Bauwerk

Showroom Bisazza
Fabio Novembre - Berlin (D) - 2003

Kein Stein auf dem anderen

Der italienische Architekt Fabio Novembre gestaltete in Berlin für Bisazza - Marktführer in Sachen Mosaik - einen Schauraum ohne Einrichtung, der vor allem Vergänglichkeit veranschaulichen soll

6. Februar 2004 - Verena Mayer
Eine Stadt in der Warteschleife. Man hat sich in Berlin damit abgefunden, dass aus den hochtrabenden Plänen nichts geworden ist, und kann doch nicht aufhören zu hoffen, dass noch irgendetwas nachkommt. Hauptsache, man harrt lange genug aus. Nirgendwo ist dieses Gefühl stärker zu spüren als im alten Berliner Westen, zwischen Kurfürstendamm und Savignyplatz, dort, wo sich seit den 80er-Jahren nicht einmal die Namen der Kneipen verändert haben, geschweige denn das Publikum.

Hier bildet die Kantstraße eine Achse des gelebten Stillstandes, den Anfang macht die Paris Bar mit ihren Bohemiens, die seit Jahrzehnten in die Gläser starren und vom großen Durchbruch träumen, mögen die Haare inzwischen auch grau geworden sein und die Gesichter faltig. Am anderen Ende der Kantstraße hat noch immer Zweitausendeins seine Filiale, der Lieblingsbuchversand der 68er-Bewegung, der die Vergänglichkeit seiner Visionen schon im Namen trägt.

So wundert es einen nicht, wenn man in der Kantstraße folgende Worte liest: „Wohin gehen wir?/ Nicht weit./ Doch, doch, lass uns doch weit weggehen von hier./ Wir können nicht./ Warum nicht?/ Wir müssen morgen wiederkommen./ Warum?/ Um auf Godot zu warten.“ Es ist dies der letzte Dialog zwischen Wladimir und Estragon, und diese Sätze bilden, wenngleich in der Originalsprache, das Herzstück eines neuen Showrooms des italienischen Mosaikherstellers Bisazza.

Becketts Text ist wie alles in diesem Raum aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt, die Worte sind in Weiß und Gold auf schwarzen Grund geschrieben, sie beginnen oben an einer Wand und laufen dann über Boden und Treppen hinab ins Untergeschoß. Er habe unweigerlich an „Warten auf Godot“ denken müssen, wenn er an Berlin gedacht habe, sagte der italienische Architekt Fabio Novembre, der den Showroom entworfen hat. Und so hat der Raum mehr von einer Wartehalle als von einem Geschäftslokal, das zur kostspieligen Badezimmergestaltung anregen soll.

Eine Wand geht in eine steinerne Bank über, sonst gibt es, bis auf ein Tischchen, keine Einrichtung. Eine Art Portal, gefliest in einer dieser kleinteiligen Schwarz-Weiß-Kombinationen, die einen bei längerem Hinsehen schwindlig werden lassen, strukturiert den Raum. Im hinteren Teil, gegenüber dem Godot-Spruch, befindet sich eine übermannshohe Maske, die von der Form her den Masken der griechischen Tragödie nachempfunden ist.

Auf der einen Seite aus Stahl, auf der anderen mit einem Goldmosaik belegt, steht sie da wie eine Aussichtsplattform, doch wenn man von hinten durch die Sehschlitze blickt, sieht man Becketts Text an der Wand gegenüber. An der Warteposition ändert eben auch die Perspektive nichts. Wenn man dann aus der Maske hervortritt, spiegelt man sich in blankem Stahl. Spiegelungen sind ein Hauptthema des 1966 geborenen Fabio Novembre, der unter anderem in Italien, Hongkong und New York zahlreiche Geschäfte, Bars, Restaurants und andere Gebäude gestaltete und mit ihnen sinnliche Kunsträume schuf.

Blickt man durch die Glasfront der Auslage, hat man als erstes zwei riesige Augen aus Mosaiksteinen vor sich. Die Augen sind so beleuchtet, dass die Mosaiksteine Bewegungen auf der Straße als Schatten wiedergeben - es ist, als würde etwas in den Augen aufblitzen. Auch wirken die beiden Mosaik-Augen in ihren Blautönen wie ins Unendliche vergrößerte Ausschnitte aus Fernsehbildern. Das ist ziemlich postmodern, aber wahrscheinlich ist das genau der richtige Einsatz von Mosaiksteinen: Die einzelnen Teile bilden eine Struktur und lösen sie im selben Moment wieder auf. Novembre ist ein Meister darin, die Struktur von Dingen abzubilden, selbst im Kommerziellen. Von ihm stammt übrigens auch das wohl pfiffigste Lederwarengeschäft der Welt, der Showroom Tardini in New York: Durch einen kahlen Raum hat Novembre einfach ein Mosaik im Schlangenledermuster gezogen. Die Muster der Mosaike werden in einen Computer eingegeben, der dann die Anordnung der zwei mal zwei Zentimeter großen Steine errechnet. Es verwandeln sich also digitale Einheiten in harte Mosaiksteine, und diese Steine bilden - wie im Bisazza-Showroom in Gestalt der beiden Riesenaugen - dann erst recht wieder ein mediales Verhältnis ab.

Das sind Spiegelfechtereien vom Ironischsten, das luxuriöse Material der Steine und die mit den Mosaiken verbundene teure Arbeit werden durch die Motive, die am Ende zu sehen sind, bloßgestellt. So wie alles Materielle: Der Betrachter ist zwar von Gold umgeben, aber das Gold ist nur die Innenseite einer riesigen Maske. Fabio Novembre hat der traditionellen Form des Mosaiks eines ihrer wichtigsten Motive wiedergegeben - die Vanitas. Was im Bisazza-Showroom eigentlich dargestellt wird, ist aus Steinen gemachte Vergänglichkeit.

Der beste Witz aber ist im Keller. In einem Raum im Souterrain ist ein großer Bildschirm angebracht, links und rechts an den Wänden befinden sich weiche Sitze mit weißen Bezügen. Das sieht aus wie eine Lounge und soll auch eine sein, wahrscheinlich gibt es in keiner anderen Stadt mehr Lounges als in Berlin. Hierhin mündet der Dialog aus „Warten auf Godot“, mit den Worten „Gehen wir“ endet der Text vor den gemütlichen Sitzen. Die Lounge ist damit bei sich selbst, ein Sinnbild des ewigen Wartens und des Hockenbleibens, ein Abbild auch von Berlin.


[Showroom Bisazza, Berlin, Kantstraße 150.
Montag bis Freitag, 10 bis 19 Uhr, Samstag 11 bis 16 Uhr. Infos: www.bisazza.com]

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