Bauwerk
Landschaftspark Duisburg-Nord
LATZ+PARTNER - Duisburg (D) - 1999
Monte Thyssino und Piazza Metallica
1. November 1999 - Udo Weilacher
Kaum eine Seillänge, nur wenige Griffe in den Spalten der senkrechten Wand trennen den Kletterer von seinem Ziel, dem Gipfel des «Monte Thyssino», der seinen Namen dem deutschen Stahlmagnaten August Thyssen verdankt und auf keiner Alpenkarte verzeichnet ist. Der 1842 geborene Fabrikant hatte als 28jähriger sein erstes Stahlwerk im Ruhrgebiet errichtet. Als er in der Hochindustrialisierungsphase 1902 das Hüttenwerk Meiderich bei Duisburg gründete, zählte Thyssen längst zu den mächtigsten Grossindustriellen im Pott. Bis zur Stilllegung produzierte das Meidericher Werk, zuletzt in fünf Hochöfen, 37 Millionen Tonnen Roheisen. Wer nicht mit Stahl sein Brot verdiente, dem blieben die Werkstore mehr als acht Jahrzehnte lang verschlossen. August Thyssen, der 1926 starb, hätte sicher nie gedacht, dass dereinst Freizeitkletterer eine 14 Meter hohe Kohlebunkerwand mit Gipfelkreuz nach ihm benennen würden, und er hätte sich auch nicht träumen lassen, dass auf der Industriefläche seines Hüttenwerkes einmal der grösste Landschaftspark des Ruhrgebietes entstehen würde.
Der weltweite Strukturwandel in der Schwerindustrie degradierte das Ruhrgebiet zur Krisenregion. 1985 legte man Duisburg-Meiderich still und entliess rund 8000 Stahlarbeiter. Übrig blieben verzweifelte Arbeiterfamilien und 200 Hektar postindustrielle, zerstörte Landschaft, deren Bild bis heute von zahllosen Industrieruinen, riesigen Maschinenhallen, Hochöfen, Kühltürmen und anderen Landmarken geprägt wird. Vor etwa zehn Jahren integrierte man das Sanierungsprojekt «Landschaftspark Duisburg-Nord» in die Projektliste der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) und initiierte ein Wettbewerbsverfahren mit fünf internationalen Planungsteams.
Der preisgekrönte «syntaktische Entwurf» der deutschen Landschaftsarchitekten Latz + Partner basierte auf der Idee, die Spuren der Industriekultur nicht zu verwischen, sondern durch gezielte Eingriffe neu zu interpretieren. Die Brüche und Narben in der geschundenen Landschaft sollten nicht repariert, sondern als Erinnerungsstücke aus dem Schutt herauskristallisiert werden. Die Landschaftsarchitekten entwarfen keinen gestalterischen Gesamtplan, sondern legten fast archäologisch eine landschaftlich-konzeptionelle Schicht nach der anderen frei, entwickelten vier verschiedene Parkkonzepte und liessen die sich anschliessend überlagern. Der Wasserpark besteht aus dem Geflecht der Kanäle, Klär- und Sammelbecken, während der Bahnpark die alten Gleisanlagen nutzt. Strassen, Transportwege und Brücken bilden als Verbindungspromenaden ebenso eine eigene Ebene wie die Vielzahl verschiedener Nutzungsfelder und Gärten. Mit speziellen Verknüpfungselementen, Rampen, Treppen, Terrassen oder Gärten werden die vier Ebenen des Parks visuell, funktional, ideell oder symbolisch miteinander verknüpft.
Wer heute, zum IBA-Finale, Duisburg-Nord besucht, kann getrost einen ganzen Tag verbringen, ohne dass er sich mit einer Klettertour oder einem Tauchlehrgang im gefluteten Gasometer die Zeit vertreiben muss. Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen und andere Kulturereignisse beleben die Open-air-Bühnen vor imposanter Industriekulisse und füllen die ehemalige Gebläsehalle, die Giesshalle des Hochofens 2 oder die eindrucksvolle Kraftzentrale, eine Art Kathedrale der Arbeit. Nach Sonnenuntergang lädt der Park, effektvoll illuminiert vom englischen Lichtkünstler Jonathan Park, zu nächtlichen Erkundungstouren ein. Vom Hochofen 5, einem 80 Meter hohen Moloch aus Stahl, durch dessen Eingeweide man nach oben steigt, geniesst man einen herrlichen Ausblick über Park und Ruhrgebiet.
Im Schatten des Hochofens liegt der Cowperplatz, benannt nach den grossen Winderhitzern. Die Fläche wurde rasterartig mit Obstbäumen bepflanzt, was Denkmalschützer angesichts der industriellen Vergangenheit zunächst als völlig unpassend empfanden. Ebenso experimentell und provokativ sind die «Bunkergärten» in den Erzbunkern der ehemaligen Sinteranlage. Mit Spezialsägen schnitt man Zugänge in die massiven Betonkammern und gestaltete darin unterschiedlichste Gärten und Kinderspielbereiche. Von einem langen blauen Steg aus sind die Gartenkammern auch von oben einsehbar.
Nicht nur gepflegte, domestizierte Natur kommt im Park zu ihrem Recht. Auf dem gesamten Areal entwickelte sich neben reizvoller Alltagsnatur auch eine spezielle, teilweise sehr seltene Vegetation, die ihre Existenz den aussergewöhnlichen Umweltbedingungen verdankt. Mit Zuschlagstoffen aus Übersee reisten exotische Pflanzen nach Duisburg und fanden hier ihre neue Heimat. Die Industrienatur avancierte zum wichtigen Gestaltungselement und erforderte ein Umdenken, nicht nur im gärtnerischen Management. Das traditionelle Naturverständnis hinterfragt Peter Latz auch mit der «Piazza Metallica», die aus 49 jeweils acht Tonnen schweren Stahlplatten komponiert ist. Die 2,2 2,2 Meter grossen Elemente dienten ursprünglich als Giessbettauskleidung und mussten den Erosionskräften von flüssigem, mehr als eintausenddreihundert Grad heissem Eisen standhalten. «Dabei entstanden fluviatile Systeme, die einem Gletscherschliff sehr ähnlich sind, also urtümliche Formationen, die durch die Gewalt flüssiger Elemente entstanden sind. Das finde ich als Natursymbol wesentlich interessanter als irgendeine dusselige Birke!» sagt Peter Latz. Längst zählt sein Landschaftspark Duisburg-Nord international zu den wichtigsten Landschaftsarchitekturprojekten der Jahrtausendwende.
Der weltweite Strukturwandel in der Schwerindustrie degradierte das Ruhrgebiet zur Krisenregion. 1985 legte man Duisburg-Meiderich still und entliess rund 8000 Stahlarbeiter. Übrig blieben verzweifelte Arbeiterfamilien und 200 Hektar postindustrielle, zerstörte Landschaft, deren Bild bis heute von zahllosen Industrieruinen, riesigen Maschinenhallen, Hochöfen, Kühltürmen und anderen Landmarken geprägt wird. Vor etwa zehn Jahren integrierte man das Sanierungsprojekt «Landschaftspark Duisburg-Nord» in die Projektliste der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) und initiierte ein Wettbewerbsverfahren mit fünf internationalen Planungsteams.
Der preisgekrönte «syntaktische Entwurf» der deutschen Landschaftsarchitekten Latz + Partner basierte auf der Idee, die Spuren der Industriekultur nicht zu verwischen, sondern durch gezielte Eingriffe neu zu interpretieren. Die Brüche und Narben in der geschundenen Landschaft sollten nicht repariert, sondern als Erinnerungsstücke aus dem Schutt herauskristallisiert werden. Die Landschaftsarchitekten entwarfen keinen gestalterischen Gesamtplan, sondern legten fast archäologisch eine landschaftlich-konzeptionelle Schicht nach der anderen frei, entwickelten vier verschiedene Parkkonzepte und liessen die sich anschliessend überlagern. Der Wasserpark besteht aus dem Geflecht der Kanäle, Klär- und Sammelbecken, während der Bahnpark die alten Gleisanlagen nutzt. Strassen, Transportwege und Brücken bilden als Verbindungspromenaden ebenso eine eigene Ebene wie die Vielzahl verschiedener Nutzungsfelder und Gärten. Mit speziellen Verknüpfungselementen, Rampen, Treppen, Terrassen oder Gärten werden die vier Ebenen des Parks visuell, funktional, ideell oder symbolisch miteinander verknüpft.
Wer heute, zum IBA-Finale, Duisburg-Nord besucht, kann getrost einen ganzen Tag verbringen, ohne dass er sich mit einer Klettertour oder einem Tauchlehrgang im gefluteten Gasometer die Zeit vertreiben muss. Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen und andere Kulturereignisse beleben die Open-air-Bühnen vor imposanter Industriekulisse und füllen die ehemalige Gebläsehalle, die Giesshalle des Hochofens 2 oder die eindrucksvolle Kraftzentrale, eine Art Kathedrale der Arbeit. Nach Sonnenuntergang lädt der Park, effektvoll illuminiert vom englischen Lichtkünstler Jonathan Park, zu nächtlichen Erkundungstouren ein. Vom Hochofen 5, einem 80 Meter hohen Moloch aus Stahl, durch dessen Eingeweide man nach oben steigt, geniesst man einen herrlichen Ausblick über Park und Ruhrgebiet.
Im Schatten des Hochofens liegt der Cowperplatz, benannt nach den grossen Winderhitzern. Die Fläche wurde rasterartig mit Obstbäumen bepflanzt, was Denkmalschützer angesichts der industriellen Vergangenheit zunächst als völlig unpassend empfanden. Ebenso experimentell und provokativ sind die «Bunkergärten» in den Erzbunkern der ehemaligen Sinteranlage. Mit Spezialsägen schnitt man Zugänge in die massiven Betonkammern und gestaltete darin unterschiedlichste Gärten und Kinderspielbereiche. Von einem langen blauen Steg aus sind die Gartenkammern auch von oben einsehbar.
Nicht nur gepflegte, domestizierte Natur kommt im Park zu ihrem Recht. Auf dem gesamten Areal entwickelte sich neben reizvoller Alltagsnatur auch eine spezielle, teilweise sehr seltene Vegetation, die ihre Existenz den aussergewöhnlichen Umweltbedingungen verdankt. Mit Zuschlagstoffen aus Übersee reisten exotische Pflanzen nach Duisburg und fanden hier ihre neue Heimat. Die Industrienatur avancierte zum wichtigen Gestaltungselement und erforderte ein Umdenken, nicht nur im gärtnerischen Management. Das traditionelle Naturverständnis hinterfragt Peter Latz auch mit der «Piazza Metallica», die aus 49 jeweils acht Tonnen schweren Stahlplatten komponiert ist. Die 2,2 2,2 Meter grossen Elemente dienten ursprünglich als Giessbettauskleidung und mussten den Erosionskräften von flüssigem, mehr als eintausenddreihundert Grad heissem Eisen standhalten. «Dabei entstanden fluviatile Systeme, die einem Gletscherschliff sehr ähnlich sind, also urtümliche Formationen, die durch die Gewalt flüssiger Elemente entstanden sind. Das finde ich als Natursymbol wesentlich interessanter als irgendeine dusselige Birke!» sagt Peter Latz. Längst zählt sein Landschaftspark Duisburg-Nord international zu den wichtigsten Landschaftsarchitekturprojekten der Jahrtausendwende.
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