Bauwerk

AR/WO X
Ganahl Ifsits Architekten - Wien (A) - 1998

Blutauffrischung in Wien-Favoriten

Neue Häuser

Die Architekten Ifsits Ganahl Larch planten die wegweisende Anlage AR/WO X. Die Option des heimnahen Arbeitsplatzes ist bis dato nicht voll ausgeschöpft, aber noch immer offen.

21. Februar 2004 - Isabella Marboe
Dichter, gründerzeitlicher Blockraster, mehrheitlich geschlossen von schmucklosen Wohnbauten der Nachkriegsdekaden, keinerlei Grün, kaum Läden, vereinzelte Industriebauten: Das Grätzel um die Fernkorngasse in Favoriten hatte eine Blutauffrischung bitter nötig. Am Block eines früheren Fabriksgeländes gibt es sie nun in Form eines hoch innovativen Komplexes namens AR/WO X.

Städtebaulich brechen die vier reizvoll gegliederten, eleganten Baukörper mit offenem Gewerbe-Sockel den starren Blockraster. Je zwei voneinander abgesetzte Riegel mit durchlässigen Querdurchgängen säumen die Sonnleithnergasse im Osten und die Fernkorngasse im Westen. Als luftig grüne Schneise mit weitläufigen Treppenanlagen, Kinderspiel- und Sitzzonen verläuft mittig der lang gestreckte Hof von der Davidgasse im Norden zur Inzersdorfer Straße im Süden. Sie liegt fast vier Meter tiefer, was dezente Tiefgaragen- und Anlieferungszufahrt ermöglicht.

Angedacht war AR/WO X als Initialprojekt und Gründerzentrum für Jungunternehmer, an den Baukörpern ist das noch ablesbar: Zwei Wohntrakten ist hofseitig eine flexibel zumietbare, vollelektronisch ausgestattete Bürostruktur vorgelagert. Jede Einheit hat Sanitärblock und Teeküche und lässt sich theoretisch von der 35-m²-Minimalvariante bis zur Geschoßkapazität von ca. 500 m² erweitern. Luftbrücken weiten sich dynamisch zum Büroentree, führen auf die Wohnungslaubengänge, schaffen der komfortablen, heimnahen Workstation die nötige Distanz.

Mit sechsstöckigen Lufträumen, ausblickreich und witterungsresistent verglast, wird die Erschließungsmitte zum großzügigen inneren Gemeinschaftsraum. Die zwei vertikal durchmischt nutzbaren Riegel markieren als Pas de deux das Nordost- und Südwest-Eck des Blocks, wo der externe Stiegenhausturm und die vorgezogene Wohnseite ein attraktives urbanes Eck artikulieren. Hier wohnt man auf einer Ebene, während der artverwandte Bruder mit Maisonetten und Innentreppe punktet. Als diagonales Gegensatzpaar komplettieren zwei geschlossene Trakte mit durchgesteckten, räumlich offenen und großzügigen, West/Ost-belichteten Wohnungen das Baukörperquartett. Verglaste, von Metallbrüstungen ruhig gerahmte, durch ausgiebige Nutzung aufgelockerte Veranden erweitern als Puffer den Innenraum, ergeben eine so elegante wie lebendige Fassade zur Fernkorn- und Sonnleithnergasse. Oben aufliegende Lofts mit Terrassen schließen drei der Baukörper zum Himmel luftig ab, wie Arkaden weiten die Säulen vor der zurückgesetzten Sockelzone das Trottoir und lassen die Baukörper schmäler erscheinen. Die ganze Anlage weist mit Sonnenkollektoren auf extensiv begrünten Dächern, Erdkoffern im Hof, verglasten Loggien und Hallen Niedrigenergiestandard auf.

Mehrere Geschoße belegte die Post mit Sortierzentrum und Büros an der Sonnleithnergasse, zum Hof öffnet sich das Postamt, weiters sind Trafik, Friseur und zwei Großmärkte eingemietet. Bodennah funktioniert die Durchmischung, die Option des heimnahen Arbeitsplatzes in der Vertikalen wurde leider weit weniger ausgeschöpft. Prinzipiell könnten zehn Minibüros pro Geschoß betrieben werden, de facto haben sich 16 Unternehmer und sechs Lokale eingenistet.

Wohnbau ist sehr innovationsresistent - es spricht für die Qualität der architektonischen Struktur, dass die konzipierten Büroeinheiten mühelos als Wohnungen zu vergeben waren. Derzeit gibt es in der von Wiener Heim, Österreichischem Siedlungswerk und Mischek betriebenen Anlage 186 Wohnungen, was sich mit dem Einzug neuer Selbstständiger zugunsten der Büros rasch ändern kann.

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