Bauwerk

Fachhochschule Hagenberg
Berger Parkkinen + Architekten - Hagenberg im Mühlkreis (A) - 2004
Fachhochschule Hagenberg, Foto: Gerald Zugmann
Fachhochschule Hagenberg, Foto: Gerald Zugmann

Mit dem Auto in den Hörsaal

An der Klippe: Die FH Hagenberg von Berger+Parkkinen

30. Oktober 2004 - Oliver Elser
Dumpf hallen die Schritte durch den schier endlos langen Gang. Rechts und links nur mit Chipkarten gesicherte Türen mit der Aufschrift „Labor“. Endlich ist eine zu öffnen. Der Schließmechanismus wurde mit einem Klebeband überlistet, weil in dem erst vor einer Woche eingeweihten Haus noch nicht jeder mit dem passenden Schlüssel herumläuft. Das Labor hinter der Tür ist alles andere als eine Hexenküche für Zauberlehrlinge. Hier zischt und brodelt es höchstens auf den Bildschirmen, die ordentlich in Reih und Glied die Tische bevölkern. Die Fachhochschule Hagenberg bildet Programmierer aus. Deswegen ist das Haus mit Computern voll gestopft, deswegen klingt es in den Gängen so hohl. Unter dem Fußboden in pompejanischem Rot winden sich die Kabeltrassen.

Wie ein Gebäude aussehen muss, dessen Herz im Gigahertztakt schlägt, das war für das österreichisch-finnische Architektenpaar Alfred Berger und Tina Parkkinen wohl nie die Frage. Die Architektur kann keine Sprünge machen wie die Entwicklung von Computerchips, deren Rechenleistung sich nach „Moors Gesetz“ alle 18 Monate verdoppelt. Obwohl gerade Architekten dafür berüchtigt sind, heftig mit dem technischen Fortschritt zu flirten. Le Corbusier zum Beispiel. Wie eine Vogelscheuche stand er als junger, dürrer Mann unentwegt am Rande der Baustellen herum, auf denen Beton, der Stoff der Zukunft, angemischt wurde. Er wollte der Erste sein, der damit abhebt. Sein berühmter Fünf-Punkte-Plan forderte unter anderem die freie Fahrt durchs Erdgeschoß, weil das Haus sich dank schlanker Betonstützen vom Boden erheben sollte wie die uralten Pfahlbauten an den Schweizer Seen.

Diesen Punkt haben Berger+Parkkinen übernommen. Auch in den Nachbargebäuden ist ein Geschoß für parkende Autos reserviert. Was den Vorteil hat, dass der Flächenverbrauch am Rande des Hagenberger Schlossparks auf die Gebäude und Erschließungsstraßen beschränkt bleibt, obwohl hier, eine Dreiviertelautostunde nordöstlich von Linz, jeder einen Wagen hat, der geparkt werden will. Nur sind Berger+Parkkinen mit ihrem Bauteil, dem dritten der FH, um einiges radikaler als die bloß aufgebockten Kisten in ihrer Umgebung. Das abfallende Gelände ausnutzend, senken sie die Parkplätze in den Hang hinein und überdecken sie mit einer Platte, auf der ein Platz entsteht, durch den der Hagenberger Campus diesen Namen erst wirklich verdient.

Eingefasst wird der Platz von einem teilweise dramatisch mit Corbusier'schen pilotis in die Höhe getriebenen modernen Vierseithof, der sich in seinen Proportionen an der benachbarten Meierei orientiert, einem für die FH umgebauten Renaissancegehöft, in dem 1993 mit dem Lehrbetrieb begonnen wurde. Der Weg aus den Studentenwohnheimen mit immerhin einhundertfünfzig Betten führt über den Platz auf eine Rampe, die den Campus mit der Hagenberger Altstadt verbindet. Die vor allem aus dem vom Architekten Peter Riepl aus Linz umgebauten Schloss besteht, wo das Risc-Center untergebracht ist, ein Forschungsinstitut des Mathematikers Bruno Buchberger, das die FH-Gründung und den übrigen Softwarepark nach sich zog.

Vom Schloss kommend könnte man aber auch gleich die unterste Ebene des Gebäudes ansteuern. Dem Parkdeck haben die Architekten noch einen Mehrzwecksaal und drei Hörsäle untergeschoben, schwere und wuchtig geformte Blöcke mit Eichenholzvertäfelung und einer Kruste aus rostrot durchgefärbtem Beton. Dass der Lehrbetrieb die parkenden Autos umschließt wie ein Sandwich seinen Belag, ist weniger trennend, als es vielleicht erscheinen mag. Zwei Treppen stoßen durch den Verkehrsraum hindurch, und eine von ihnen führt aus der Vorlesung direkt in die ovale Cafeteria am Rande des Platzes.

Rem Koolhaas ist neben Le Corbusier der zweite Stichwortgeber für diesen gerade wegen dieser Ahnenreihe höchst eigenen Entwurf. Sollte noch der finnische Volksheld Alvar Aalto hinzugezählt werden? Die gefächerten Decken in den Hörsälen und vor allem die recht trockene, mit striktem Modernismus durchgezogene Umbauung des Platzes sprechen dafür.

Mit diesem Dreigestirn lassen sich aus der, wie Alfred Berger sagt, „längst überwundenen Moderne“ doch noch gewaltige Funken schlagen. An Koolhaas geschult ist jedenfalls die Verschränkung der verschiedenen Funktionen zu einer dichten Packung, in der es immer wieder zu unerwarteten Begegnungen kommt. Mit Autos oder anderen Passanten, die gerade auf einer anderen Ebene unterwegs sind.

Der Hauptakteur dieses sensibel am Modell ausgetüftelten Raumgefüges aber ist nicht die Architektur, sondern die Landschaft. Sie zu rahmen und so dem zentralen Platz den Charakter einer Aussichtsplattform zu geben ist die Rechtfertigung dafür, einen simplen Bürotrakt zum Wolkenbügel hochstemmen zu dürfen. Bleibt nur noch abzuwarten, ob die Höhenluft klar genug ist, um die blendend weiße Putzfassade auch über Jahre so rein zu erhalten.

Für die Architekten ist es nach dem großen Auftakt mit der Botschaft der nordischen Länder in Berlin (1995-1999) das erste große Projekt in Österreich. Anfangs selbst im Zweifel, haben sie gezeigt, dass sie auch mit viel bescheideneren Mitteln hoch hinausgelangen können.

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