Bauwerk
Medienzentrum Lord's Cricket Ground
Future Systems, Jan Kaplický - London (GB) - 1999
Ufo über London
Ein preisgekröntes Bauwerk von Future Systems
Das neue Medienzentrum des Lord's Cricket Ground von Future Systems in London ist wohl die spektakulärste Architektur, die in diesem Jahr in Grossbritannien fertiggestellt wurde. Der Neubau, der vom Computerbildschirm bis zum Raumschiff die unterschiedlichsten Assoziationen weckt, wurde soeben mit dem Stirling-Preis des Royal Institute of British Architects ausgezeichnet.
25. November 1999 - Oliver Herwig
London pulsiert, und wie in den Swinging Sixties erfasst der Umbruch ganze Quartiere. Das Neue durchdringt das Alte, wobei Traditionen teils brachial aufgebrochen, teils genial in die Zukunft verlängert werden. Der Hang zu architektonischen Experimenten ist stärker denn je. Doch kein Bauherr ging in den vergangenen Jahren so an die Grenzen wie «Lord's», jene nationale Cricket-Institution, die nicht mehr nur Sport-, sondern auch Architekturbegeisterte in den Nordwesten der Metropole lockt. Seit über einem Jahrzehnt arbeiten namhafte britische Baukünstler an der Sportarena und unterziehen sie einer permanenten Verschönerungskur.
Den Anfang machte 1986 Michael Hopkins mit dem «Mound Stand». Darauf folgte der «Grand Stand» von Nicholas Grimshaw. Doch nun scheint direkt neben dem gepflegten Rasen des Traditionsvereins ein Raumschiff gelandet. Teleskopbeine krallen sich in den Boden, darüber schwebt eine gewaltige, abgeschrägte Frisbee- Scheibe. In die Aluminiumhaut eingelassen sind Bullaugen und eine gläserne Beobachtungs- Lounge, von der aus sich das ganze Spielfeld überblicken lässt.
Das ultramoderne Medienzentrum, in der britischen Presse längst als «freundliches Ufo» gefeiert, bietet nicht nur Platz für 120 Reporter. Hier finden sich auch modernste Übertragungsräume, eine Bar und ein Restaurant. Dass die Sportberichterstatter nun selbst auf dem Präsentierteller sitzen, kann als augenzwinkernde Geste des Londoner Architekturbüros Future Systems verstanden werden, das 1995 mit diesem wahrlich futuristischen Entwurf siegreich aus dem Ausschreiben für den Neubau hervorgegangen ist. Sein Gebäude ist ein Ereignis, selbst für Londoner Verhältnisse. Die Aluminiumkurven des schwebenden Neubaus haben mehr mit modernem Industriedesign zu tun als mit konventioneller Architektur. Kein Wunder, dass in einer der jüngsten Publikationen von Future Systems eine ergonomisch geformte Kamera als Inspiration direkt neben dem Medienzentrum steht.
Das Äussere des riesigen Zyklopenauges ist so spektakulär wie die Art seiner Fertigung. Jan Kaplicky, Amanda Levete und der Projektarchitekt David Miller liessen die Aluminiumhülle kurzerhand von einer Bootswerft schmieden, zerlegen und vor Ort wieder zu einer riesigen organischen Skulptur zusammensetzen. So hat der Schiffsbau, der einst etwa Le Corbusier beflügelte, unmittelbar Einzug in die Bauwelt gehalten. Aus der grossen Metapher von damals wurde eine ingenieurtechnische Meisterleistung.
Die Realisierung dieses Chef-d'œuvre drohte freilich mehr als einmal den Kostenrahmen zu sprengen. Der Preis stieg schliesslich auf fünf Millionen Pfund - unter anderem auch deswegen, weil ursprünglich keine Klimaanlage vorgesehen war. Zudem mussten die Architekten von Future Systems mit ihrem Design auf die Besonderheiten des Marylebone Cricket Club Rücksicht nehmen. Um jede Blendung der Spieler auszuschliessen, entschieden sich die Architekten bei der Front für schräg nach unten abfallende Glasscheiben, die nur teilweise zu öffnen sind. Und sie liessen die Tribüne weitgehend unberührt, indem sie das Medienzentrum weit über die Ränge hievten, wo es tatsächlich zu schweben scheint.
Noch immer ist England ein guter Ort für Rituale. Dass freilich gerade der gezielte Bruch mit der Tradition stabilisierende Züge besitzt, beweist «Lord's» einmal mehr. Moderne Architektur scheint auf Lord's Cricket Ground zu gedeihen, je avancierter, desto besser. So gesehen ist selbst das futuristische Medienzentrum nur Teil einer grossen Inszenierung. Der Wagemut der Auftraggeber und die Innovationslust der Architekten wurden nun vor wenigen Tagen vom Royal Institute of British Architects mit dem begehrten Stirling-Preis honoriert.
Den Anfang machte 1986 Michael Hopkins mit dem «Mound Stand». Darauf folgte der «Grand Stand» von Nicholas Grimshaw. Doch nun scheint direkt neben dem gepflegten Rasen des Traditionsvereins ein Raumschiff gelandet. Teleskopbeine krallen sich in den Boden, darüber schwebt eine gewaltige, abgeschrägte Frisbee- Scheibe. In die Aluminiumhaut eingelassen sind Bullaugen und eine gläserne Beobachtungs- Lounge, von der aus sich das ganze Spielfeld überblicken lässt.
Das ultramoderne Medienzentrum, in der britischen Presse längst als «freundliches Ufo» gefeiert, bietet nicht nur Platz für 120 Reporter. Hier finden sich auch modernste Übertragungsräume, eine Bar und ein Restaurant. Dass die Sportberichterstatter nun selbst auf dem Präsentierteller sitzen, kann als augenzwinkernde Geste des Londoner Architekturbüros Future Systems verstanden werden, das 1995 mit diesem wahrlich futuristischen Entwurf siegreich aus dem Ausschreiben für den Neubau hervorgegangen ist. Sein Gebäude ist ein Ereignis, selbst für Londoner Verhältnisse. Die Aluminiumkurven des schwebenden Neubaus haben mehr mit modernem Industriedesign zu tun als mit konventioneller Architektur. Kein Wunder, dass in einer der jüngsten Publikationen von Future Systems eine ergonomisch geformte Kamera als Inspiration direkt neben dem Medienzentrum steht.
Das Äussere des riesigen Zyklopenauges ist so spektakulär wie die Art seiner Fertigung. Jan Kaplicky, Amanda Levete und der Projektarchitekt David Miller liessen die Aluminiumhülle kurzerhand von einer Bootswerft schmieden, zerlegen und vor Ort wieder zu einer riesigen organischen Skulptur zusammensetzen. So hat der Schiffsbau, der einst etwa Le Corbusier beflügelte, unmittelbar Einzug in die Bauwelt gehalten. Aus der grossen Metapher von damals wurde eine ingenieurtechnische Meisterleistung.
Die Realisierung dieses Chef-d'œuvre drohte freilich mehr als einmal den Kostenrahmen zu sprengen. Der Preis stieg schliesslich auf fünf Millionen Pfund - unter anderem auch deswegen, weil ursprünglich keine Klimaanlage vorgesehen war. Zudem mussten die Architekten von Future Systems mit ihrem Design auf die Besonderheiten des Marylebone Cricket Club Rücksicht nehmen. Um jede Blendung der Spieler auszuschliessen, entschieden sich die Architekten bei der Front für schräg nach unten abfallende Glasscheiben, die nur teilweise zu öffnen sind. Und sie liessen die Tribüne weitgehend unberührt, indem sie das Medienzentrum weit über die Ränge hievten, wo es tatsächlich zu schweben scheint.
Noch immer ist England ein guter Ort für Rituale. Dass freilich gerade der gezielte Bruch mit der Tradition stabilisierende Züge besitzt, beweist «Lord's» einmal mehr. Moderne Architektur scheint auf Lord's Cricket Ground zu gedeihen, je avancierter, desto besser. So gesehen ist selbst das futuristische Medienzentrum nur Teil einer grossen Inszenierung. Der Wagemut der Auftraggeber und die Innovationslust der Architekten wurden nun vor wenigen Tagen vom Royal Institute of British Architects mit dem begehrten Stirling-Preis honoriert.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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