Bauwerk

Schulgebäude in Hohenschönhausen
Max Dudler - Berlin (D) - 1997

Steinerne Strenge

Max Dudlers Schule in Hohenschönhausen

14. Oktober 1999 - Jürgen Tietz
Der 1949 in Altenrhein geborene Schweizer Architekt Max Dudler gehört zu den erfolgreichen Schöpfern des «neuen» Berlin. Seine Handschrift findet sich am Gendarmenmarkt im Bezirk Mitte ebenso wie am Invalidenpark, wo er den streng kubischen Erweiterungsbau für das Bundesverkehrsministerium geschaffen hat. Lange schon besitzt das von Dudler gestaltete Restaurant Sale et Tabacchi in der Kreuzberger Kochstrasse Kultstatus. Doch der einstige Mitarbeiter im Büro von Oswald Mathias Ungers hat auch an der Peripherie der Stadt gebaut. 1997 wurde sein Schulgebäude in Hohenschönhausen fertiggestellt. Ihm ist jetzt eine Monographie gewidmet.

Hohenschönhausen gehört zu jenen Orten, an denen man grosse Architektur kaum vermutet. An diesem amorphen Zwischenort finden sich aufgefrischte Plattenbauten neben aufgelassenen Schuppen. Wahrlich keine einfache Aufgabe, einem solchen Gebiet einen städtebaulichen und architektonischen Rahmen zu verleihen, ihn durch ein Gebäude mit einem unverwechselbaren Charakter auszuzeichnen. Dudlers Schulgebäude versucht, dies durch eine architektonische Grossform zu erreichen. Man muss viel laufen, ehe man die lange Terrasse abgeschritten hat, auf der der Bau sich mit weitem Schwung entlangzieht. In Glasflächen aufgelöst, hinter denen sich Flure befinden, präsentiert sich der Baukörper zur Prendener Strasse. Zum Schulhof und zu den angrenzenden Sportanlagen hin gliedert er sich kammartig und mit einer gestaffelten Höhenentwicklung, so dass architektonisch gefasste kleinere Hofbereiche entstehen. Mit einer Geste kraftvollen Selbstbewusstseins kulminiert der Bau an der öden Kreuzung von Falkenberger Chaussee und Prendener Strasse. Hier zeigt ein lediglich im unteren Bereich durchfensterter Quader den Mut zur geschlossenen Wandfläche.

Dudlers Schule setzt dem Bedürfnis mancher Architekten, sich «expressiv auszutoben», ein Stück «urbaner Kultivierungsarbeit» entgegen. So formuliert es Wolfgang Pauser treffend in seinem begleitenden Essay. Freilich erweist sich Pausers Architekturinterpretation in manchen Passagen als sprachlich wie gedanklich recht verstiegen. Ist Dudlers Gebäude tatsächlich die «gestalterische Antwort auf die Frage, was da gerade am meisten fehlt, was nötig wäre, welcher Schlenker des Ruders vom kybernetischen Steuermann systemimmanent abzufordern wäre»?

Stefan Müllers Schwarzweissphotos zeichnen ein eigenes Bild von dieser Architektur, verklären sie, indem sie ihren spröden Charakter verschweigen. Sie binden das Gebäude statt dessen eng an die Vorbilder der klassischen Moderne an, stellen das flache Dach, die liegenden Fensterformate und die klaren kubischen Formen in die wohlvertraute Traditionslinie. Doch dem steht - trotz den weiten Fensteröffnungen - die steinerne Geschlossenheit und Monumentalität des Baukörpers entgegen, dessen Massivität durch die dunkelgrüne Kunststeinfassade unterstrichen wird. Es erfordert viel Bereitschaft, sich auf einen solchen Bau einzulassen, seine Vorzüge und seine Materialität zu akzeptieren. Bleibt die Frage, ob diese Architektur tatsächlich in der Lage ist, ihre Nutzer bei dem täglichen Gang zur Schule stets aufs neue von sich und ihrem hohen Anspruch zu überzeugen.


[ Wolfgang Pauser: Max Dudler. Schulbau in Berlin-Hohenschönhausen. Photos Stefan Müller. Verlag Gebrüder Mann, Berlin 1999. 76 S., Fr. 62.-. ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur