Bauwerk
Haus S
Bottega + Ehrhardt Architekten - Ludwigsburg (D) - 2002
Zimmer ohne Aussicht
Ein Wohnhaus von Bottega und Ehrhardt in Ludwigsburg
6. Februar 2004 - Johann Christoph Reidemeister
Zur Strasse hin steht das Haus da wie eine Festung. Nur einen Fensterschlitz gibt es in der Fassade. Man glaubt, das Bauwerk habe sich hinter meterdicken Mauern verschanzt. Die Konzentration auf das Innere ist Programm. So ist eine Gebäudeform entstanden, die sich gegenüber der Umgebung abschottet. Viel gibt es dort auch nicht, worauf das Haus sich beziehen könnte. Die eher banalen Einfamilienhäuser am Hang, das Bahntrassee, das die Züge ins nahe Stuttgart lenkt, die Ausfallstrasse: Sie alle wirken wie Symbole, die auf einen Alltag verweisen, der woanders stattfindet. Was für ein Haus baut man in einem solchen Wohnquartier? Kann man hier überhaupt ein qualitätvolles Haus bauen? Was die beiden 36 und 37 Jahre alten Architekten Giorgio Bottega und Henning Ehrhardt mit ihrem «Haus S» in Ludwigsburg errichtet haben, ist ein gepanzerter Unterstand gegen die Tristesse der Vorstadt und gleichzeitig ein Haus, das seine Unmöglichkeit signalisiert. Wie eine Persiflage auf die biederen Satteldachhäuser der Umgebung steht es da. Was aussieht, als hätte man ein normales Haus mit Beton übergossen, ist eine Absage an das schwäbische Häuslebaueridyll.
Der Flucht vor der Banalität des Alltags wurde hier architektonische Form verliehen. Solche Fluchtbewegungen sind in der Gegenwartsarchitektur keine Seltenheit, wie das Beispiel des Japaners Tadao Ando zeigt. Seine Bauwerke sind Schalen, die sich schützend um den Grossstadtmenschen legen, puristische Betonquader auch, welche sich nur zum Innenhof öffnen und so ganz auf sich selbst bezogen bleiben. Doch während sich Andos stille Häuser von der Hektik der Grossstadt abwenden, kehrt das Wohnhaus von Bottega und Ehrhardt der Leere der Vorstadt den Rücken zu. Seine ungewöhnliche, fast schon spektakuläre Form verdankt das «Haus S» einem Zusammenprall mit den behördlichen Vorgaben: Die Stadt bestand auf einem Giebel, während der Bauherr sich ein Flachdach wünschte. Zwei Jahre dauerte der Streit, dann fanden die Architekten eine Lösung. Sie bauten ein Haus, bei dem Fassade und das vorgeschriebene Giebeldach mit dem gleichen körnigen Putz überzogen wurden, wodurch das Dach kaum mehr als solches in Erscheinung tritt.
Selbstverständlich handelt es sich beim Haus in Ludwigsburg um eine Ehrbezeugung an das Haus Rudin von Herzog & de Meuron in Leymen und an das Mehrfamilienhaus in Unterägeri der Zürcher Architekten Giuliani & Hönger. Eine Premiere im eigentlichen Sinne ist das «Haus S» also nicht. Bottega und Ehrhardt sehen sich zwar als Vertreter einer eher puristischen Architektur. Dennoch haben sie sich dem kantigen Minimalismus nicht uneingeschränkt verschrieben. So wird das massige Bauvolumen des «Hauses S» im Eingangsbereich gefährlich untergraben, und sein Innenraum ist trotz dem glänzenden Boden aus Epoxidharz und der Sichtbetontreppe, die wie eine Nadel in den Raum sticht, kein langweiliger Laufsteg der Leidenschaftslosigkeit, sondern ein Raumexperiment, das durch Offenheit überzeugt, aber auch Rückzugsmöglichkeiten bereithält.
Mit ihrem gelungenen Entwurf für das Wohnen in der Gegenwart gehören Bottega und Ehrhardt zu den wenigen Jungarchitekten in Deutschland, die ein Bauwerk vorweisen können, das auch im Ausland beachtet wird. Ihr Erfolgsrezept war der Mut, dort Nein zu sagen, wo es sein musste. Bei vielen Bauaufgaben des Stuttgarter Architektenduos hat das Wirkung gezeigt. Ihr erster Auftraggeber, von dem sie den Auftrag bekommen hatten, eine Erweiterung zu konzipieren, meldete sich monatelang nicht, nachdem ihm die Neulinge den Abriss seines Hauses vorgeschlagen hatten. Nur einen hübschen Anbau wollten sie nicht machen. Doch ihre Pläne für ein komplett neues Haus gingen dem Bauherrn nicht mehr aus dem Sinn. Irgendwann kam dann von ihm der Anruf, der für Bottega und Ehrhardt den Start in die eigene Karriere bedeutete: Ob sie nicht ein Restaurant gestalten wollten, wurden sie gefragt. Ehrhardt meint, dass man sich eben Respekt verschaffe, wenn man sich nicht um jeden Preis verkaufe. «Mit uns gibt es nur Radikallösungen» - dieser Satz von Bottega und Ehrhardt markiert einen Anspruch, der sich im «Haus S» eindrucksvoll materialisiert hat.
Der Flucht vor der Banalität des Alltags wurde hier architektonische Form verliehen. Solche Fluchtbewegungen sind in der Gegenwartsarchitektur keine Seltenheit, wie das Beispiel des Japaners Tadao Ando zeigt. Seine Bauwerke sind Schalen, die sich schützend um den Grossstadtmenschen legen, puristische Betonquader auch, welche sich nur zum Innenhof öffnen und so ganz auf sich selbst bezogen bleiben. Doch während sich Andos stille Häuser von der Hektik der Grossstadt abwenden, kehrt das Wohnhaus von Bottega und Ehrhardt der Leere der Vorstadt den Rücken zu. Seine ungewöhnliche, fast schon spektakuläre Form verdankt das «Haus S» einem Zusammenprall mit den behördlichen Vorgaben: Die Stadt bestand auf einem Giebel, während der Bauherr sich ein Flachdach wünschte. Zwei Jahre dauerte der Streit, dann fanden die Architekten eine Lösung. Sie bauten ein Haus, bei dem Fassade und das vorgeschriebene Giebeldach mit dem gleichen körnigen Putz überzogen wurden, wodurch das Dach kaum mehr als solches in Erscheinung tritt.
Selbstverständlich handelt es sich beim Haus in Ludwigsburg um eine Ehrbezeugung an das Haus Rudin von Herzog & de Meuron in Leymen und an das Mehrfamilienhaus in Unterägeri der Zürcher Architekten Giuliani & Hönger. Eine Premiere im eigentlichen Sinne ist das «Haus S» also nicht. Bottega und Ehrhardt sehen sich zwar als Vertreter einer eher puristischen Architektur. Dennoch haben sie sich dem kantigen Minimalismus nicht uneingeschränkt verschrieben. So wird das massige Bauvolumen des «Hauses S» im Eingangsbereich gefährlich untergraben, und sein Innenraum ist trotz dem glänzenden Boden aus Epoxidharz und der Sichtbetontreppe, die wie eine Nadel in den Raum sticht, kein langweiliger Laufsteg der Leidenschaftslosigkeit, sondern ein Raumexperiment, das durch Offenheit überzeugt, aber auch Rückzugsmöglichkeiten bereithält.
Mit ihrem gelungenen Entwurf für das Wohnen in der Gegenwart gehören Bottega und Ehrhardt zu den wenigen Jungarchitekten in Deutschland, die ein Bauwerk vorweisen können, das auch im Ausland beachtet wird. Ihr Erfolgsrezept war der Mut, dort Nein zu sagen, wo es sein musste. Bei vielen Bauaufgaben des Stuttgarter Architektenduos hat das Wirkung gezeigt. Ihr erster Auftraggeber, von dem sie den Auftrag bekommen hatten, eine Erweiterung zu konzipieren, meldete sich monatelang nicht, nachdem ihm die Neulinge den Abriss seines Hauses vorgeschlagen hatten. Nur einen hübschen Anbau wollten sie nicht machen. Doch ihre Pläne für ein komplett neues Haus gingen dem Bauherrn nicht mehr aus dem Sinn. Irgendwann kam dann von ihm der Anruf, der für Bottega und Ehrhardt den Start in die eigene Karriere bedeutete: Ob sie nicht ein Restaurant gestalten wollten, wurden sie gefragt. Ehrhardt meint, dass man sich eben Respekt verschaffe, wenn man sich nicht um jeden Preis verkaufe. «Mit uns gibt es nur Radikallösungen» - dieser Satz von Bottega und Ehrhardt markiert einen Anspruch, der sich im «Haus S» eindrucksvoll materialisiert hat.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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