Bauwerk

Messezentrum Mailand
Massimiliano Fuksas - Rho (I)

Ausstellungsmaschine der Zukunft

Das neue Mailänder Messezentrum Rho-Pero von Massimiliano Fuksas

Zweckbauten und futuristisch anmutende Architekturen bestimmen das soeben vollendete Mailänder Messezentrum Rho-Pero von Massimiliano Fuksas. Das Gelände der Fiera Campionaria, die den Südostteil der weiterhin betriebenen innerstädtischen Fiera Città einnimmt, soll hingegen mit drei spektakulären Hochhäusern bebaut werden.

13. September 2005 - Gabriele Detterer
La Vela - das Segel ist das Wahrzeichen der neuen Mailänder Messe in Rho-Pero vor den Toren der lombardischen Metropole. Die transparente Überdachung vermittelt Leichtigkeit und Schwung. Das steht der Anlage gut an, denn deren Daten sprechen von einem Koloss der Superlative. Rund eine halbe Million Quadratmeter wurde bebaut. Acht Ausstellungshallen, achtzig Versammlungsräume und Bürogebäude, vierzehn Restaurants und zahlreiche Bars sowie zehntausend Parkplätze und ein Helikopterlandeplatz wurden realisiert, aber auch Tausende von Bäumen gepflanzt. In Planung befinden sich zudem zwei Hotels am Haupteingang. Michele Perini, der Präsident der Messe, bezeichnet den hypermodernen Komplex als eine «avantgardistische Ausstellungsmaschine». Kostenpunkt: 750 Millionen Euro, nicht mitgerechnet die verkehrstechnische Erschliessung der neuen Messe, die Mitte September mit dem «Salone del Ciclo» dem Publikum definitiv zugänglich gemacht wird.
Messearchitektur der Superlative

Was steckt hinter den beeindruckenden Zahlen? Ein Projekt, welches das Messegeschäft zu einer der wichtigsten Einnahmequellen Mailands ausbauen und die städtebauliche Expansion der Metropole nach Westen vorantreiben möchte. Mit dem Neubau verbunden ist die Sanierung von Industrieland, erstreckt sich doch das Messequartier auf dem Terrain der ehemaligen Agip-Raffinerie Rho, die bis zur Schliessung im Jahre 1992 die Luft verpestete. In einem Kraftakt hat man den öden Ort umgestaltet, den Boden abgetragen und von Schadstoffen gereinigt. Im vergangenen März öffnete man den prestigereichen Messeneubau kurz vor den Regionalwahlen provisorisch mit der eilig ausgerichteten Expo «Italia Real Estate». Nach dem Wahlsonntag wurden die Tore wieder geschlossen und das Gelände abgesperrt, da noch lange nicht alles fertiggestellt war. Die Vorverlegung der Einweihung zu Wahlkampfzwecken bewog den Architekten Massimiliano Fuksas, demonstrativ den Eröffnungsfeierlichkeiten fernzubleiben. Diese Entscheidung muss ihm schwer gefallen sein, bezeichnet der römische Architekt, der unter anderem die Wiener Twin Towers gebaut und das Kongresszentrum in Rom-EUR entworfen hat, das Mailänder Messezentrum doch als sein gelungenstes Projekt.

In Riesenschritten, genauer in dreiunddreissig Monaten, nahmen die Neubauten Gestalt an; eine Rekordzeit für italienische Verhältnisse, bestätigt Fuksas und demonstriert, wie er in der Anfangsphase der Projektplanung durch manuelle Verformung von erhitztem Plastic das Modell des Segels entwarf und wie spannend es war, die bauliche Umsetzung zu verfolgen und schliesslich festzustellen: Es ist gelungen! Das Segel strafft und lockert zugleich die gewaltigen Dimensionen des umbauten Raumes. Als bis zu 27 Meter hohes, von vielarmigen Tragmasten gestütztes Dach aus Glas und Stahl überwölbt es eine 1300 Meter lange Fussgängerbrücke, welche als pfeilgerade zentrale Hauptader die gesamte Längsachse des Messekomplexes durchmisst. Dieser Viale Centrale unterstreicht das Konzept eines übersichtlichen, die Horizontale betonenden Messezentrums mit offener Umgrenzung. So hat Fuksas die Fussgängerbrücke als «öffentlichen urbanen Raum» angelegt, der unabhängig von Veranstaltungen zugänglich sein soll. An ihrem östlichen Ende lässt sie in der Ferne die Spitze des Mailänder Doms und den «Pirellone», Gio Pontis Hochhaus beim Hauptbahnhof, erkennen.

Vom Segel beschirmt werden auch die entlang der Passerelle stehenden Pavillons mit Shops, Bars und Restaurants. Die auf Stelzen im Wasser errichteten eiförmigen «Achtfüssler» entpuppen sich als Varianten des Modells, das Fuksas für die Distillerie Nardini in Bassano del Grappa entworfen hat. Die biomorphe Form der an futuristische Visionen der Sixties anspielenden Blasen erinnert hingegen an Fuksas' Entwurf für das Römer Kongresszentrum mit dem sich trichterförmig aufwölbenden Glasdach und einem Auditorium, dessen Aussenwand ein weiteres Gestaltungsprinzip des Architekten visualisiert: die minimale Verschiebung von Formen. Die Pavillons und das Auditorium von Rho-Pero stehen im Kontrast zur zweckdienlichen Einfachheit der vier rechts und links des Übergangs errichteten Messehallen. Deren Inneres erinnert an Bühnenräume; durch ein kraterförmiges Oberlicht fällt Sonnenschein, der wie ein kreisrunder Scheinwerfer aufblitzt und den Standort der Info-Theke markiert. Die schmucklosen Gebäude lassen sich leicht den jeweiligen Erfordernissen anpassen.

Von Planungsbeginn an war es Fuksas' Intention, das neue Flaggschiff der Mailänder Messegesellschaft als Verknüpfung schneller interner Wege und problemloser Zufahrten zu konzipieren. Mobilität auf der ganzen Linie! Die Autobahn 4 führt am Messegelände vorbei, eine Haltestation der Bahnlinie Mailand-Turin-Lyon ist geplant, die rote Metrolinie MM1 verbindet die innerstädtische Fiera Città mit dem Standort Rho- Pero. Wenn man von der neuen Messe zurück ins Zentrum der Metropole fährt, gelangt man auf den Corso Sempione. An der Via Domodossola, einer Querstrasse zum Corso Sempione, liegen die Anfänge der modernen Messestadt Mailand. Hier etablierte sich im Jahre 1923 die Fiera Campionaria, die Mailänder Mustermesse, als Kern der heutigen Fiera Città. Der Gang übers Gelände war einst, wie Edoardo Persico 1934 schrieb, ein Parcours durch die Stilvielfalt Mailänder Architektur: Rationalismus konkurrierte mit anachronistischem Eklektizismus, wie etwa der 1927 entstandene Pavillon der italienischen Druckindustrie von Gio Ponti zeigt. Demgegenüber ist das neue Messezentrum Rho-Pero eine höchst funktionale, übersichtlich strukturierte und auf Wandelbarkeit angelegte Anlage aus einem Guss, die als «Event-City» Grossveranstaltungen aller Art aufnehmen kann.

Türme für das innerstädtische Areal

Die Eröffnung der neuen Messe Rho-Pero bedeutet nicht das Ende der innerstädtischen Fiera Città. Deren von dem Mailänder Designer Mario Bellini Ende der achtziger Jahre entworfene Portello-Ausstellungshallen werden weiterhin «light exhibitions» genannte Messeveranstaltungen wie die Fashion-Fair beherbergen. Allerdings wird das historische, den Bellini-Gebäuden vorgelagerte Gelände der einstigen Fiera Campionaria neu bebaut. Bis auf wenige Pavillons werden die Gebäude demoliert. Auf den Freiflächen sollen ab 2006 neue städtische Wahrzeichen in den Himmel wachsen. Drei höchst unterschiedlich geformte, bis zu 218 Meter hohe Gebäude sollen Mailand mit einer zeitgemässen Skyline versehen, die den 127 Meter hohen «Pirellone» in den Schatten stellen werden. Geplant von Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Arata Isozaki, werden die drei Grattacieli ein weitflächiges Parkgelände überragen. Schon jetzt wird das Projekt, das 2014 vollendet sein soll, als städtebauliche «Revolution» bezeichnet.

[ Die neuen Messebauten der Fiera Milano Rho-Pero werden einem breiteren Publikum erstmals während des «Salone del Ciclo» vom 16. bis 19. September zugänglich sein. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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