Bauwerk
Forschungszentrum für die Akademie der Wissenschaften
Cepezed - Graz (A) - 2004
Wenn der Computer heizt
Auch wenn man hierzulande Wärmeschutz immer noch mit Masse gleichsetzt - der Leichtbau belehrt uns eines Bessern: die holländische Gruppe Cepezed und ihr Grazer Forschungszentrum für die Akademie der Wissenschaften.
21. Februar 2004 - Karin Tschavgova
Erzählen Sie einmal jemandem, dass eine Leichtwand mit 16 Zentimetern Dämmstärke, wie etwa beim Dachbodenausbau üblich, dem Wärmedurchgangswiderstand oder, anders gesagt, der Dämmwirkung einer einen Meter dicken Wand aus kleinformatigen Ziegeln entspricht. Wetten, Sie ernten höchstes Erstaunen? Wärmeschutz wird hierzulande immer noch mit Masse gleichgesetzt, und die Formel heißt: Masse, also Gewicht, schützt vor Kälte wie vor sommerlicher Überhitzung und garantiert, nebenbei, besseren Brand- und Schallschutz.
Länder wie Großbritannien oder die Niederlande haben eine andere Auffassung von Wärme- und Brandschutz. Sie lässt sich aus einer Bautradition ableiten, die vom Schiffsbau geprägt ist - dem Leichtbau. Darunter versteht man das Bauen mit tragenden Strukturen, etwa aus Stahl oder Holz, die mit nichttragenden und daher leichten Elementen ausgefacht werden. Das Entwerfen leichter Konstruktionen ist ein Arbeiten an den Grenzen, das Herantasten an das physikalisch und technisch Machbare, schreibt Werner Sobek, der Nachfolger von Frei Otto am berühmten Lehrstuhl für Leichtbau in Stuttgart. Und warum das alles? Bei Konstruktionen, die große Spannweiten überbrücken oder große Höhen erreichen, ist die Reduktion des Eigengewichts ein ökonomischer Zwang und überhaupt die Voraussetzung zur Realisierbarkeit. Bei eher alltäglichen Konstruktionen mit kleineren Abmessungen bringt Leichtbau eine Ersparnis an eingesetzter Masse und zumeist auch an eingesetzter Energie. Leichtbau ist Bauen mit vorgefertigten Elementen, also rationelle Herstellung und Montage sowie kurze Bauzeit. Im Stahlbau bedeutet er große Spannweiten für stützenfreie Nutzflächen, schlanke Stützen und frei zugängliche, adaptionsfähige Installationsführung.
Bei der Konzeption des Forschungsgebäudes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz kamen alle diese Überlegungen zum Zug. Es wurde als Ergebnis eines beschränkten Wettbewerbs vom holländischen Duo Michiel Cohen und Jan Pesman, die die Gruppe Cepezed bilden, in Delft geplant und in einer Arbeitsgemeinschaft mit ausführenden Ingenieuren in Graz realisiert.
Cepezed streben hocheffiziente und nachhaltige Lösungen an und entwickeln ihre Projekte seit langem als ganzheitlich angelegte Prozesse, in denen technologische Aspekte, ästhetische Qualität und
hoher Gebrauchswert gleichwertig nebeneinander stehen. Industrielles Bauen mit Vorfertigung und standardisierten Komponenten versteht sich dabei von selbst, ebenso der direkte, beide Seiten befruchtende Dialog mit der Bauindustrie.
Integrierte Planung bezieht nicht nur alle zu berücksichtigenden Aspekte ein, sondern auch von Anfang an die beteiligten Fachplaner. Bei diesen mussten die Architekten sowohl für ihr Innovationszentrum für Informatik in Berlin wie auch in Graz noch Überzeugungsarbeit leisten, denn ihre Philosophie zum Energiebedarf, zur Wärmebilanz und zum Brandschutz, besonders im Bürobau, ist hierzulande noch nicht Standard. Es ist eine neue Betrachtungsweise des Zusammenwirkens von Wärme, Licht, Lüftung, Dämmwerten, Sonneneinstrahlung und Nutzung. Sie hat zur Schlussfolgerung geführt, dass sich die Verhältnisse im Gesamtenergiehaushalt von Gebäuden so gravierend geändert haben, dass ein radikales Umdenken in der Planung des Heiz- und Lüftungsbedarfs notwendig ist. Die Entwicklung besserer Wärmedämmungen minimiert die Wärmeverluste und damit die benötigte Heizleistung, während sich gleichzeitig der Energieaufwand für verschiedenste andere Zwecke erhöht. Den überwiegenden Teil des Jahres übersteigt die interne Wärmeaufladung, etwa durch die Abwärme von Computern und Beleuchtung, den Heizbedarf, was bedeutet, dass sie ausreicht, um ein gut isoliertes Bürogebäude zu heizen. Schon in den Übergangszeiten und erst recht im Sommer muss man Wärme abführen. Es scheint den Architekten paradox, dass Wärme, die durch Zufuhr von Primärenergie, zum Beispiel zur Beleuchtung eines Arbeitsraums, entsteht, im Sommer wiederum mit Primärenergie zum Betrieb von Klimaanlagen weggekühlt werden muss. Herkömmliches mechanisches Kühlen soll dreimal so teuer sein wie das Beheizen von Räumen.
Cepezed wählen daher den anderen Weg, indem sie ihre Stahlleichtbauten natürlich belüften. Ihre Devise könnte lauten: Intelligenter Simple-Tech statt High-Tech. Da die Wärmeverluste minimiert werden, beschränkt sich die Energiezufuhr im Wesentlichen auf die Nutzung und ist im Winter wenig erhöht durch eine Strahlungsheizung in Form von erwärmtem Wasser in Rohren, die in der Decke geführt werden und einen Kreislauf bilden. Im Sommer wird dieser umgekehrt zum Kühlen verwendet, während jegliche Lüftung auf natürliche Art erzeugt wird, indem man das Prinzip des Kamineffekts nützt. Warme Luft kann in einer zentralen Halle frei aufsteigen und über öffenbare Lamellen entweichen. Der Nutzer, also der Mensch am Arbeitsplatz, nimmt die Steuerung anstelle hochkomplizierter Regelsysteme selbst in die Hand und fungiert als Thermostat, indem er nach Bedarf Fenster, Klappen, Türen öffnet oder schließt.
Trotz der hohen Bewertung und Integration energietechnischer Aspekte, die immer entwurfsprägend sind, ist das Forschungsgebäude in Graz keine gesichtslose Kiste geworden. Es besteht aus vier langen Gebäuderiegeln, die sich kreuzen und um ein zentrales, dreieckiges Atrium gruppieren. Sie sind einhüftig, was heißt, dass die Büros einseitig angeordnet sind, und strecken ihre Enden wie Fühler weit hinaus in die Umgebung. Die mehrgeschoßige Halle ist der Kern, ein Verknüpfungspunkt, in den die Haupterschließung mündet und alle Galerien. Das Atrium ist trotz dezenter Sachlichkeit und Kühle ein lebendiger Ort der visuellen Kommunikation, der Begegnung und der Bewegung, wenn einzelne Mitarbeiter mit Microrollern von einem Ende zum anderen sausen. Das Arbeitsklima scheint in diesem Gebäude in jedem Sinn des Wortes gut zu sein.
Kein Wunder, dass diese Philosophie des nachhaltigen Energiesparens sich ausbreitet. Nicht zuletzt hat das Energiekonzept der natürlichen Gebäudekühlung die Bauherrn der Commerzbank in Frankfurt, dem von Norman Foster geplanten höchsten Bürogebäude Europas, überzeugt - aus ökonomischen und ökologischen Gründen.
Länder wie Großbritannien oder die Niederlande haben eine andere Auffassung von Wärme- und Brandschutz. Sie lässt sich aus einer Bautradition ableiten, die vom Schiffsbau geprägt ist - dem Leichtbau. Darunter versteht man das Bauen mit tragenden Strukturen, etwa aus Stahl oder Holz, die mit nichttragenden und daher leichten Elementen ausgefacht werden. Das Entwerfen leichter Konstruktionen ist ein Arbeiten an den Grenzen, das Herantasten an das physikalisch und technisch Machbare, schreibt Werner Sobek, der Nachfolger von Frei Otto am berühmten Lehrstuhl für Leichtbau in Stuttgart. Und warum das alles? Bei Konstruktionen, die große Spannweiten überbrücken oder große Höhen erreichen, ist die Reduktion des Eigengewichts ein ökonomischer Zwang und überhaupt die Voraussetzung zur Realisierbarkeit. Bei eher alltäglichen Konstruktionen mit kleineren Abmessungen bringt Leichtbau eine Ersparnis an eingesetzter Masse und zumeist auch an eingesetzter Energie. Leichtbau ist Bauen mit vorgefertigten Elementen, also rationelle Herstellung und Montage sowie kurze Bauzeit. Im Stahlbau bedeutet er große Spannweiten für stützenfreie Nutzflächen, schlanke Stützen und frei zugängliche, adaptionsfähige Installationsführung.
Bei der Konzeption des Forschungsgebäudes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz kamen alle diese Überlegungen zum Zug. Es wurde als Ergebnis eines beschränkten Wettbewerbs vom holländischen Duo Michiel Cohen und Jan Pesman, die die Gruppe Cepezed bilden, in Delft geplant und in einer Arbeitsgemeinschaft mit ausführenden Ingenieuren in Graz realisiert.
Cepezed streben hocheffiziente und nachhaltige Lösungen an und entwickeln ihre Projekte seit langem als ganzheitlich angelegte Prozesse, in denen technologische Aspekte, ästhetische Qualität und
hoher Gebrauchswert gleichwertig nebeneinander stehen. Industrielles Bauen mit Vorfertigung und standardisierten Komponenten versteht sich dabei von selbst, ebenso der direkte, beide Seiten befruchtende Dialog mit der Bauindustrie.
Integrierte Planung bezieht nicht nur alle zu berücksichtigenden Aspekte ein, sondern auch von Anfang an die beteiligten Fachplaner. Bei diesen mussten die Architekten sowohl für ihr Innovationszentrum für Informatik in Berlin wie auch in Graz noch Überzeugungsarbeit leisten, denn ihre Philosophie zum Energiebedarf, zur Wärmebilanz und zum Brandschutz, besonders im Bürobau, ist hierzulande noch nicht Standard. Es ist eine neue Betrachtungsweise des Zusammenwirkens von Wärme, Licht, Lüftung, Dämmwerten, Sonneneinstrahlung und Nutzung. Sie hat zur Schlussfolgerung geführt, dass sich die Verhältnisse im Gesamtenergiehaushalt von Gebäuden so gravierend geändert haben, dass ein radikales Umdenken in der Planung des Heiz- und Lüftungsbedarfs notwendig ist. Die Entwicklung besserer Wärmedämmungen minimiert die Wärmeverluste und damit die benötigte Heizleistung, während sich gleichzeitig der Energieaufwand für verschiedenste andere Zwecke erhöht. Den überwiegenden Teil des Jahres übersteigt die interne Wärmeaufladung, etwa durch die Abwärme von Computern und Beleuchtung, den Heizbedarf, was bedeutet, dass sie ausreicht, um ein gut isoliertes Bürogebäude zu heizen. Schon in den Übergangszeiten und erst recht im Sommer muss man Wärme abführen. Es scheint den Architekten paradox, dass Wärme, die durch Zufuhr von Primärenergie, zum Beispiel zur Beleuchtung eines Arbeitsraums, entsteht, im Sommer wiederum mit Primärenergie zum Betrieb von Klimaanlagen weggekühlt werden muss. Herkömmliches mechanisches Kühlen soll dreimal so teuer sein wie das Beheizen von Räumen.
Cepezed wählen daher den anderen Weg, indem sie ihre Stahlleichtbauten natürlich belüften. Ihre Devise könnte lauten: Intelligenter Simple-Tech statt High-Tech. Da die Wärmeverluste minimiert werden, beschränkt sich die Energiezufuhr im Wesentlichen auf die Nutzung und ist im Winter wenig erhöht durch eine Strahlungsheizung in Form von erwärmtem Wasser in Rohren, die in der Decke geführt werden und einen Kreislauf bilden. Im Sommer wird dieser umgekehrt zum Kühlen verwendet, während jegliche Lüftung auf natürliche Art erzeugt wird, indem man das Prinzip des Kamineffekts nützt. Warme Luft kann in einer zentralen Halle frei aufsteigen und über öffenbare Lamellen entweichen. Der Nutzer, also der Mensch am Arbeitsplatz, nimmt die Steuerung anstelle hochkomplizierter Regelsysteme selbst in die Hand und fungiert als Thermostat, indem er nach Bedarf Fenster, Klappen, Türen öffnet oder schließt.
Trotz der hohen Bewertung und Integration energietechnischer Aspekte, die immer entwurfsprägend sind, ist das Forschungsgebäude in Graz keine gesichtslose Kiste geworden. Es besteht aus vier langen Gebäuderiegeln, die sich kreuzen und um ein zentrales, dreieckiges Atrium gruppieren. Sie sind einhüftig, was heißt, dass die Büros einseitig angeordnet sind, und strecken ihre Enden wie Fühler weit hinaus in die Umgebung. Die mehrgeschoßige Halle ist der Kern, ein Verknüpfungspunkt, in den die Haupterschließung mündet und alle Galerien. Das Atrium ist trotz dezenter Sachlichkeit und Kühle ein lebendiger Ort der visuellen Kommunikation, der Begegnung und der Bewegung, wenn einzelne Mitarbeiter mit Microrollern von einem Ende zum anderen sausen. Das Arbeitsklima scheint in diesem Gebäude in jedem Sinn des Wortes gut zu sein.
Kein Wunder, dass diese Philosophie des nachhaltigen Energiesparens sich ausbreitet. Nicht zuletzt hat das Energiekonzept der natürlichen Gebäudekühlung die Bauherrn der Commerzbank in Frankfurt, dem von Norman Foster geplanten höchsten Bürogebäude Europas, überzeugt - aus ökonomischen und ökologischen Gründen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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