Bauwerk
Segantini Museum, Umbau
Hans-Jörg Ruch - St. Moritz (CH) - 1999
Renovierte Rotunde
Eröffnung des erneuerten Segantini-Museums in St. Moritz
16. Juni 1999 - Hubertus Adam
«Das Feld meiner Betätigung ist jetzt das schöne Dorf St. Moritz, . . . wo ich die grössten Schönheiten des Hochlandes vereinigt finde», heisst es in einem Brief Giovanni Segantinis vom Mai 1898. Anders als die meisten Wegbereiter der Moderne war der seit 1894 in Maloja ansässige Künstler mit seinen Werken auch wirtschaftlich erfolgreich; das zeigt sich nicht zuletzt an der breiten Unterstützung, die Segantini für eine Teilnahme an der Pariser Weltausstellung 1900 erhielt. Ein Engadiner Panorama, das mit einer Bildlänge von 220 Metern vergleichbare Rundgemälde in den Schatten gestellt hätte, sollte nicht nur die Meisterschaft des Malers dokumentieren, sondern überdies Besucher in das zum mondänen Ferienort sich wandelnde Dorf locken. Allerdings überforderte das als synästhetisches Gesamtkunstwerk konzipierte Projekt die zur Verfügung stehenden Mittel, so dass Segantini seine Vorhaben schrittweise reduzieren musste. Als Ergebnis blieb das «Alpentriptychon», dessen Vollendung indes durch Segantinis unerwarteten Tod im September 1899 verhindert wurde.
Als einige Freunde und Förderer des Künstlers 1907 den jungen ortsansässigen Architekten Nicolaus Hartmann, der schon durch Hotelbauten sowie das Engadiner Museum Aufsehen erregt hatte, beauftragten, ein Segantini-Museum für St. Moritz zu entwerfen, wurde die Orientierung am früheren Panorama-Projekt gefordert. Überdies sollte das Gebäude an der nach Champfèr führenden Dorfstrasse sich malerisch in die Landschaft einfügen und auf die Sterbehütte des Künstlers ausgerichtet sein, die sich auf dem Schafberg oberhalb von Pontresina befindet. Diesen Vorgaben entsprechend errichtete Hartmann ein Gebäude, das eher einem Mausoleum als einem Museum gleicht; Rundform und Oberlichtkranz des zylindrischen Baus erinnern entfernt an die Panorama-Architektur, doch leitet sich die stereometrisch reduzierte Formensprache eher von der zeitgenössischen Monumentalarchitektur ab, die nach einer modernen Synthese aus Pantheon, Theoderichsgrab und Mausoleum der Caecilia Metella suchte. Hartmann war mit derartigen Konzepten vertraut, hatte er doch prägende Jahre (1900-03) als Student bei Theodor Fischer in Stuttgart verbracht. Das Bruchsteinmauerwerk schien ihm der Hochgebirgsregion angemessen; es findet sich daher auch in weiteren Bauten Hartmanns, so in der katholischen Kirche in Samedan oder den Stationen der Rhätischen Bahn.
Die bedingte museale Tauglichkeit des Kunsttempels, in dessen Kuppelraum das von der Gottfried-Keller-Stiftung erworbene Alpentriptychon ausgestellt wurde (und wird), zeigte sich mit dem Wachsen der Sammlung: Der in den steilen Hang eingeschnittene Bau bot kaum Möglichkeiten zur Erweiterung. Hartmanns Erweiterungsidee von 1947 blieb Projekt. Abhilfe schaffte erst ein 1981 eröffneter, niedriger Erweiterungsbau, der sich bergseitig um das untere Geschoss der Rotunde legt. Mit seinen der Belichtung dienenden Plexiglaskuppeln, die im Winter unter dem Schnee verschwanden, erwies sich der Annex für Ausstellungszwecke als nur wenig geeignet. Den eigentlichen Anstoss für den Umbau des Segantini- Museums aber gab die nicht mehr akzeptable Haustechnik. Die Erneuerung der Infrastruktur bot die Gelegenheit, auch die funktionalen und ästhetischen Mängel des Gebäudes zu beheben. Der St. Moritzer Architekt Hans-Jörg Ruch, durch den Umbau des Kunstmuseums Chur (zusammen mit Peter Zumthor) und die Erweiterung des Hotels Saratz in Pontresina im Umgang mit historischer Bausubstanz ausgewiesen, brachte in überzeugender Weise denkmalpflegerische und museumspraktische Belange in Einklang.
Die bisher die Mitte des Kuppelsaals einnehmenden Heizapparate sind ebenso verschwunden wie die Abschrankungen, so dass man sich unmittelbar mit dem nun ohne Sockel und mit grösserem Abstand präsentierten Alpentriptychon konfrontiert sieht. Der Annexbau behielt zwar seine Proportionen, doch lässt nun ein der Krümmung der Aussenwand folgender Oberlichtschacht Tageslicht beinahe schattenfrei in den Saal einfallen. Ein künstlich belichtetes Graphikkabinett wurde vom Hauptsaal abgetrennt. Diesem antwortet auf der anderen Seite ein viergeschossiges Segment, das von Ruch in den Felsen hineingetrieben wurde und das neben Magazin- und Lagerräumen den bisher fehlenden Lift aufnimmt.
Ruchs Umbau ist im besten Sinne bescheiden; die Interventionen bleiben von aussen fast unsichtbar, und der graue Putz des Annexes tritt deutlich hinter das Bruchsteinmauerwerk der Rotunde zurück. In Segantinis 100. Todesjahr ist der problematische Spagat zwischen dem Erhalt eines historischen Baus und den heutigen Anforderungen vorbildlich gelungen. Man mag sich davon in der Eröffnungsausstellung überzeugen, welche - als Konzentrat der St. Galler Segantini- Schau - die Werke der Otto-Fischbacher-Giovanni-Segantini-Stiftung mit den eigenen Beständen vereint. (Bis 31. 10.)
Als einige Freunde und Förderer des Künstlers 1907 den jungen ortsansässigen Architekten Nicolaus Hartmann, der schon durch Hotelbauten sowie das Engadiner Museum Aufsehen erregt hatte, beauftragten, ein Segantini-Museum für St. Moritz zu entwerfen, wurde die Orientierung am früheren Panorama-Projekt gefordert. Überdies sollte das Gebäude an der nach Champfèr führenden Dorfstrasse sich malerisch in die Landschaft einfügen und auf die Sterbehütte des Künstlers ausgerichtet sein, die sich auf dem Schafberg oberhalb von Pontresina befindet. Diesen Vorgaben entsprechend errichtete Hartmann ein Gebäude, das eher einem Mausoleum als einem Museum gleicht; Rundform und Oberlichtkranz des zylindrischen Baus erinnern entfernt an die Panorama-Architektur, doch leitet sich die stereometrisch reduzierte Formensprache eher von der zeitgenössischen Monumentalarchitektur ab, die nach einer modernen Synthese aus Pantheon, Theoderichsgrab und Mausoleum der Caecilia Metella suchte. Hartmann war mit derartigen Konzepten vertraut, hatte er doch prägende Jahre (1900-03) als Student bei Theodor Fischer in Stuttgart verbracht. Das Bruchsteinmauerwerk schien ihm der Hochgebirgsregion angemessen; es findet sich daher auch in weiteren Bauten Hartmanns, so in der katholischen Kirche in Samedan oder den Stationen der Rhätischen Bahn.
Die bedingte museale Tauglichkeit des Kunsttempels, in dessen Kuppelraum das von der Gottfried-Keller-Stiftung erworbene Alpentriptychon ausgestellt wurde (und wird), zeigte sich mit dem Wachsen der Sammlung: Der in den steilen Hang eingeschnittene Bau bot kaum Möglichkeiten zur Erweiterung. Hartmanns Erweiterungsidee von 1947 blieb Projekt. Abhilfe schaffte erst ein 1981 eröffneter, niedriger Erweiterungsbau, der sich bergseitig um das untere Geschoss der Rotunde legt. Mit seinen der Belichtung dienenden Plexiglaskuppeln, die im Winter unter dem Schnee verschwanden, erwies sich der Annex für Ausstellungszwecke als nur wenig geeignet. Den eigentlichen Anstoss für den Umbau des Segantini- Museums aber gab die nicht mehr akzeptable Haustechnik. Die Erneuerung der Infrastruktur bot die Gelegenheit, auch die funktionalen und ästhetischen Mängel des Gebäudes zu beheben. Der St. Moritzer Architekt Hans-Jörg Ruch, durch den Umbau des Kunstmuseums Chur (zusammen mit Peter Zumthor) und die Erweiterung des Hotels Saratz in Pontresina im Umgang mit historischer Bausubstanz ausgewiesen, brachte in überzeugender Weise denkmalpflegerische und museumspraktische Belange in Einklang.
Die bisher die Mitte des Kuppelsaals einnehmenden Heizapparate sind ebenso verschwunden wie die Abschrankungen, so dass man sich unmittelbar mit dem nun ohne Sockel und mit grösserem Abstand präsentierten Alpentriptychon konfrontiert sieht. Der Annexbau behielt zwar seine Proportionen, doch lässt nun ein der Krümmung der Aussenwand folgender Oberlichtschacht Tageslicht beinahe schattenfrei in den Saal einfallen. Ein künstlich belichtetes Graphikkabinett wurde vom Hauptsaal abgetrennt. Diesem antwortet auf der anderen Seite ein viergeschossiges Segment, das von Ruch in den Felsen hineingetrieben wurde und das neben Magazin- und Lagerräumen den bisher fehlenden Lift aufnimmt.
Ruchs Umbau ist im besten Sinne bescheiden; die Interventionen bleiben von aussen fast unsichtbar, und der graue Putz des Annexes tritt deutlich hinter das Bruchsteinmauerwerk der Rotunde zurück. In Segantinis 100. Todesjahr ist der problematische Spagat zwischen dem Erhalt eines historischen Baus und den heutigen Anforderungen vorbildlich gelungen. Man mag sich davon in der Eröffnungsausstellung überzeugen, welche - als Konzentrat der St. Galler Segantini- Schau - die Werke der Otto-Fischbacher-Giovanni-Segantini-Stiftung mit den eigenen Beständen vereint. (Bis 31. 10.)
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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