Bauwerk
Olympiastadion - Umbau
von Gerkan, Marg und Partner - Berlin (D) - 2004
Olympiastadion Berlin
Das Berliner Olympiastadion wurde von 1998 bis 2004 von den Architekten von Gerkan, Marg und Partner für die Fussball-WM 2006 saniert und modernisiert. Das Bauwerk ist trotz unvermeidlicher Substanzverluste ein vorbildlich saniertes Baudenkmal.
9. Juni 2006 - Anna-Maria Odenthal
Mit dem Olympiastadion und dem Gesamtensemble des ehemaligen Reichssportfeldes besitzt Berlin die wohl bedeutendste monumentale Sportanlage des frühen 20. Jahrhunderts in Europa (Bild 1). Sie ist ein unersetzliches Zeugnis der olympischen Idee und der modernen Massensportbewegung, aber auch der Bau- und Kunstpolitik im Dritten Reich. Ursprünglich stand hier das „Deutsche Stadion“ von Otto March, das 1913 für die Olympischen Spiele 1916 gebaut worden war. Nach dem Abriss der Sportstätte wurde 1934 Werner March, Sohn von Otto March, mit dem Bau des Reichssportfeldes und der dazugehörigen Bauten beauftragt. Die neoklassizistische Gestaltung der Bauten war für die 1930er-Jahre typisch. Trotz des Missbrauchs für die ideologische Selbstdarstellung des Nationalsozialismus während der Olympiade 1936 konnte der Bau über 50 Jahre für sportliche und kulturelle Grossveranstaltungen in Berlin genutzt werden. Dass dieses Gesamtkunstwerk ohne nennenswerte Fremdkörper ungeteilt erhalten geblieben ist, ist nicht zuletzt dem unbefangenen und zugleich sorgsamen Umgang der britischen Streitkräfte mit dem Bau zu danken. Bis zum Abzug der Alliierten 1994 unterhielten sie im Deutschen Sportforum auf dem Olympiagelände ihr Hauptquartier.
Ausgangssituation
Fast zehn Jahre (von 1991 bis 1998) dauerte das Tauziehen um alternative Konzepte für das Berliner Olympiastadion und das umgebende, immerhin 131ha umfassende Areal des ehemaligen Reichssportfelds. Die Konzepte reichten von einer Minimalsanierung ohne erkennbare Nachhaltigkeit bis zum massstabsprengenden Neubau eines reinen Fussballstadions, bei dem das gesamte historische Freiraum- und Erschliessungssystem zerstört worden wäre. Auch ohne die Fussball-WM hätten Olympiastadion, Schwimmstadion und Maifeldtribünen saniert werden müssen, allein um die Sicherung der Bausubstanz und die Betriebssicherheit für Besuchergruppen zu gewährleisten. Altersbedingt wies die tragende Konstruktion starke Karbonatisierungsschädigungen auf. Bis in die 1970er-Jahre wurden Streusalze auf der Tribünenanlage verwendet, was eine starke Chloridkontamination der Bausubstanz nach sich zog. Auch zwischen der Natursteinverkleidung und der Tragkonstruktion konnte Feuchtigkeit nahezu ungehemmt eindringen, da die Mörtelhinterfüllung unzureichend war. Für Betonsanierung und Nachrüstung der technischen Einrichtungen wurden seinerzeit 200 Mio. DM veranschlagt. 1998 beschloss Berlin die Sanierung des alten Olympiastadions bei „möglichst weitgehender Bewahrung des historischen Erscheinungsbildes“.
Architekturwettbewerb
Von den zehn Beiträgen der engeren Auswahl befürwortete der Denkmalschutz zwei, den von Weidleplan sowie jenen von Gerkan, Marg und Partner (gmp). Beide Entwürfe verbanden auf unspektakuläre und sparsame Weise eine behutsame Sanierung der vorhandenen Bausubstanz mit einer denkmalverträglichen Modernisierung. Ausschlaggebend für die Wahl von gmp im Oktober 1998 war die vorgeschlagene Überdachungslösung, bei der die freie Sicht durch das Marathontor auf das Maifeld und den Glockenturm erhalten blieb.
Bei der Sanierung mussten einige Zugeständnisse seitens der Denkmalpflege gemacht werden, da viele Bereiche des Stadions in sehr schlechtem Zustand waren. Die ursprüngliche Unterringtribüne in Ortbetonkonstruktion war auf wirtschaftlich tragbare Weise nicht sanierbar. Nur in der westlichen Hälfte war sie durch die so genannten Katakomben unterkellert, in der Osthälfte jedoch vollständig mit Sand verfüllt. Mit dem Neubau wurde das Spielfeld um ca. 2.65 m abgesenkt, um den Konflikt zwischen der Weite des multifunktionalen Leichtathletikstadions und der Dichte der monofunktionalen Fussballarena zu lösen. Durch die Absenkung konnten zwei Zuschauerreihen mit ca. 1600 Sitzplätzen gewonnen und zugleich der Abstand der Ränge zum Fussballfeld verringert werden. Die Stahlbetonkonstruktion der Oberringtribüne blieb erhalten; auch hier wurden allerdings die Betonfertigbauelemente gegen neue Winkelstufen in Fertigteilbauweise ausgetauscht. Erhalten blieben nur die letzten acht oberen Reihen, die 1936 in Ortbeton ausgeführt worden waren und dank einer Schlämme als Karbonatisierungsschutz vergleichsweise geringe Schäden aufwiesen. Die Ehrentribüne, die einzige Raumfolge von nennenswerter historischer Ausstattung mit Coubertinsaal, Ehrenloge und Ehrensaal, wurde wieder aufgebaut.
Der weitestmögliche Erhalt der überlieferten Substanz, die Bewahrung von Alters- und Schadensspuren und auch die hohe haptische Qualität der Oberflächenbehandlung bei der ausschliesslich manuellen Natursteinsanierung (Muschelkalk, Gauinger Travertin, Granit) gehört zu den gelungensten Bereichen der Sanierung. Auch die Reparatur und Nachrüstung der erhaltenen Bestandsfenster und -türen, der historischen Leuchten in den äusseren Umgängen (Kandelaber wie Fackeln), der überlieferten Geländer und Scherengitter überzeugen. Ein Wermutstropfen für die Denkmalpflege sind die „Kämme“ des neuen Fluchtwegsystems, die das ursprünglich linear strukturierte Gesamtbild der Tribüne stören (Bilder 3 und 4). Doch selbst diese Lösung konnte nur über den Bestandsschutz erreicht werden, da andernfalls im Unterring Mundlöcher, Fluchttunnel und Treppenhaustürme erforderlich geworden wären.
Sanierung der Gartenanlage
Das Olympiagelände stellt ein herausragendes historisches Bau- und Gartenensemble dar, das bei angemessenem Umgang und unter Beachtung der architektonischen und freiraumplanerischen Prinzipien zu einem Geschichtszeugnis von internationalem Rang werden kann. Vor allem die Wahrung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen wenigen Grossgebäuden und weiten Freiflächen ist für den Charakter der monumentalen Anlage unverzichtbar. Im Juni 2004 wurde ein Entwicklungskonzept für das Gesamtgelände beschlossen. Über die denkmalverträgliche Umrüstung des Stadions hinaus sollen so mittelfristig das Gesamtareal und die übrigen Gebäude instandgesetzt werden. Für den Mittelbau der Maifeldtribüne ist ein Sanierungs- und Ausstellungskonzept erarbeitet worden. Die Sanierungsmassnahmen sind angesichts des gefährdeten Zustands der Bauten zwingend erforderlich, sie hängen jedoch noch von der Sicherung ihrer Finanzierung ab.
Eine Betreibergesellschaft, bestehend aus dem Land Berlin, der Walter Bau AG und dem derzeitigen Bundesligisten Hertha BSC als Hauptgesellschafter, sollten zukünftig für Grossveranstaltungen sorgen. Seit der Insolvenz der Walter Bau AG im Februar 2005 und der Krise der Stadion GmbH steht wieder in Frage, ob wirklich alle „Standardverbesserungen“, die von Sportpolitik und Fussball-Lobby auf Kosten des Steuerzahlers und zu Lasten des Denkmals durchgesetzt wurden, auf Dauer angemessen und finanziell sinnvoll waren. Der TV-gerechte Werbegag einer Hertha-blauen Laufbahn im Stadionoval ist nur das medienwirksamste Beispiel
fragwürdiger Neuerungen.
Ausgangssituation
Fast zehn Jahre (von 1991 bis 1998) dauerte das Tauziehen um alternative Konzepte für das Berliner Olympiastadion und das umgebende, immerhin 131ha umfassende Areal des ehemaligen Reichssportfelds. Die Konzepte reichten von einer Minimalsanierung ohne erkennbare Nachhaltigkeit bis zum massstabsprengenden Neubau eines reinen Fussballstadions, bei dem das gesamte historische Freiraum- und Erschliessungssystem zerstört worden wäre. Auch ohne die Fussball-WM hätten Olympiastadion, Schwimmstadion und Maifeldtribünen saniert werden müssen, allein um die Sicherung der Bausubstanz und die Betriebssicherheit für Besuchergruppen zu gewährleisten. Altersbedingt wies die tragende Konstruktion starke Karbonatisierungsschädigungen auf. Bis in die 1970er-Jahre wurden Streusalze auf der Tribünenanlage verwendet, was eine starke Chloridkontamination der Bausubstanz nach sich zog. Auch zwischen der Natursteinverkleidung und der Tragkonstruktion konnte Feuchtigkeit nahezu ungehemmt eindringen, da die Mörtelhinterfüllung unzureichend war. Für Betonsanierung und Nachrüstung der technischen Einrichtungen wurden seinerzeit 200 Mio. DM veranschlagt. 1998 beschloss Berlin die Sanierung des alten Olympiastadions bei „möglichst weitgehender Bewahrung des historischen Erscheinungsbildes“.
Architekturwettbewerb
Von den zehn Beiträgen der engeren Auswahl befürwortete der Denkmalschutz zwei, den von Weidleplan sowie jenen von Gerkan, Marg und Partner (gmp). Beide Entwürfe verbanden auf unspektakuläre und sparsame Weise eine behutsame Sanierung der vorhandenen Bausubstanz mit einer denkmalverträglichen Modernisierung. Ausschlaggebend für die Wahl von gmp im Oktober 1998 war die vorgeschlagene Überdachungslösung, bei der die freie Sicht durch das Marathontor auf das Maifeld und den Glockenturm erhalten blieb.
Bei der Sanierung mussten einige Zugeständnisse seitens der Denkmalpflege gemacht werden, da viele Bereiche des Stadions in sehr schlechtem Zustand waren. Die ursprüngliche Unterringtribüne in Ortbetonkonstruktion war auf wirtschaftlich tragbare Weise nicht sanierbar. Nur in der westlichen Hälfte war sie durch die so genannten Katakomben unterkellert, in der Osthälfte jedoch vollständig mit Sand verfüllt. Mit dem Neubau wurde das Spielfeld um ca. 2.65 m abgesenkt, um den Konflikt zwischen der Weite des multifunktionalen Leichtathletikstadions und der Dichte der monofunktionalen Fussballarena zu lösen. Durch die Absenkung konnten zwei Zuschauerreihen mit ca. 1600 Sitzplätzen gewonnen und zugleich der Abstand der Ränge zum Fussballfeld verringert werden. Die Stahlbetonkonstruktion der Oberringtribüne blieb erhalten; auch hier wurden allerdings die Betonfertigbauelemente gegen neue Winkelstufen in Fertigteilbauweise ausgetauscht. Erhalten blieben nur die letzten acht oberen Reihen, die 1936 in Ortbeton ausgeführt worden waren und dank einer Schlämme als Karbonatisierungsschutz vergleichsweise geringe Schäden aufwiesen. Die Ehrentribüne, die einzige Raumfolge von nennenswerter historischer Ausstattung mit Coubertinsaal, Ehrenloge und Ehrensaal, wurde wieder aufgebaut.
Der weitestmögliche Erhalt der überlieferten Substanz, die Bewahrung von Alters- und Schadensspuren und auch die hohe haptische Qualität der Oberflächenbehandlung bei der ausschliesslich manuellen Natursteinsanierung (Muschelkalk, Gauinger Travertin, Granit) gehört zu den gelungensten Bereichen der Sanierung. Auch die Reparatur und Nachrüstung der erhaltenen Bestandsfenster und -türen, der historischen Leuchten in den äusseren Umgängen (Kandelaber wie Fackeln), der überlieferten Geländer und Scherengitter überzeugen. Ein Wermutstropfen für die Denkmalpflege sind die „Kämme“ des neuen Fluchtwegsystems, die das ursprünglich linear strukturierte Gesamtbild der Tribüne stören (Bilder 3 und 4). Doch selbst diese Lösung konnte nur über den Bestandsschutz erreicht werden, da andernfalls im Unterring Mundlöcher, Fluchttunnel und Treppenhaustürme erforderlich geworden wären.
Sanierung der Gartenanlage
Das Olympiagelände stellt ein herausragendes historisches Bau- und Gartenensemble dar, das bei angemessenem Umgang und unter Beachtung der architektonischen und freiraumplanerischen Prinzipien zu einem Geschichtszeugnis von internationalem Rang werden kann. Vor allem die Wahrung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen wenigen Grossgebäuden und weiten Freiflächen ist für den Charakter der monumentalen Anlage unverzichtbar. Im Juni 2004 wurde ein Entwicklungskonzept für das Gesamtgelände beschlossen. Über die denkmalverträgliche Umrüstung des Stadions hinaus sollen so mittelfristig das Gesamtareal und die übrigen Gebäude instandgesetzt werden. Für den Mittelbau der Maifeldtribüne ist ein Sanierungs- und Ausstellungskonzept erarbeitet worden. Die Sanierungsmassnahmen sind angesichts des gefährdeten Zustands der Bauten zwingend erforderlich, sie hängen jedoch noch von der Sicherung ihrer Finanzierung ab.
Eine Betreibergesellschaft, bestehend aus dem Land Berlin, der Walter Bau AG und dem derzeitigen Bundesligisten Hertha BSC als Hauptgesellschafter, sollten zukünftig für Grossveranstaltungen sorgen. Seit der Insolvenz der Walter Bau AG im Februar 2005 und der Krise der Stadion GmbH steht wieder in Frage, ob wirklich alle „Standardverbesserungen“, die von Sportpolitik und Fussball-Lobby auf Kosten des Steuerzahlers und zu Lasten des Denkmals durchgesetzt wurden, auf Dauer angemessen und finanziell sinnvoll waren. Der TV-gerechte Werbegag einer Hertha-blauen Laufbahn im Stadionoval ist nur das medienwirksamste Beispiel
fragwürdiger Neuerungen.
Für den Beitrag verantwortlich: TEC21
Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Solt
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