Bauwerk

Museum im Heldenberg
Ebner, Ullmann - Großwetzdorf (A) - 2005
Museum im Heldenberg, Foto: Margherita Spiluttini
Museum im Heldenberg, Foto: Margherita Spiluttini
17. September 2006 - Az W
Die Anlage des Heldenbergs im niederösterreischischen Kleinwetzdorf besteht im Wesentlichen aus einem tempelartigen, dreiflügeligen Bau mit einem Säulenportikus und einer weitläufigen Gartenanlage, die in Rondeaus und Alleen die heldenhaftesten Militärs der k.k. Armee und ihre habsburgischen Kaiser in Form von Büsten im damals hochmodernen Zinkguss verewigt. Unter einem mächtigen Obelisken befindet sich als Herzstück dieser kaisertreuen Wallhalla der Eingang zu einer unterirdische Gruft. Dort, tief unter dem Boden des Heldenbergs, liegen der Stifter der Anlage, Joseph Pargfrieder und seinen beiden Freunde, die hochrangigen Militärs Generalfeldmarschall Radetzky und der Generalmajor Wimpffen begraben. Pargfrieder, ein als Armeelieferant reich gewordener Emporkömmling, schaffte mit diesem Clou, was ihm die Etikette und die Snobs am kaiserlichen Hof versagten. Kaiser Franz Joseph, der auf einen Pargfrieder, selbst wenn er, wie die Legende behauptet, ein illegitimer Sohn Kaiser Joseph II. gewesen sein soll, keinen Pfifferling gab, musste sich anlässlich der Beisetzung des populären Radetzky auf den Heldenberg bemühen. Da aber Seine Majestät nicht ohne weiteres mit einem Bürgerlichen verkehren konnte, war er auch noch gezwungen Pargfrieder in den Adelsstand zu erheben. Das war der späte Triumph eines geschickten Händlers und Industriellen, ein Sieg, wie ihn Radetzky auf dem Schlachtfeld nicht erlebte.

Für diesen obskuren Garten toter Helden haben Peter Ebner und Franziska Ullmann, vor einiger Zeit einen Wettbewerb für die Errichtung eines Museums gewonnen. Sie haben, ein naheliegendes Konzept für diesen Ort der Katakomben, ihren Neubau nun ebenfalls unter die Erde verlegt. Damit bleibt das historische Ensemble unangetastet, wird es weder konkurrenziert noch beeinträchtigt.
Einzig der Eingangsbereich, der über eine Rampe erschlossen wird, taucht mit seiner schwebende Plattform aus der Tiefe auf. Die auskragende Betonkonstruktion mit ihrem gläsernen Raumabschluss empfängt den Besucher und bietet ihm eine klare Orientierung. Der Rest der Anlage verbirgt sich unter einer Erhebung, die Teil der Heldenberganlage ist und nur von wenigen Belichtungselemente durchstoßen wird. Weil dieses Bauwerk keine Fassade im eigentlichen Sinn besitzt, richtete sich von Anfang das gestalterische Interesse auf die Formulierung des Innenraums. Die Sensation des Baus ist nicht das Äußere, welches er faktisch nicht besitzt, sondern sein Innenleben und die Bezüge, die sich vom Innen zum Außen ergeben. Es sind kommunizierende Gefäße, die durch das sanfte Definieren von Orten, Wegen und Übergängen zu einem räumlich komplexen Kontinuum verdichtet wurden. Gerade jetzt, im noch rohen Zustand, ohne Installationen und ohne Ausstellungseinbauten ist die faszinierende Dichte dieses Innenraums intensiv spürbar. Vom bereits angesprochenen Foyer führt ein rund 5 m breiter Gang in die Tiefe, um sich nach einige Metern zu gabeln. Linker Hand befindet sich ein kleiner Annexraum, dessen Decke noch oben weg geklappt ist und dessen Boden leicht nach unten abfällt. An seiner Stirnseite rieselt Licht ins Dunkel, wobei die Quelle für den Betrachter nicht einsehbar ist. Durch dieses Ausleuchten mit natürlichem, indirekten Licht, entsteht ein hofartiger Bereich, dessen Grenzen nicht wirklich dingfest zu machen sind. Auf kleinstem Raum stellt sich so der Eindruck von großer Weite ein.

Dasselbe Prinzip setzt sich in der gegenüberliegenden Richtung fort. Entlang eines durch gefaltete Wandflächen gebildeten schlauchartigen Raums fällt an einer Seite Tageslicht ins Innere und lenkt den Besucher in die Tiefe. Der Weg führt ihn nach rund 20 m wieder auf eine T-förmige Raumgabelung zu. Die beidseits anschließenden Raumausbuchtungen sind zwar spürbar, erschließen sich dem Betrachter aber erst im letzten Moment, wenn er die Kreuzung erreicht. In dem der rechte Winkel (nur die Wände selbst sind lotrecht) entfällt, gelingt es den Raum einzuschnüren, ihn wieder in die Weite fließen zu lassen oder um es negativ auszudrücken, der Raum bricht nicht, knickt nicht weg, sondern entwickelt sich entlang multiachsialer Bezüge. Es ergeben sich so Platzbereiche, die von einer Zone in eine andere hinüber leiten und den Besucher in unbewusster Weise lenken. Unterstützt wird dieses Konzept durch zwei weitere Elemente. Mit der Modulation der Raumhöhen wird eine Stelle zum Ort oder umgekehrt zum Weg, Innehalten und Dynamisieren des Betrachters bestimmt und zusätzlich durch den Einsatz des Lichts gesteuert. Je nach räumlicher Gegebenheit fällt es als Seiten- bzw. Oberlicht ins Innere.
Selten wird so unmittelbar spürbar, wie sich Raum im Licht entfaltet. In der Finsternis bewegen wir uns wie die Würmer, tastend begreifend, nicht sehend abstrahierend. Erst das Licht macht uns zu zur Vernunft begabten Wesen, erschließt uns die Abstraktion, befähigt uns zur Kommunikation mit Zeichen und Codes. In diesem Sinn ist dieses Museum keine Höhle und auch kein begehbarer Uterus. Sein ausgeklügeltes Falten und Ineinander-Verschachteln, das in vielen gebauten Innenraum-Modellen durchgespielt wurde, erinnert viel eher an die Kunst des Oregami. (Text: Roman Höllbacher)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

Akteure

Architektur

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie