Bauwerk
Garten der Erinnerung
Dani Karavan - Duisburg (D)
Weisse Erinnerung auf grünem Grund
Die klare, geometrische Formensprache des israelischen Künstlers Dani Karavan wird gerne mit dem Kunstverständnis der Renaissance verglichen. Strahlend weisse Betonskulpturen, meist in Form wohlproportionierter platonischer Körper, eindrucksvoll im Kontext von Stadt und Landschaft in Szene gesetzt, haben dem fast 70-jährigen Bildhauer zu internationalem Ansehen verholfen.
1. Juli 2000 - Udo Weilacher
Am Duisburger Innenhafen sucht man Karavans künstlerische Handschrift vergeblich. Dort verwandelte er die Reste banaler Büro- und Lagerhausbauten in eine skulpturale Landschaft aus Natur- und Architekturelementen, in einen «Garten der Erinnerung», der den konventionellen Vorstellungen von einem Park auf den ersten Blick völlig widerspricht. «Es ist richtig, dass die Gebäude im Grossen und Ganzen keinen besonderen architektonischen Wert haben, aber sie sind von einer gewissen Schönheit und enthalten architektonische Elemente wie Säulen, Wände, Eingänge, Türen und Treppen, die, wenn freigelegt und so vom praktischen Aspekt abgegrenzt, eine neue Bedeutung und emotionsgeladene, plastische und ästhetische Werte gewinnen», erklärt der Künstler.
Mit der Strukturkrise des Ruhrgebietes in den achtziger Jahren geriet auch der grösste Binnenhafen Europas in einen unaufhaltsamen Abwärtstrend. Zahlreiche Unternehmen wanderten aus dem Duisburger Innenhafen ab, und es stellte sich
wie überall im Pott die Frage nach der künftigen Nutzung des 89 Hektaren grossen, citynahen Areals. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, die 1999 zu Ende ging, sollte der einstige Getreideumschlagplatz mitsamt seiner Infrastruktur in einen multifunktionalen Dienstleistungspark umgewandelt werden. Ein Stadtpark war als grünes Herzstück geplant. Nach der Erstellung eines Masterplanes sowie umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten an erhaltenswerten Speichern, Mühlen, Lagergebäuden durch renommierte Architekten wie Sir Norman Foster und Herzog & de Meuron avancierte das Hafengebiet in kürzester Zeit zur begehrten Firmen- und Wohnadresse und zu einem beliebten Ort für Kunst, Kultur und Freizeit.
Zvi Heckers neues jüdisches Gemeindezentrum, ein bemerkenswertes Exempel expressiver Sakralarchitektur, bildet den identitätsstiftenden Kern in Karavans «Garten der Erinnerung» und ist in der physischen und metaphysischen Struktur des Ortes fest verankert. Fast scheint es, als habe Dani Karavan angesichts der tonangebenden skulpturalen Architektur in Form eines aufgeschlagenen Buches darauf verzichtet, seine klassischen Betonskulpturen der Stadtlandschaft
hinzuzufügen. Das allein reicht aber als Begründung für die ungewöhnliche Strategie des Künstlers nicht aus. Vielmehr ging es ihm darum, auf der Erinnerung an Gewesenes etwas Neues zu errichten und sein Werk am spezifischen Ort inhaltlich und formal zu verwurzeln.
Alle Elemente im Park, mit Ausnahme der neu gepflanzten Bäume, die frei verteilt gesetzt wurden, richten sich daher nach den Grundrisslinien abgerissener Bauten oder reagieren auf die gefächerte Grundkonfiguration des jüdischen Gemeindezentrums. In weissen Betonbändern und niedrigen Stützmauern zeichnete Karavan die Umrisse ehemaliger Gebäude nach und schnitt in dieses Liniensystem Verbindungswege ein, deren Bodenbeläge in einigen Fällen aus vorgefundenem Abbruchmaterial hergestellt wurden. Zwei isolierte Treppentürme, die mit ihren abgespreizten Armierungseisen scheinbar noch immer die Verbindung zu ihren abgerissenen Anschlussbauten suchen, verfremdete er bis
zur Grenze des Grotesken, indem er sie weiss kalken liess und auf einem der Türme - man denkt unwillkürlich an den mittelalterlichen «Torre Guinigi» in Lucca - eine Kiefer pflanzte.
Bekannte Bilder überlagern sich im Kopf. Die Fragmente eines stählernen Fachwerksystems ragen wie filigrane weisse Antennen aus der Wiesenfläche und deuten die ehemalige räumliche Dimension einer Halle an, während am Ufer des Hafenbeckens die weiss gestrichene Betonrahmenkonstruktion einer Lagerhalle samt Oberlichter stehenblieb und im Inneren mit Robinien bepflanzt wurde. Davor liegen drei Getreidefelder als historischer Querverweis. Das surrealistisch anmutende Ensemble aus weissen Architekturfragmenten auf grünem Teppich wird nach einem Konzept von Uwe Belzner und Stefan Hofmann nachts effektvoll illuminiert.
Mit drei gesonderten Elementen ergänzte Karavan die bizarre Szenerie: Eine künstliche, in weissen Beton gefasste Rasenwelle, ein Steingarten als Trockenbiotop aus grossen Betonbrocken mit bizarrem «Bewuchs» aus Armierungseisen und eine grosse Industriewaage, die podestartig das Zentrum des Parks akzentuiert. Die Parkbesucher werden von dem rostigen Industrie-Relikt geradezu magisch angezogen und dazu verlockt, auf die Waage zu steigen. Hier manifestiert sich die Geschichte des Ortes besonders deutlich, und es drängt sich jene Frage auf, die dem ganzen Park zugrunde liegt: die
Grundsatzfrage nach dem rechten Mass, der Gewichtung, der Bewertung von Geschichte und Erinnerung, Unrecht und Gerechtigkeit.
«Meine Arbeiten entstehen in der Regel, um von Menschen benutzt zu werden. Ohne Menschen existiert meine Kunst nicht. Meine Arbeiten sind nicht zum Betrachten, sondern zum Erleben da.» In einer degradierten Industrieregion, die den Aufbruch in die Zukunft wagt und den Umgang mit scheinbar wertlosen Zeugnissen der jüngsten Geschichte erlernt, wirft der Künstler mit seiner aussergewöhnlichen Parkskulptur viele Fragen auf, die erst mit der Zeit befriedigend beantwortet werden können.
Mit der Strukturkrise des Ruhrgebietes in den achtziger Jahren geriet auch der grösste Binnenhafen Europas in einen unaufhaltsamen Abwärtstrend. Zahlreiche Unternehmen wanderten aus dem Duisburger Innenhafen ab, und es stellte sich
wie überall im Pott die Frage nach der künftigen Nutzung des 89 Hektaren grossen, citynahen Areals. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, die 1999 zu Ende ging, sollte der einstige Getreideumschlagplatz mitsamt seiner Infrastruktur in einen multifunktionalen Dienstleistungspark umgewandelt werden. Ein Stadtpark war als grünes Herzstück geplant. Nach der Erstellung eines Masterplanes sowie umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten an erhaltenswerten Speichern, Mühlen, Lagergebäuden durch renommierte Architekten wie Sir Norman Foster und Herzog & de Meuron avancierte das Hafengebiet in kürzester Zeit zur begehrten Firmen- und Wohnadresse und zu einem beliebten Ort für Kunst, Kultur und Freizeit.
Zvi Heckers neues jüdisches Gemeindezentrum, ein bemerkenswertes Exempel expressiver Sakralarchitektur, bildet den identitätsstiftenden Kern in Karavans «Garten der Erinnerung» und ist in der physischen und metaphysischen Struktur des Ortes fest verankert. Fast scheint es, als habe Dani Karavan angesichts der tonangebenden skulpturalen Architektur in Form eines aufgeschlagenen Buches darauf verzichtet, seine klassischen Betonskulpturen der Stadtlandschaft
hinzuzufügen. Das allein reicht aber als Begründung für die ungewöhnliche Strategie des Künstlers nicht aus. Vielmehr ging es ihm darum, auf der Erinnerung an Gewesenes etwas Neues zu errichten und sein Werk am spezifischen Ort inhaltlich und formal zu verwurzeln.
Alle Elemente im Park, mit Ausnahme der neu gepflanzten Bäume, die frei verteilt gesetzt wurden, richten sich daher nach den Grundrisslinien abgerissener Bauten oder reagieren auf die gefächerte Grundkonfiguration des jüdischen Gemeindezentrums. In weissen Betonbändern und niedrigen Stützmauern zeichnete Karavan die Umrisse ehemaliger Gebäude nach und schnitt in dieses Liniensystem Verbindungswege ein, deren Bodenbeläge in einigen Fällen aus vorgefundenem Abbruchmaterial hergestellt wurden. Zwei isolierte Treppentürme, die mit ihren abgespreizten Armierungseisen scheinbar noch immer die Verbindung zu ihren abgerissenen Anschlussbauten suchen, verfremdete er bis
zur Grenze des Grotesken, indem er sie weiss kalken liess und auf einem der Türme - man denkt unwillkürlich an den mittelalterlichen «Torre Guinigi» in Lucca - eine Kiefer pflanzte.
Bekannte Bilder überlagern sich im Kopf. Die Fragmente eines stählernen Fachwerksystems ragen wie filigrane weisse Antennen aus der Wiesenfläche und deuten die ehemalige räumliche Dimension einer Halle an, während am Ufer des Hafenbeckens die weiss gestrichene Betonrahmenkonstruktion einer Lagerhalle samt Oberlichter stehenblieb und im Inneren mit Robinien bepflanzt wurde. Davor liegen drei Getreidefelder als historischer Querverweis. Das surrealistisch anmutende Ensemble aus weissen Architekturfragmenten auf grünem Teppich wird nach einem Konzept von Uwe Belzner und Stefan Hofmann nachts effektvoll illuminiert.
Mit drei gesonderten Elementen ergänzte Karavan die bizarre Szenerie: Eine künstliche, in weissen Beton gefasste Rasenwelle, ein Steingarten als Trockenbiotop aus grossen Betonbrocken mit bizarrem «Bewuchs» aus Armierungseisen und eine grosse Industriewaage, die podestartig das Zentrum des Parks akzentuiert. Die Parkbesucher werden von dem rostigen Industrie-Relikt geradezu magisch angezogen und dazu verlockt, auf die Waage zu steigen. Hier manifestiert sich die Geschichte des Ortes besonders deutlich, und es drängt sich jene Frage auf, die dem ganzen Park zugrunde liegt: die
Grundsatzfrage nach dem rechten Mass, der Gewichtung, der Bewertung von Geschichte und Erinnerung, Unrecht und Gerechtigkeit.
«Meine Arbeiten entstehen in der Regel, um von Menschen benutzt zu werden. Ohne Menschen existiert meine Kunst nicht. Meine Arbeiten sind nicht zum Betrachten, sondern zum Erleben da.» In einer degradierten Industrieregion, die den Aufbruch in die Zukunft wagt und den Umgang mit scheinbar wertlosen Zeugnissen der jüngsten Geschichte erlernt, wirft der Künstler mit seiner aussergewöhnlichen Parkskulptur viele Fragen auf, die erst mit der Zeit befriedigend beantwortet werden können.
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