaktoren vergessen, denen man in diesem Neubau permanent ausgesetzt ist.
Zur Schau stellen statt ausstellen
Auf die Bilder bezogen, liegt das Problem in der Art und Weise, wie wir sie wahrnehmen. In Oswald Ungers' Rasterräumen mit schwarzem Parkett, weisser Kunstlicht-Kassettendecke und der vom Architekten letztlich selbst bestimmten Kolorierung der Wände - ein hartes Elfenbeinweiss für die Kunst des 19. Jahrhunderts, ein aggressives Jadegrün in der Barock-Sektion und ein fleischkäsiges Terrakotta für die Altkölner Tafelmalerei - werden die Bilder wie Verbrecher zur Schau gestellt. Es ist so grell, dass einen die Augen schmerzen, und doch sieht man vor allem bei den dunkeltonigen Werken nicht mehr als auf einer schlechten Reproduktion. Die Helle überstrahlt die sensiblen Farbnuancen, die sich nur bei weichem Licht auf dunklen Wänden entfalten können. Man registriert bloss Flächen und Flecken, wo sich Tiefenräume öffnen. Kommt dazu, dass das Fehlen von Brüstungen den Goldrahmen jeden Halt nimmt. Die Bilder treiben wie Planken auf optisch glitschigen Wänden. Das Problem ist ohne einschneidende bauliche Veränderungen nicht in den Griff zu bekommen. Je mehr man die Lichtstärke in den Decken hochfährt, um die tonige Malerei auszuleuchten, umso mehr verstärkt sich die Reflexion auf den Wänden. Es kommt zum Paradox, dass es immer heller wird, man aber immer weniger sieht.
Die Infrastruktur weist noch weitere Mängel auf. Der ganze Bau beruht auf dem Grundmodul eines Quadrates von 97 mal 97 Zentimetern, das Ungers aus der Vierung der benachbarten Ruine der gotischen St.-Alban-Kirche übernommen hat. Der Kubus des Museums, der abgetreppte Verwaltungstrakt sowie der die beiden Körper verbindende Treppenhausschacht sind durch Teilung und Multiplikation aus dem Modul abgeleitet. Die Ausstellungsräume bestehen aus sechs mal fünf Quadraten, die sowohl an der Decke als auch am Fussboden ablesbar sind. Diese räumlichen Grundeinheiten werden von Streifen in einer Modulbreite getrennt, die Ungers für Zwischenwände vorgesehen hat. Die 97 Zentimeter dicken Stellwände, mit denen dem Kölner Architekt ein Eintrag ins «Guinness Buch der Rekorde» sicher sein dürfte, haben allerdings ihren Preis: Überall dort, wo eine sein könnte, gibt es oben keine Bilderschiene, was die mitunter alle Regeln einer rhythmischen Hängung missachtenden Bildabstände erklärt. Nageln kann man in den splittrigen Freskoputz ebenfalls nicht. Kleinformate sind deshalb auf grosse Tafeln geschraubt, die ihrerseits in improvisatorischer Freiheit an Schnüren baumeln - ein schrecklicher Anblick. Spots, die eine punktuelle Aufhellung dunkler Bilder ermöglichten, kann man übrigens auch nur gerade im zentralen Feld der 25 97-Zentimeter-Quadrate umfassenden Lichtdeckeneinheit anbringen. Effekt gleich null. - Der Bau ist kompromisslos klar, allerdings waren die Kuratoren bei der Einrichtung zu Kompromissen gezwungen, bei der sie ihre Berufsehre an den Nagel hängen konnten.
Wenn man diesen extremen Rasterbau ohne jede Spannung an seiner Funktionalität misst, kommt man zu einer verheerenden Bilanz. Die Benützer des neuen Wallraf-Richartz-Museum, das Ungers in der Rekordzeit von zweieinhalb Jahren realisierte, damit das Haus am Dom für das Picasso-Angebot der Ludwig-Stiftung Platz gewinnen kann, hatten bei der Planung aus Termingründen wenig bis kein Mitspracherecht. Ungers hat die städtebauliche Herausforderung der Kreation eines neuen Wahrzeichens eindeutig den Anforderungen einer bedeutenden Sammlung übergeordnet - mit einer optimalen Infrastruktur und zurückhaltenden Räumen schreibt man keine Architekturgeschichte.
Gemessen an der kommunikativen Struktur des Ludwigs-Museums am Dom von Peter Bussmann und Godfrid Haberer von 1986, in dem die Exponate in Foyers, auf «Plätzen» und entlang enger «Strassen» dem Geist der siebziger Jahre entsprechend offen präsentiert wurden, was zumal bei der historischen Kunst zu einem kaleidoskopischen Wirrwarr führte, darf man das neue Museum als Fortschritt betrachten. Es herrscht nun vom Raumdispositiv her wieder ein musealer Charakter vor wie im 1957 eingeweihten Haus von Rudolf Schwarz. Verglichen mit der Lichtführung und Wandgestaltung im Schwarz-Bau oder auch den architektonisch schlichten, die Bilder tragenden Räumen der neuen Berliner Gemäldegalerie, ist die Kölner Sammlung vom 13. bis ins frühe 20. Jahrhundert in ein neues Provisorium eingezogen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass im Ungers-Bau mit rund 550 Werken (von 2000) zehn Prozent weniger zu sehen sind als am Dom.
Mittelalterabteilung als Höhepunkt
Die Präsentation der durch internationale Gotik verstärkten Kölner Tafelmalerei vermag aus dem Neubau den grössten Gewinn zu ziehen. Die Zwischenwände wurden hier so placiert, dass ein kreuzförmiger Zentralraum entstand, in dem nun die grossen Flügelaltäre in einem Raum mit kirchlichen Dimensionen zu Geltung gelangen, wobei der Altar aus Osnabrück von 1370/80 und der Kölner «Franziskaneraltar» (1505) chronologische Eckpunkte setzen, während das Sebastian-Triptychon des Jüngeren Meisters der Heiligen Sippe von 1493/94 wirkungsmächtig im Zentrum steht. Auch die Gegenüberstellungen in den umliegenden Sälen sind intelligent: Nachvollziehbar werden die grosse Nähe der Kölner Spätgotik zu Frankreich wie auch die Einflüsse aus den Niederlanden oder die Wechselwirkungen mit dem westfälischen Kreis. Einzigartig sind die Kabinette mit den Juwelen des Veronika-Meisters und Lochners vergeistigt-naivem Paradiesgärtlein, ein Höhepunkt sodann die Bildtafeln mit der Ursula-Legende, auf denen sich im Hintergrund die kirchliche Pracht von Kölns spätmittelalterlichem Stadtbild entfaltet. Der Rundgang schliesst mit dem Kölner Porträtisten des Humanismus, mit Bartholomäus Bruyn.
Das Barock-Geschoss ist weniger überzeugend. Zum einen kommen Grossformate von Rubens, Murillo oder Piazzetta in den engen Räumen nur fragmentarisch zur Geltung, zum andern konnten die disparaten Bestände in keine didaktisch einigermassen sinnvolle Abfolge gebracht werden. Am meisten leidet Rembrandt unter dem Giftpilzgrün, das die Bilder wie Zuckerguss überstrahlt. Angesichts dieser optischen Entstellungen eine Reinigung der noch nicht restaurierten Bilder zu fordern, wäre ein Trugschluss. Van Dycks brutal heruntergeputzte, von allen Lasuren befreite Antiope, die von Jupiter in Gestalt eines Satyrn heimgesucht wird, ist in diesem ruinösen Zustand nur noch ein abgegriffenes Stück Fleisch, allein grün ist auch sie.
Die Architektur ist die Kunst
Das dritte Geschoss mit den Beständen des 19. Jahrhunderts ist nicht nur infolge der Weissüberstrahlung, sondern auch der räumlichen Disposition wegen das schlechteste. Der zentrale Raum ist hier höher, umso mehr aber auch entfaltet das Licht seine totschlagende Wirkung. Selbst Monets «Seerosen» gehen drauf, wie überhaupt alle dunklen Werke von Friedrich, Menzel, Renoir, Courbet usw. bis zum frühen Gauguin. Die Bilder dokumentieren hier bloss noch die Absicht des Kurators, die malerisch-innovative Haltung in Klassizismus, Romantik und Realismus von der braven Pedanterie der Nazarener und dem hölzernen Akademismus der Düsseldorfer abzugrenzen. Die Verstärkung der Kölner Bestände durch die Stiftung des Schweizer Sammlers Corboud setzt abschliessend ein paar Glanzlichter, mit einer schönen Caillebotte-Gruppe und einigen interessanten Spätpointillisten.
Das Kunstwerk, das sich am besten präsentiert, ist jedoch kein Gemälde, sondern die Architektur selbst. Keinen Augenblick vergisst man sie. Und aussen? Im Stadtbild überzeugt der kubische Solitär über seiner metallischen Sockelzone. Er schafft im urbanen Kontext einen Ort der Konzentration, der sich formal absetzt, in der Farbe jedoch integriert, sind die Fassaden doch im gleichen Stein verkleidet, aus dem die Kölner Kirchen erbaut worden sind. Die Schrifttafeln mit den von Ian Hamilton Finlay applizierten Künstlernamen, die die Stelle der ursprünglich vorgesehenen Fensterstreifen einnehmen - diese konnten die Benutzer verhindern -, verleihen der Fassade klassische Würde, und die Eckfenster in jeder Etage ermöglichen den Einblick ins Museum und von dort zurück auf die trostlosen Nachkriegsbauten, deren Fünfziger-Jahre-Raster Ungers mit seinem jüngsten Bau eine Apotheose errichtet hat. Für Kunstwerke aus dieser Zeit wäre das Museum tauglich.
[Neu erschienen ist ein Prachtsband mit 100 Meisterwerken, DM 98.-, Taschenbuchfassung (DuMont-Verlag) DM 25.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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