Bauwerk
Park Corderie Royale
Bernard Lassus - Rochefort-sur-Mer (F)
Seeschlacht im Heckenlabyrinth
1. Mai 2000 - Udo Weilacher
Wer glaubt, die wesentliche Aufgabe eines Landschaftsarchitekten sei es, für grüne Freiraumdekoration zu sorgen, den belehrt der Pariser Professor und Landschaftsarchitekt Bernard Lassus eines Besseren. In Rochefort-sur-Mer wurde er als Künstler, Konservator, Archäologe, Botaniker und Gärtner tätig, um die Corderie Royale, das wichtigste Industriebauwerk des einst florierenden Marine- und Handelsstützpunktes, aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Sein Ziel war es, die Bedeutung des Ortes wieder spürbar zu machen, statt sie ihm aufzupfropfen, und einen aktuellen, bedeutungsvollen «Jardin des Retours» zu schaffen.
Die Planstadt Rochefort war 1666 zu einer Zeit entstanden, als Frankreich mit England um die Seeherrschaft und die Macht über die Neue Welt rang. Jean-Baptiste Colbert, einer der fähigsten Minister Ludwigs XIV., liess das Marinearsenal aus strategischem Kalkül nicht an der Atlantikküste, sondern 16 Kilometer landeinwärts an der Charente anlegen und sicherte die Rasterstadt mit einem Festungsgürtel. Vor den Festungsmauern am Flussufer befanden sich Hafenanlagen und Docks, wo berühmte Schiffe vom Stapel liefen, die nicht nur kriegerische Geschichte machten. Auch für Naturforscher und Kaufleute begann in Rochefort die Reise ins Ungewisse.
1711 kehrte Roland-Michel de la Galissonière von seiner Amerikareise zurück und importierte die ersten Samen einer grossblütigen Magnolie, die zu seinen Ehren magnolia grandiflora galissoniensis heisst. Der junge Marquis und spätere Admiral setzte damit eine Tradition fort, die mit der Stadt Rochefort und dem Namen seines Grossvaters, Michel Bégon, eng verbunden war. Bégon war einflussreicher Politiker und begeisterter Botaniker. Auch er hatte einer neu entdeckten tropischen Pflanze, der Begonie, seinen Namen verliehen. Sie zählte schon bald zu den beliebtesten Zier- und Zimmerpflanzen der Welt, und heute befindet sich in Rochefort eine der wichtigsten Begoniensammlungen Europas: die Sammlung Millérioux.
Michel Bégon war einer der namhaften Köpfe der Corderie Royale. In dem 400 Meter langen, barocken Industriebauwerk wurden Taue für die Takelage der Segelschiffe hergestellt. Hinter der Corderie befand sich der grosse «Jardin de Marine», in dem sich neuentdeckte Pflanzen akklimatisieren konnten. Nach der Stilllegung des Arsenals im Jahr 1926 und Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg versank die Corderie Royale allmählich im grünen Dickicht und verschwand aus dem allgemeinen Bewusstsein. Erst 1974 besann man sich auf das kulturelle Erbe der Stadt und begann mit der Restaurierung und Umnutzung des Gebäudeensembles. 1982 gewannen Bernard Lassus und sein Team den Wettbewerb zur Gestaltung des Areals der Corderie. Lassus' Gestaltungsansatz für den weitläufigen Uferpark basierte auf der behutsamen Freilegung
vorhandener Substanz und deren Verknüpfung mit der Gegenwart.
Ein Augenmerk des Landschaftsarchitekten galt dem Zugang zur Corderie Royale. Im Laufe der Zeit war in Vergessenheit geraten, dass die Hauptfassade des Bauwerkes nicht der Stadt, sondern dem Fluss zugewandt war. Deshalb liess Lassus breite Sichtschneisen in den uferseitigen Gehölzsaum schlagen und die beiden Trockendocks von Bewuchs und Schlamm befreien. Auch verzichtete man darauf, den Zugang zur Corderie stadtseits geradlinig auf den Bau zu zu führen, weil damit die wahre Bedeutung der Rückfassade verunklärt worden wäre. Statt dessen gelangt man heute über eine 140 Meter lange, mit Tulpenbäumen bepflanzte Rampe von der höher gelegenen Terrasse des Jardin de Bégon parallel zum Gebäude hinunter zum Jardin de Galissonière, der von einer Reihe exotisch wirkender Chamaerops-Fächerpalmen akzentuiert wird. Beide Baumarten zählen zur Gruppe der Pflanzen, deren Einfuhr für die mitteleuropäische Kulturgeschichte so wichtig war wie die siegreich heimkehrenden Kriegsschiffe.
Die Schiffe finden sich im «Labyrinth des Batailles Navales» wieder. Auch hier verknüpft Lassus ein klassisches Element der Gartenkunst, ein Heckenlabyrinth, mit heutiger Technologie und schafft damit einen spielerischen Zugang zur Geschichte. In der kunstvoll geschnittenen Heckenlandschaft, die das wogende Meer darstellt, begegnet der Besucher den Modellen berühmter Kriegsschiffe. Mit einem Cyberhelm ausgerüstet, soll man sogar virtuelle historische Seeschlachten schlagen können. Nach dem virtuellen Gefecht gelangt man zu den beiden südlichen Docks, die von weitem mit einer Sammlung historischer Flaggen markiert werden. Bernard Lassus liess nach eingehenden Recherchen alle Flaggen des 18. Jahrhunderts originalgetreu nachbilden.
Auch im Takelagen-Park, etwas oberhalb am Fluss gelegen, begegnet man nicht nur der Kunst des Tauwerkes, sondern auch historischen Flaggen und den Betonnachbildungen jener Körbe, in denen die Pflanzen einst aus Übersee vor Wind und Wetter geschützt nach Frankreich verschifft wurden. In einem der Docks wurde die mit zwölf Kanonen bestückte Fregatte «Hermione» im Originalmassstab nachgebaut. An Bord des Schiffes, das auch an der legendären Seeschlacht von Chesapeake Bay teilnahm, gelangte der Marquis de La Fayette 1780 nach Amerika, um den Unabhängigkeitskampf der neuen Nation zu unterstützen.
Hat man einen von Geschichte durchtränkten Ort erst einmal wieder freigelegt, ist es schwierig, ihn nicht mit zu vielen Reminiszenzen zu überladen. Bernard Lassus war in Rochefort um die richtige Balance bemüht. Auf weiten Rasenflächen und entlang des Uferweges entspannt man sich von der Fracht historischer Substanz, lässt den Fluss an sich vorbeiströmen und schickt die Gedanken auf ferne Reisen.
Die Planstadt Rochefort war 1666 zu einer Zeit entstanden, als Frankreich mit England um die Seeherrschaft und die Macht über die Neue Welt rang. Jean-Baptiste Colbert, einer der fähigsten Minister Ludwigs XIV., liess das Marinearsenal aus strategischem Kalkül nicht an der Atlantikküste, sondern 16 Kilometer landeinwärts an der Charente anlegen und sicherte die Rasterstadt mit einem Festungsgürtel. Vor den Festungsmauern am Flussufer befanden sich Hafenanlagen und Docks, wo berühmte Schiffe vom Stapel liefen, die nicht nur kriegerische Geschichte machten. Auch für Naturforscher und Kaufleute begann in Rochefort die Reise ins Ungewisse.
1711 kehrte Roland-Michel de la Galissonière von seiner Amerikareise zurück und importierte die ersten Samen einer grossblütigen Magnolie, die zu seinen Ehren magnolia grandiflora galissoniensis heisst. Der junge Marquis und spätere Admiral setzte damit eine Tradition fort, die mit der Stadt Rochefort und dem Namen seines Grossvaters, Michel Bégon, eng verbunden war. Bégon war einflussreicher Politiker und begeisterter Botaniker. Auch er hatte einer neu entdeckten tropischen Pflanze, der Begonie, seinen Namen verliehen. Sie zählte schon bald zu den beliebtesten Zier- und Zimmerpflanzen der Welt, und heute befindet sich in Rochefort eine der wichtigsten Begoniensammlungen Europas: die Sammlung Millérioux.
Michel Bégon war einer der namhaften Köpfe der Corderie Royale. In dem 400 Meter langen, barocken Industriebauwerk wurden Taue für die Takelage der Segelschiffe hergestellt. Hinter der Corderie befand sich der grosse «Jardin de Marine», in dem sich neuentdeckte Pflanzen akklimatisieren konnten. Nach der Stilllegung des Arsenals im Jahr 1926 und Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg versank die Corderie Royale allmählich im grünen Dickicht und verschwand aus dem allgemeinen Bewusstsein. Erst 1974 besann man sich auf das kulturelle Erbe der Stadt und begann mit der Restaurierung und Umnutzung des Gebäudeensembles. 1982 gewannen Bernard Lassus und sein Team den Wettbewerb zur Gestaltung des Areals der Corderie. Lassus' Gestaltungsansatz für den weitläufigen Uferpark basierte auf der behutsamen Freilegung
vorhandener Substanz und deren Verknüpfung mit der Gegenwart.
Ein Augenmerk des Landschaftsarchitekten galt dem Zugang zur Corderie Royale. Im Laufe der Zeit war in Vergessenheit geraten, dass die Hauptfassade des Bauwerkes nicht der Stadt, sondern dem Fluss zugewandt war. Deshalb liess Lassus breite Sichtschneisen in den uferseitigen Gehölzsaum schlagen und die beiden Trockendocks von Bewuchs und Schlamm befreien. Auch verzichtete man darauf, den Zugang zur Corderie stadtseits geradlinig auf den Bau zu zu führen, weil damit die wahre Bedeutung der Rückfassade verunklärt worden wäre. Statt dessen gelangt man heute über eine 140 Meter lange, mit Tulpenbäumen bepflanzte Rampe von der höher gelegenen Terrasse des Jardin de Bégon parallel zum Gebäude hinunter zum Jardin de Galissonière, der von einer Reihe exotisch wirkender Chamaerops-Fächerpalmen akzentuiert wird. Beide Baumarten zählen zur Gruppe der Pflanzen, deren Einfuhr für die mitteleuropäische Kulturgeschichte so wichtig war wie die siegreich heimkehrenden Kriegsschiffe.
Die Schiffe finden sich im «Labyrinth des Batailles Navales» wieder. Auch hier verknüpft Lassus ein klassisches Element der Gartenkunst, ein Heckenlabyrinth, mit heutiger Technologie und schafft damit einen spielerischen Zugang zur Geschichte. In der kunstvoll geschnittenen Heckenlandschaft, die das wogende Meer darstellt, begegnet der Besucher den Modellen berühmter Kriegsschiffe. Mit einem Cyberhelm ausgerüstet, soll man sogar virtuelle historische Seeschlachten schlagen können. Nach dem virtuellen Gefecht gelangt man zu den beiden südlichen Docks, die von weitem mit einer Sammlung historischer Flaggen markiert werden. Bernard Lassus liess nach eingehenden Recherchen alle Flaggen des 18. Jahrhunderts originalgetreu nachbilden.
Auch im Takelagen-Park, etwas oberhalb am Fluss gelegen, begegnet man nicht nur der Kunst des Tauwerkes, sondern auch historischen Flaggen und den Betonnachbildungen jener Körbe, in denen die Pflanzen einst aus Übersee vor Wind und Wetter geschützt nach Frankreich verschifft wurden. In einem der Docks wurde die mit zwölf Kanonen bestückte Fregatte «Hermione» im Originalmassstab nachgebaut. An Bord des Schiffes, das auch an der legendären Seeschlacht von Chesapeake Bay teilnahm, gelangte der Marquis de La Fayette 1780 nach Amerika, um den Unabhängigkeitskampf der neuen Nation zu unterstützen.
Hat man einen von Geschichte durchtränkten Ort erst einmal wieder freigelegt, ist es schwierig, ihn nicht mit zu vielen Reminiszenzen zu überladen. Bernard Lassus war in Rochefort um die richtige Balance bemüht. Auf weiten Rasenflächen und entlang des Uferweges entspannt man sich von der Fracht historischer Substanz, lässt den Fluss an sich vorbeiströmen und schickt die Gedanken auf ferne Reisen.
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