Bauwerk
Stadion Salzburg
Albert Wimmer, Schuster Architekten - Wals-Siezenheim (A) - 2008
End-Stadion
Die Vergrößerung zur EM-Arena ließ den Koloss vor Schloss Kleßheim aus den Fugen geraten. Seine Atmosphäre als sperriges Dauerbaustellenprovisorium ist für den heimischen Fußball kein zukunftsweisendes Zeichen.
18. Juni 2008 - newroom
„Der Residenzplatz mit seinen umliegenden Gebäuden spielt mit“, meint Reinhard Tritscher über das von ihm inszenierte Eröffnungsfest der EURO 2008. Tatsächlich haben im raumgreifenden Fußballtrubel Platz und (Bau)denkmäler ausgespielt, manche werden zum Schutz vor Vandalismus zumindest eingehaust, sodass sie erst in wenigen Wochen wieder zum Vorschein kommen.
Das EM-Stadion wird hingegen über viele Jahre in der Abseitsfalle stehen. Dietrich Mateschitz drohte bei einem Rückbau der temporären Aufstockung mit dem Ausstieg. „Die Bullen machten die Schwalbe“ - das verstreute Grüppchen der Gegenspieler war mehrere Meter vom vorgetäuschten Faul entfernt. So kam Mateschitz zum Elfmeter, den Salzburg ohne Hilfe von Legionären zum Eigentor verwandelte. Normalerweise schießt ein Spieler den Ball nur irrtümlich ins eigene Tor, jedenfalls schadet Salzburgs politischer Kniefall dem architektonischen Auftritt. Der Situierung vor dem Barockschloss Kleßheim 2003 folgte mit der teuren aber grobschlächtigen Dauerprovisoriumsaufstockung das zweite Eigentor, EURO-Tauglichkeit ohne gestalterischen Qualitätsanspruch.
Die Architektur ist vom Platz verwiesen. Der falsche Standort provozierte eine „Verschwindungsästhetik“, wie der Gestaltungsbeirat der Stadt schon vor zehn Jahren analysierte. Das enorme architektonische und städtebauliche Potenzial einer so großen, öffentlichen Freizeitanlage wurde ebenso ignoriert wie die Chance, neue prägnante Akzente im Stadt- und Landschaftsbild zu setzen.
Derartige Voraussetzungen für ein selbstsicheres Zeichen des Sports hätte der eindeutig besser geeignete Ersatzstandort Liefering – nördlich der Autobahn, westlich der Salzach – bieten können. Dies zeigen beispielsweise die 1998 von Planungs-Ressortchef Johann Padutsch beauftragten Studien von „Wimmer Zaic Architekten“. Alle fachlich relevanten Faktoren hätten für Liefering gesprochen, darunter eine deutlich bessere Verkehrserschließung und ein leicht über den Autobahnzubringer kanalisierbarer Individualverkehr. Eine temporäre Sperre der einzigen vorhandenen Zufahrtsstraße – ausgenommen Anrainer – wäre problemlos zu bewerkstelligen gewesen. Das angrenzende Salzburger Ausstellungszentrum hätte eine Parkplatzmitbenutzung ermöglicht. Allerdings sprach sich eine chaotisch agierende Stadtpolitik gegen Liefering aus.
Den Standort vor dem Baudenkmal Schloss Kleßheim fixierte 1998 das mächtige Triumvirat aus dem einflussreichen Bürgermeister von Wals-Siezenheim Ludwig Bieringer, dem Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger und dem Sportlandesrat Othmar Raus.
Die Kreativität der Architekten floss in den Versuch, die Kubatur und den eklatanten Maßstabssprung zum Schloss zu verstecken. Schließlich fände der Grundriss des Baus von Fischer von Erlach in der 180 mal 210 Meter großen Arena gut zwanzig Mal Platz. Beim Wettbewerb 1999 punktete das siegreiche Stadionrechteck von „Schuster Architekten“ aus Düsseldorf durch Eingraben bis zum Grundwasserspiegel. Ein äußerer böschungsartiger, begehbarer Erdwall sollte Land-Art-Qualitäten suggerieren. Alfred Denk, Bauherr und Landesbaudirektor, lobte das Siegerprojekt, um kurz darauf die Erdwall-Konzeption zu begraben. "Die massive Überarbeitung der ARGE Schuster Architekten und Albert Wimmer führte zu einem konventionellen, mit schrägen Außenwänden verkleideten Vierkanter, von dem sich die Wettbewerbsjury distanzierte.
Das große Volumen sollte in den „sensiblen Kontext“ durch mit Lärchenholz-Leimbindern verkleidete "stilisierte „Wälle“" eingebunden werden. Um zum unterschiedlich abfallenden Gelände zu vermitteln, sollten diese vier Außenwände ursprünglich unterschiedlich – zum Teil bis zu 20 Meter – hoch werden. Um diese Höhen optisch „auf ein Minimum“ – rund 12,5 Meter – zu reduzierten, wurde die Erdwall-Idee des Wettbewerbs wieder ausgegraben und damit die hölzernen, angeböschten Außenfronten „unterfüttert“.
So thronte auf diesen riesigen Erdwällen das Stadion mit seinen stilisierten Wall-Wänden. Zudem konnten die Architekten ihren gestalterischen Anspruch nur teilweise umsetzen. Die als „innovativen Ansatz“ angekündigte Tribünenüberdachung als vorgespanntes Seiltragwerk mit transluzenter Membran sparte Denk ebenso ein wie die Metallgewebeverkleidung des Dachträgerwerks.
Um die Großform kleiner erscheinen zu lassen, sollte 2003 – so die Architekten Schuster und Wimmer – „das Stadiondach gleich einem fliegenden Teppich“ über dem leicht geneigten Baukörper „schweben“. Allerdings entwickelten die Architekten zwischen diesen beiden Hauptelementen 2007/2008 ein sperriges Tribünen- und Erschließungselement. Der nun von plumpen Treppengestellen umringte, nun doppelt so hohe Koloss widerspricht der ursprünglichen Konzeption, die Großform lagernd in das Gelände vor Schloss Kleßheim einzubetten.
Durch die allseitige Entgleisung fasst der Koloss nun 30.300 anstelle von 18.500 Zuschauern. Die Hebung des Stadiondaches von 17.000 Quadratmetern und mehr als 1.900 Tonnen Gewicht um 10,50 Meter war eine technische Herausforderung. Sie wurde während des laufenden Betriebes mit zwölf großen Hebestützen im Stadioninnenraum und 56 kleinere Hebestützen an den Außenkanten an einem Tag gemeistert. Damit endet aber schon die Meisterschaft.
Die Ausführungsqualität der Vergrößerungsmaßnahmen ist katastrophal. Architekt Jochen Schuster ist verständlicherweise entsetzt, welch derbes Endprodukt für viel Geld der Generalunternehmer PORR - Alpine Mayreder ablieferte: „Da man nicht bereit war, hierfür substantiell in Vorleistung zu gehen um eine entsprechende Qualität zu erreichen, sehen wir nun leider eine sehr grobschlächtige Ausführung, die nahezu aus rein monetären Aspekten realisiert wurde und die es verpasst, sich werbend für das Land Salzburg zur EM zu zeigen.“
Die Erscheinung des Stadions als entgleistes Baustellen-Provisorium ist eine Tragödie. Der Fußball hätte einen angemessenen, positiven Auftritt und das von einer engagierten Architekturszene getragene Salzburg einen hochwertig gestalteten Großbau verdient. Als beschränktes EURO 2008-Provisorium wäre ein Ende dieses Dramas absehbar gewesen, allerdings glaubt wohl niemand an den ursprünglich versprochenen Rückbau.
Zumindest hat der deutsche Architekt Jochen Schuster Wünsche ans Christkind: „Sollte die Entscheidung, wie es zur Zeit den Anschein hat, für einen dauerhaften Bestand der großen Lösung fallen, müssen viele Teilbereiche überarbeitet und modifiziert werden. Andernfalls wären wir für einen Rückbau.“
Der aus den Fugen geratene Koloss wird hoffentlich nicht für die Qualität des heimischen Fußballs stehen, sicher aber noch lange stehen bleiben. Spätestens im April 2006 gab Mateschitz Red Bull die Direktive aus: „Ein Rückbau wäre ein Schildbürgerstreich“. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gab am 27. November 2007 in der Anfragenbeantwortung der Grünen zwar zu, dass die Planungs- und Errichtungsges.m.b.H. im September 2005 den Rückbau beschlossen hatte, ergänzte aber: „Durch den Einstieg von Red Bull hat sich die Ausgangslage völlig verändert. Bei einem Rückbau nach der EURO 2008 würde sich der Verein mittelfristig aus dem Stadion zurückziehen und (möglicherweise ins Ausland) abwandern.“ Wäre das ein Drama? Die Österreicher, die für Red Bull Salzburg spielen dürften, wären wohl genauso Exoten wie jetzt im Inland.
Aktuell steht die Entscheidung an, ob die „Nachwuchsakademie“ von Red Bull im Landschaftsschutzgebiet von Liefering im Bereich der alten Trabrennbahn gebaut werden kann. Ob in der Stadt ebenfalls Investorenhörigkeit entscheidet oder ein moderierter Prozess, der die Argumente pro und contra sorgfältig und unabhängig abwägt, ist noch offen.
[ Erschienen in: www.drehpunktkultur.at/txt08-06/0509.html ]
Das EM-Stadion wird hingegen über viele Jahre in der Abseitsfalle stehen. Dietrich Mateschitz drohte bei einem Rückbau der temporären Aufstockung mit dem Ausstieg. „Die Bullen machten die Schwalbe“ - das verstreute Grüppchen der Gegenspieler war mehrere Meter vom vorgetäuschten Faul entfernt. So kam Mateschitz zum Elfmeter, den Salzburg ohne Hilfe von Legionären zum Eigentor verwandelte. Normalerweise schießt ein Spieler den Ball nur irrtümlich ins eigene Tor, jedenfalls schadet Salzburgs politischer Kniefall dem architektonischen Auftritt. Der Situierung vor dem Barockschloss Kleßheim 2003 folgte mit der teuren aber grobschlächtigen Dauerprovisoriumsaufstockung das zweite Eigentor, EURO-Tauglichkeit ohne gestalterischen Qualitätsanspruch.
Die Architektur ist vom Platz verwiesen. Der falsche Standort provozierte eine „Verschwindungsästhetik“, wie der Gestaltungsbeirat der Stadt schon vor zehn Jahren analysierte. Das enorme architektonische und städtebauliche Potenzial einer so großen, öffentlichen Freizeitanlage wurde ebenso ignoriert wie die Chance, neue prägnante Akzente im Stadt- und Landschaftsbild zu setzen.
Derartige Voraussetzungen für ein selbstsicheres Zeichen des Sports hätte der eindeutig besser geeignete Ersatzstandort Liefering – nördlich der Autobahn, westlich der Salzach – bieten können. Dies zeigen beispielsweise die 1998 von Planungs-Ressortchef Johann Padutsch beauftragten Studien von „Wimmer Zaic Architekten“. Alle fachlich relevanten Faktoren hätten für Liefering gesprochen, darunter eine deutlich bessere Verkehrserschließung und ein leicht über den Autobahnzubringer kanalisierbarer Individualverkehr. Eine temporäre Sperre der einzigen vorhandenen Zufahrtsstraße – ausgenommen Anrainer – wäre problemlos zu bewerkstelligen gewesen. Das angrenzende Salzburger Ausstellungszentrum hätte eine Parkplatzmitbenutzung ermöglicht. Allerdings sprach sich eine chaotisch agierende Stadtpolitik gegen Liefering aus.
Den Standort vor dem Baudenkmal Schloss Kleßheim fixierte 1998 das mächtige Triumvirat aus dem einflussreichen Bürgermeister von Wals-Siezenheim Ludwig Bieringer, dem Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger und dem Sportlandesrat Othmar Raus.
Die Kreativität der Architekten floss in den Versuch, die Kubatur und den eklatanten Maßstabssprung zum Schloss zu verstecken. Schließlich fände der Grundriss des Baus von Fischer von Erlach in der 180 mal 210 Meter großen Arena gut zwanzig Mal Platz. Beim Wettbewerb 1999 punktete das siegreiche Stadionrechteck von „Schuster Architekten“ aus Düsseldorf durch Eingraben bis zum Grundwasserspiegel. Ein äußerer böschungsartiger, begehbarer Erdwall sollte Land-Art-Qualitäten suggerieren. Alfred Denk, Bauherr und Landesbaudirektor, lobte das Siegerprojekt, um kurz darauf die Erdwall-Konzeption zu begraben. "Die massive Überarbeitung der ARGE Schuster Architekten und Albert Wimmer führte zu einem konventionellen, mit schrägen Außenwänden verkleideten Vierkanter, von dem sich die Wettbewerbsjury distanzierte.
Das große Volumen sollte in den „sensiblen Kontext“ durch mit Lärchenholz-Leimbindern verkleidete "stilisierte „Wälle“" eingebunden werden. Um zum unterschiedlich abfallenden Gelände zu vermitteln, sollten diese vier Außenwände ursprünglich unterschiedlich – zum Teil bis zu 20 Meter – hoch werden. Um diese Höhen optisch „auf ein Minimum“ – rund 12,5 Meter – zu reduzierten, wurde die Erdwall-Idee des Wettbewerbs wieder ausgegraben und damit die hölzernen, angeböschten Außenfronten „unterfüttert“.
So thronte auf diesen riesigen Erdwällen das Stadion mit seinen stilisierten Wall-Wänden. Zudem konnten die Architekten ihren gestalterischen Anspruch nur teilweise umsetzen. Die als „innovativen Ansatz“ angekündigte Tribünenüberdachung als vorgespanntes Seiltragwerk mit transluzenter Membran sparte Denk ebenso ein wie die Metallgewebeverkleidung des Dachträgerwerks.
Um die Großform kleiner erscheinen zu lassen, sollte 2003 – so die Architekten Schuster und Wimmer – „das Stadiondach gleich einem fliegenden Teppich“ über dem leicht geneigten Baukörper „schweben“. Allerdings entwickelten die Architekten zwischen diesen beiden Hauptelementen 2007/2008 ein sperriges Tribünen- und Erschließungselement. Der nun von plumpen Treppengestellen umringte, nun doppelt so hohe Koloss widerspricht der ursprünglichen Konzeption, die Großform lagernd in das Gelände vor Schloss Kleßheim einzubetten.
Durch die allseitige Entgleisung fasst der Koloss nun 30.300 anstelle von 18.500 Zuschauern. Die Hebung des Stadiondaches von 17.000 Quadratmetern und mehr als 1.900 Tonnen Gewicht um 10,50 Meter war eine technische Herausforderung. Sie wurde während des laufenden Betriebes mit zwölf großen Hebestützen im Stadioninnenraum und 56 kleinere Hebestützen an den Außenkanten an einem Tag gemeistert. Damit endet aber schon die Meisterschaft.
Die Ausführungsqualität der Vergrößerungsmaßnahmen ist katastrophal. Architekt Jochen Schuster ist verständlicherweise entsetzt, welch derbes Endprodukt für viel Geld der Generalunternehmer PORR - Alpine Mayreder ablieferte: „Da man nicht bereit war, hierfür substantiell in Vorleistung zu gehen um eine entsprechende Qualität zu erreichen, sehen wir nun leider eine sehr grobschlächtige Ausführung, die nahezu aus rein monetären Aspekten realisiert wurde und die es verpasst, sich werbend für das Land Salzburg zur EM zu zeigen.“
Die Erscheinung des Stadions als entgleistes Baustellen-Provisorium ist eine Tragödie. Der Fußball hätte einen angemessenen, positiven Auftritt und das von einer engagierten Architekturszene getragene Salzburg einen hochwertig gestalteten Großbau verdient. Als beschränktes EURO 2008-Provisorium wäre ein Ende dieses Dramas absehbar gewesen, allerdings glaubt wohl niemand an den ursprünglich versprochenen Rückbau.
Zumindest hat der deutsche Architekt Jochen Schuster Wünsche ans Christkind: „Sollte die Entscheidung, wie es zur Zeit den Anschein hat, für einen dauerhaften Bestand der großen Lösung fallen, müssen viele Teilbereiche überarbeitet und modifiziert werden. Andernfalls wären wir für einen Rückbau.“
Der aus den Fugen geratene Koloss wird hoffentlich nicht für die Qualität des heimischen Fußballs stehen, sicher aber noch lange stehen bleiben. Spätestens im April 2006 gab Mateschitz Red Bull die Direktive aus: „Ein Rückbau wäre ein Schildbürgerstreich“. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gab am 27. November 2007 in der Anfragenbeantwortung der Grünen zwar zu, dass die Planungs- und Errichtungsges.m.b.H. im September 2005 den Rückbau beschlossen hatte, ergänzte aber: „Durch den Einstieg von Red Bull hat sich die Ausgangslage völlig verändert. Bei einem Rückbau nach der EURO 2008 würde sich der Verein mittelfristig aus dem Stadion zurückziehen und (möglicherweise ins Ausland) abwandern.“ Wäre das ein Drama? Die Österreicher, die für Red Bull Salzburg spielen dürften, wären wohl genauso Exoten wie jetzt im Inland.
Aktuell steht die Entscheidung an, ob die „Nachwuchsakademie“ von Red Bull im Landschaftsschutzgebiet von Liefering im Bereich der alten Trabrennbahn gebaut werden kann. Ob in der Stadt ebenfalls Investorenhörigkeit entscheidet oder ein moderierter Prozess, der die Argumente pro und contra sorgfältig und unabhängig abwägt, ist noch offen.
[ Erschienen in: www.drehpunktkultur.at/txt08-06/0509.html ]
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