Bauwerk

Tennishalle
Petr Pelcák, Petr Hruša - Litomišl (CZ) - 1999
Tennishalle, Foto: Walter Zschokke
Tennishalle, Foto: Walter Zschokke

So karg wie notwendig

Ein Stahl-Tragsystem, OSB-Spanplatten, Welleternit: Petr Hrusa und Petr Pelcák setzten bei ihrer Tennishalle in Litomisl, Tschechien, billigste Materialien ein. In deren Gestaltung erweisen sie sich allerdings als souveräne Fortsetzer der tschechischen Moderne.

19. August 2000 - Walter Zschokke
Das tschechische Städtchen Litomisl verfügt über einen beachtlichen historischen Stadtkern mit einem weiträumigen Hauptplatz. Kulturbeflissenen ist der Name vielleicht bekannt als Geburtsort des Komponisten Bedrich Smetana, dessen Denkmal das Zentrum ziert. Oder man kennt Litomisl einfach als eine der zahlreichen liebenswürdigen Kleinstädte, die zu besuchen sich immer lohnt, weil sich dort manches erhalten hat und somit nachvollziehbar bleibt, was in größeren Städten vom Zeitenlauf überfahren oder weggefegt wurde. Im Guten wie im Schlechten atmen sie Geschichtlichkeit des Alltags, von Handwerkern und Kaufleuten, von Bürgerstolz und -sturheit, Aufstieg und Niedergang.

Nun hat Litomisl heute das Glück, von initiativen und kulturbewußten Leuten regiert zu werden, die um den Wert des Stadtbildes wissen, für die aber die Geschichte nicht im 19. Jahrhundert stehengeblieben ist. Was heute neu entsteht, soll daher zeitgenössische Züge tragen, was an Hand einer 1999 fertiggestellten Tennishalle eindrücklich bewiesen wird.
Die Sportanlagen befinden sich etwas außerhalb der Stadt im Zuge eines flachen Bachtälchens, das von Birken und verschiedenerlei Pappeln gesäumt wird. Kleingärten verleihen der südexponierten Talflanke ein spezifisches Flair, an der gegenüberliegenden Seite zieht sich ein beliebter Spazierweg an der Geländeschulter hin, und im Talgrund reiht sich ein halbes Dutzend Tennisplätze dem Bachlauf entlang, die vom Weg her gut einsehbar sind.

Ein Mehrzweckgebäude mit einer Übungshalle für Tennis, drei Squash-Courts, ausreichend Garderoben, der Platzwartwohnung und einem kleinen Restaurant sollte dazukommen. Kosten durfte es nicht viel, da die Einbauelemente der Squash-Anlage komplett aus den USA importiert werden mußten, was in einem ostmitteleuropäischen Reformland eine extrem hohe ökonomische Barriere bedeutet.

Die beiden Brünner Architekten Petr Hrusa und Petr Pelcák gewannen das Auswahlverfahren mit dem Entwurf für einen einzigen Baukörper, den sie in Talrichtung auf die Geländekante setzten, die Niveaudifferenz mit zwei Zugängen nützend. Gut drei Fünftel des Baukörpers beansprucht die Tennishalle, den Rest teilen sich im Untergeschoß Garderoben und Clubräume, im Hauptgeschoß Squash-Courts und Restaurant sowie - im Obergeschoß über dem Restaurant - die Wohnung für den Platzwart mit Familie.

Ein flaches Satteldach aus Welleternit deckt den langen Baukörper, dessen Nordfassade über das Tal hinweg die Aufteilung vermittelt: ein langes, tiefliegendes Bandfenster vor der Tennishalle und, etwas kürzer, eines vor dem Restaurant, mit großen Schiebeelementen, sommers zu öffnen, sodaß der Schankraum zur Loggia wird und Aussicht auf die Tennisfelder bietet.

Kostengünstig bauen heißt, beim in großen Flächen erforderlichen Material das billigste in einfachster Verarbeitung zu wählen. Die Außenhaut besteht aus zementgebundenen Spanplatten ohne Anstrich. Innen wurden OSB- Spanplatten verwendet, deren große Späne ein typisches Muster erzeugen. Für das Tragsystem wurde eine Standard-Stahlkonstruktion aus dem Industriehallenbau gewählt. Damit war die Stimmung bereits weitgehend vorgegeben. Das eher ärmlich wirkende Material drohte jeden gestalterischen Anspruch zu unterlaufen.

Die Strategie der Architekten zielte auf Sorgfalt: Sorgfalt in den Proportionen, Sorgfalt in den Details und Sorgfalt bei der Gestaltung der Öffnungen. Mit großen, längsrechteckigen Tafeln wird die Fassade strukturiert. In die horizontalen Fugen eingesetzte Eichenholzleisten betonen die lagerhafte Ruhe der Fassade, die Tafelgröße liegt zwischen kleinteilig und großflächig, das heißt zwischen texturiell und atektonisch. Mit der Zwischengröße gelingt es, im Verhältnis vom Teil „Platte“ zum Ganzen „Hallenbau“ eine Proportion zu finden, die Monumentalität anklingen läßt. Dies reicht aus der Distanz prinzipiell aus, das Bauwerk als „Architektur“ anzukündigen.

Die Öffnungen sind der Plattenordnung unterworfen. Damit erhält letztere, trotz des extrem preiswerten Materials, mehr formales Gewicht. Die differenzierte Behandlung der Öffnungen - fassadenbündig in Metallkonstruktion für die großen Fenster, tiefliegend in Holzkonstruktion für die kleinen sowie leicht vorstehend in Metallbau für den Haupteingang - ergibt ein weiteres qualitatives Gegengewicht zum Material.

S orgfältig durchdachte Details bis hin zur Wahl der Schrift beim Eingang verleihen dem Bauwerk auch aus der Nähe betrachtet jene Qualität, die im Gesamtkontext zu angemessenem kulturellem Gewicht verhilft. Denn man soll nicht vergessen, es ist eine Sporthalle, keine Kirche, aber auch keine Industriehalle.

Im Inneren setzt sich das Prinzip Aufwertung mit einfachsten Mitteln fort. Sei dies die gelungene Kunst am Bau durch einen Maler, der im Gang die Wände mit einem fröhlich-frischen Muster versah. Oder seien dies die Möbel im Restaurant, wo speziell entworfene, gewichtige Tische mit klug ausgewähltem Standardmobiliar jene Mischung bilden, die sich klar von einem Kantinenklima unterscheidet. Die große Halle ist bestimmt von der Wirkung der OSB-Platten, deren gelbbrauner Holzton die Alterung vorwegzunehmen scheint. Das Gefüge der sichtbaren, rot gestrichenen Stahlkonstruktion und die akustisch wirksamen, einfachen Lat- tenroste an den Stirnseiten relativieren die Gefahr nostalgischer Fünfziger-Jahre-Verklärung.

Mit ihrer Tennishalle in Litomisl gelang Petr Hrusa und Petr Pelcák ein Bauwerk, das sich von jenen Investorenkubaturen unterscheidet, die in vielen Fällen das Bild neuer Bauten in den tschechischen Städten prägt. Sie demonstrieren die Souveränität bewußten Architektenhandwerks über die materiellen Bedingungen und setzen die Tradition der entwickelten Moderne fort, die sich in der Tschechoslowakei bis 1938 auszubreiten vermochte. Nach der jahrzehntelangen, für die Architektur lähmenden Phase kollektivistischen Ungeists finden sich mittlerweile nicht nur vereinzelte Bauwerke von ansprechender Qualität, wie ein Blick in die aktuelle Prager Architekturzeitschrift „Architekt“ bestätigt.
Auch wenn es vorerst eher kleinere Umbauten und Einfamilienhäuser sein mögen - so hat es andernorts mit der Wiedererweckung der Architekturkultur auch angefangen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur