Bauwerk

Museum of Scotland
Benson & Forsyth - Edinburgh (GB) - 1998

Geschichte im natürlichen Licht

Das neue Museum of Scotland in Edinburg

Das vom Architekturbüro Benson & Forsyth realisierte Museum of Scotland in Edinburg hat in den Schlössern der Gaeltachd seine Vorbilder und verblüfft mit überraschenden Bezügen zur Geschichte und zur Stadt.

10. November 1999 - Georges Waser
Erst hatte ein schmollender Prinz Charles sein Amt als Präsident der «Schutzherren» des geplanten Museum of Scotland niedergelegt, war er doch bei der Wahl der Architekten nicht zum Schiedsrichter berufen worden - dann verglich Charles' Vater, der Herzog von Edinburg, ein Modell des vom Architekturbüro Benson & Forsyth zu erbauenden Museums mit einem Gasometer. Heute, sieben Jahre später, steht dieses Museum in der schottischen Hauptstadt vollendet da und sind dazu die Meinungen der genannten «Royals» längst abgetan. Nicht nur wurde der Ende 1998 eröffnete Bau von der Presse in den höchsten Tönen gelobt: vor kurzem gewann das Museum den begehrten «Building of the Year Award» für Schottland (in England ging derselbe Preis an das in Henley von David Chipperfield erbaute River and Rowing Museum). Mit dem Museum of Scotland - es kostete 52 Millionen Pfund - wird die Geschichte von eben diesem Land und seinem Volk erstmals unter einem einzigen Dach gezeigt.


Bezüge zur Geschichte und zur Stadt

In der Chambers Street neben dem 1861 von Fowkes mit einer Renaissance-Fassade versehenen Royal Scottish Museum stehend und mit diesem durch eine Passage verbunden, wirkt das Museum of Scotland auf den ersten Blick zugleich ausgefallen und anziehend. Hier eine Art trommelförmige Bastion, gegen die Strasse hin drängend, dort ein Vorbau, wie eine halboffene Schublade oder Türe aus dem Mauerwerk springend. Alles ist in ein warmfarbiges Gewand aus Sandstein gekleidet. Und alles ist unregelmässig, die Fenster gelegentlich blossen Gucklöchern oder Schiessscharten ähnlich. Dieser Ausdruck soll ein Fingerzeig sein: Der Bau - dessen bergfriedartiger Kern von aussen kaum wahrnehmbar ist - hat in den Schlössern der Gaeltachd mit ihrem «Mauervorhang» seine historischen Vorbilder. Auch dem Edinburger Kontext haben die Architekten Rechnung getragen: dem «Half-Moon Tower» der Burg zum Beispiel und den ineinandergeschachtelten Wohnhäusern der Altstadt, die hier allesamt anspielungsweise im einen oder anderen baulichen Detail ein Äquivalent haben.

Und was beherbergt das Museum of Scotland? Eine Sammlung, die vom Steinzeug der Pikten zu der für die Krönung von Charles I. angefertigten Goldampulle, von dem aus dem 9. Jahrhundert stammenden Dupplin Cross - das für die Ankunft Schottlands in der Geschichte steht - bis hin zu Möbelstücken von Mackintosh und zu Erzeugnissen des späteren 20. Jahrhunderts reicht. Diese Sammlung war zuvor an verschiedenen Orten untergebracht. So kommen ausgestopfte Tiere und Dampfmaschinen aus dem benachbarten Royal Scottish Museum, die zum schottischen Mythos gehörenden Objekte - darunter das angeblich von Robert Bruce in die Schlacht von Bannockburn getragene Mony Musk Reliquary - hingegen aus dem Edinburger Museum of Antiquities. Anderes wieder lag Jahrzehnte verborgen in einem Lagerhaus in Granton.

Äusserlich den baulichen Traditionen des Landes verbündet, ist das Museum of Scotland mit seinen Lichtquellen im Innern ein Tribut an Le Corbusier und Ronchamp. Im zentralen Block - die Sammlung ist von unten nach oben chronologisch auf sechs Ebenen ausgelegt - fällt natürliches Licht vom Dach bis hinab ins Untergeschoss; das Licht soll an den Orientierungssinn der Besucher appellieren, soll also eine Art Wegweiser sein. Dieser Absicht der Architekten Gordon Benson und Alan Forsyth kommt das verwendete Material entgegen: weisser Verputz und helles Furnierholz für die Wände, französischer Kalkstein oder Holz für die Fussböden. Was nicht heissen soll, dass es der Innenarchitektur des Museums an Abwechslung fehlt. Im Gegenteil: in dem von vertikalen Schnitten aufgeteilten Bau sorgen eine Vielzahl von Passagen und Treppen - gelegentlich muten sie wie ein Zufall an - sowie Ausblicke von schwindelerregenden Balkonen fast auf Schritt und Tritt für Überraschungen.


Politisches und kulturelles Statement

Dass das Museum of Scotland fast gleichzeitig mit dem schottischen Parlament Tatsache wurde, entsprang - war doch ein solches Museum von der britischen Regierung schon 1956 bewilligt worden - keiner Absicht. Dennoch ist aus dem Museum jetzt ein politisches ebenso wie ein kulturelles Statement geworden. Seit der Act of Union im Jahr 1707 haben sich Schotten darüber gestritten, ob ihr Land, wäre es von England unabhängig geblieben, dem Zeitalter der Aufklärung überhaupt offengestanden und ein Jahrhundert später aus der Industrialisierung einen Nutzen - wie vornehmlich die Stadt Glasgow - gezogen hätte. Unter jenen, die dies bezweifelten, war vor noch nicht langen Jahren ein schottischer Staatssekretär namens Malcolm Rifkind. Zu dieser Ansicht liefert jetzt das neue Museum of Scotland ein Gegenargument mit seiner Sammlung. Sie ist unter anderem der Beweis für die enge Verbundenheit Schottlands mit Europa - nicht zuletzt durch das Geschlecht der Stuart, das immerhin dreihundert Jahre herrschte.

Wer auf der offenen Dachterrasse des Museums steht, sieht vor sich ein Spektakel ausgebreitet. Ringsum Giebel, Strassenschluchten, Türme, schwarzer Fels, das Schloss. Zu diesem Blick nach aussen fordern die Architekten Benson & Forsyth allerdings schon im Innern ihres Baus auf: so im Sektor, der dem 17. Jahrhundert vorbehalten ist, mit einem Fenster gegenüber der Greyfriars Kirk, in der 1638 der National Covenant unterzeichnet worden war. Kommt der Besucher danach ins 18. Jahrhundert und zu den Jakobiten, gewahrt er, wiederum durchs Fensterglas, den Arthur's Seat; den kegelförmigen Berg, unter dem - im Jahr 1745 - Bonnie Prince Charlie die Stadt betreten hatte. So wollten die Architekten ihren Bau: dass er nämlich das, was er beherbergt, belebt. Die schottische Geschichte also. Ihr Vorhaben ist ihnen derart gut gelungen, dass der Bau streckenweise mehr zu verblüffen vermag als die Sammlung.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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