Bauwerk
MPREIS Wörgl Ost
Tatanka - Wörgl (A) - 2002
Vielfalt als Corporate Design
Marketingkonzept der Tiroler Supermarktkette MPreis
Mit ihren jeweils individuell und dabei stets mit hohem architektonischen Anspruch gestalteten Filialen erzielt die Tiroler Supermarktkette MPreis einen hohen Wiedererkennungswert ohne dabei in Gleichförmigkeit zu verfallen. Ihr Anliegen ist es, dem Kunden nicht nur eine attraktive Produktauswahl, sondern ein räumliches Kauferlebnis zu bieten.
6. Juli 2006 - Gretl Köfler
Italienische Antipasti und Serranoschinken, Couscous, Kokosmilch und Trüffelleberwurst - solche kulinarischen Köstlichkeiten gibt es in Tirol nicht nur in den städtischen Zentren, sondern auch in vielen Dörfern, von Elbigenalp bis Ebbs, von Nauders bis Sillian. Selbst die Urlauber halten inzwischen Ausschau nach dem oft spielerisch verformten roten Würfellogo mit dem silbernen „M“. Statt auf öde Einkaufskisten treffen sie auf Orte, wo mit modernen Materialien, mit Licht und Weite der alltägliche Einkauf zum Erlebnis wird. An die 140 „MPreis-Filialen“ gibt es inzwischen und fast jeden Monat eröffnet irgendwo ein neuer, wobei die Landesgrenzen nur selten überschritten werden.
MPreis sieht sich selbst als Lebensmittelnahversorger, nicht als Architekturprojekt. Gründerin ist die legendäre Stammmutter Therese Mölk. Sie legte in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einer Gemischtwarenhandlung, einer Bäckerei und einer Molkerei in Innsbruck den Grundstein für den Erfolg des Familienunternehmens. Zusammen mit ihrem Ehemann und acht Kindern betrieb sie bereits 1929 elf Verkaufsläden in Innsbruck und Hall. Seit den siebziger Jahren ist die dritte Generation am Ruder. Die Cousins Hansjörg und Anton Mölk formten aus etwa 30 stagnierenden Tante-Emma-Läden eine äußerst erfolgreiche Lebensmittelkette, die ihren Marktanteil von 2,5 Prozent auf derzeit 35 steigern konnte. Sie ist mit 3800 Mitarbeitern und einem Umsatz von 430 Millionen Euro (Zahlen von Juni 2006) der zweitgrößte Nahversorger des Landes. Die Strategie ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Ein zeitgemäßes, vollständiges Angebot - derzeit fast 11000 Waren - wird möglichst nahe an den Kunden herangebracht und die Preise sind überall gleich. Die starke Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft in Nord- und Südtirol ermöglicht neben internationalen Marken auch regionalen Klein- und Mittelbetrieben ihre Produkte landesweit anzubieten, Bio vom Berg und Fair Trade haben ihren fixen Platz. Die Kunden außerhalb der zentralen Orte fühlen sich ernst genommen und werden nicht mit einem lückenhaften Angebot zweiter Wahl zu überhöhten Preisen abgefertigt. Teil der Erfolgsstory sind die integrierten „Baguettes“, sonnendurchflutete Cafés mit Ausblick und hauseigenem Gebäck, die sich zu kommunikativen Zentren entwickelten. Wo der Dorfladen und das Wirtshaus den Betrieb eingestellt haben, trifft man sich zum Plausch bei MPreis und in den gesichtslosen Gewerbegebieten können die Hausfrauen auf Einkaufstour und die Angestellten in der Mittagspause einen erholsamen Stopp einlegen.
MPreis füllt die Lücke zwischen Greißlerei (Ausschank mit Verkauf, Anmerkung der Redaktion) und Einkaufszentrum, Architektur dient dabei als wichtiges, aber nicht einziges Mittel zum Zweck. „Gerade in einem Land, in dem eine solche Vielfalt an landschaftlichen Besonderheiten, kulturellen Traditionen und Dialekten herrscht, ist die Verantwortung diesem Umstand gegenüber groß“ meint Hansjörg Mölk. Das Ergebnis ist das Produkt eines über Jahrzehnte fortlaufenden Diskussionsprozesses zwischen Bauherren und Architekten mit viel Lust am Experiment. Am Anfang, als Corporate Identity (CI) im deutschsprachigen Raum zum flächendeckenden Siegeszug ansetzte, traf Anton Mölk auf den Innsbrucker Architekten Heinz Planatscher. Er entwickelte Mitte der achtziger Jahre ein dezidiert architektonisches Gestaltungskonzept und das Logo für die bis dahin farblosen Märkte; die horizontalen Putzfaschen und die blauen Fenster sind noch heute kennzeichnendes Merkmal mehrerer Innsbrucker Filialen. Der Erfolg gab ihm Recht und die Sensibilität der beiden Unternehmer für Architektur war geweckt, sie entsprang nicht vordergründig marktstrategischen Überlegungen, sondern echtem Interesse und Leidenschaft.
Den nächsten Entwicklungsschritt setzte mit dem Architekten Wolfgang Pöschl wiederum eine Zufallsbekanntschaft. Der damals 40-jährige, wie viele seiner Generation in partnerschaftlicher Beziehungsarbeit trainiert, wusste aus eigener Erfahrung einiges über den Frust des täglichen Lebensmitteleinkaufs, über dunkle Räume, schwere Taschen, lange Wege. Folgerichtig empfiehlt er in seiner Anleitung für Kopisten „Gehen Sie selbst regelmäßig einkaufen, erledigen Sie den Wocheneinkauf für Ihre Familie.“ Nach längeren Diskussionen mit den Bauherren und deren Aufforderung: „Machen Sie aus dem Lebensmittelmarkt ein positives Umfeld, Einkaufen gehen muss nicht wehtun“ entwarf Pöschl das Konzept eines „fiktiven MPreises“, wobei er primär Überlegungen über die Funktion anstellte. Es galt keinen „schönen Raum“ zu schaffen, in dem „leider“ Regale stehen, sondern sich mit den Funktionen und Bedürfnissen eines Lebensmittelmarktes so auseinanderzusetzen, dass sie ein logischer, wenn auch austauschbarer Bestandteil des Ganzen werden. Das Konzept gilt heute noch. Materialien, Regalstellungen, Konstruktion, Lichtlösungen und Raumkonzepte werden immer wieder hinterfragt und neue, ungewöhnliche Lösungen sind inzwischen Teil der CI. Das einzige Argument, das einen Architekten in den Augen der Bauherren disqualifiziert, ist, wenn er sich nur über die Hülle und nicht über den Inhalt den Kopf zerbricht. Sogar Dominique Perrault - als einziger auswärtiger Architekt mit drei MPreis-Filialen in Wattens und Zirl vertreten - zerbrach sich den Kopf über das richtige Licht am Wurststand.
Anfangs stießen die neuen Konzepte auf Widerstand. Bürgermeistern gefiel die Form nicht, Kammervertreter mäkelten und die anderen Lebensmittelketten sahen ihre Positionen bedroht. Pöschls erster Entwurf für Hall wurde unter fadenscheinigen Vorwänden abgewürgt. Bereits sein zweites Projekt am nördlichen Ortsrand von Lienz erhielt 1993 als erster Supermarkt die „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen“. Die Kunden fragten sich anfangs zwar, wann die fragile Konstruktion aus Wellblech und Spanplatten zusammenbräche, doch die wechselnden Tageslichtstimmung und die Aussicht auf einen alten Nussbaum überzeugten. Die Widerborstigkeit und Fetzigkeit war nicht zufällig, sondern genau kalkuliert und Heterogenität gehörte zum Programm. Alles was „Bedeutung“ suggerierte, war dem Architekten suspekt, denn „die starrsten Firmen haben am besten das CI beherrscht“. Inzwischen haben über 30 Tiroler Architekten aus drei Generationen - viele von ihnen über die Landesgrenzen bekannt - ihre architektonische Handschrift hinterlassen und MPreis hat dafür internationale Aufmerksamkeit und viele Baupreise eingeheimst. Für jeden Ort werden die Räume im Dialog mit den Bauherren maßgeschneidert. Zwar ist der Kostenrahmen vorgegeben - er liegt angeblich um 30 Prozent niedriger als bei der Konkurrenz, doch innerhalb dieses Rahmens genießt der Architekt größtmögliche Freiheit, trifft auf wenige bürokratische Hindernisse und jeder erhält dasselbe Honorar. Kein Supermarkt gleicht dem anderen, jeder ist sorgfältig in die Landschaft komponiert, mit seiner Umgebung vernetzt und achtet die Bedürfnisse der Anrainer.
In den neunziger Jahren waren die Supermärkte vornehmlich an den Ortsrändern angesiedelt, wobei für MPreis die ideale Größe bei ca. 1300 m² lag. Die novellierte Tiroler Raumordnung hat das Wachstum außerhalb der Kernzonen gebremst und auf dem derzeitigen Stand eingefroren. Die uferlose Größe ist passé. MPreis setzt deshalb zunehmend auf Intensivierung und Verdichtung in den Zentren und an ungewöhnlichen Punkten. Bedingt durch die ständig steigenden Treibstoffpreise wird „Fußläufigkeit“ wieder zum Thema. Da in den Ortskernen die Baugründe rar sind, wird eine langfristig Planung in Kombination mit anderen Bauvorhaben sinnvoll, mit dem Gemeindezentrum oder der Arztpraxis, mit dem Kindergarten oder dem Seniorenheim. Es ist jedenfalls absehbar, dass MPreis auch weiterhin wirtschaftlichen Erfolg und baukulturellen Anspruch unter einen Hut bringen wird.
MPreis sieht sich selbst als Lebensmittelnahversorger, nicht als Architekturprojekt. Gründerin ist die legendäre Stammmutter Therese Mölk. Sie legte in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einer Gemischtwarenhandlung, einer Bäckerei und einer Molkerei in Innsbruck den Grundstein für den Erfolg des Familienunternehmens. Zusammen mit ihrem Ehemann und acht Kindern betrieb sie bereits 1929 elf Verkaufsläden in Innsbruck und Hall. Seit den siebziger Jahren ist die dritte Generation am Ruder. Die Cousins Hansjörg und Anton Mölk formten aus etwa 30 stagnierenden Tante-Emma-Läden eine äußerst erfolgreiche Lebensmittelkette, die ihren Marktanteil von 2,5 Prozent auf derzeit 35 steigern konnte. Sie ist mit 3800 Mitarbeitern und einem Umsatz von 430 Millionen Euro (Zahlen von Juni 2006) der zweitgrößte Nahversorger des Landes. Die Strategie ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Ein zeitgemäßes, vollständiges Angebot - derzeit fast 11000 Waren - wird möglichst nahe an den Kunden herangebracht und die Preise sind überall gleich. Die starke Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft in Nord- und Südtirol ermöglicht neben internationalen Marken auch regionalen Klein- und Mittelbetrieben ihre Produkte landesweit anzubieten, Bio vom Berg und Fair Trade haben ihren fixen Platz. Die Kunden außerhalb der zentralen Orte fühlen sich ernst genommen und werden nicht mit einem lückenhaften Angebot zweiter Wahl zu überhöhten Preisen abgefertigt. Teil der Erfolgsstory sind die integrierten „Baguettes“, sonnendurchflutete Cafés mit Ausblick und hauseigenem Gebäck, die sich zu kommunikativen Zentren entwickelten. Wo der Dorfladen und das Wirtshaus den Betrieb eingestellt haben, trifft man sich zum Plausch bei MPreis und in den gesichtslosen Gewerbegebieten können die Hausfrauen auf Einkaufstour und die Angestellten in der Mittagspause einen erholsamen Stopp einlegen.
MPreis füllt die Lücke zwischen Greißlerei (Ausschank mit Verkauf, Anmerkung der Redaktion) und Einkaufszentrum, Architektur dient dabei als wichtiges, aber nicht einziges Mittel zum Zweck. „Gerade in einem Land, in dem eine solche Vielfalt an landschaftlichen Besonderheiten, kulturellen Traditionen und Dialekten herrscht, ist die Verantwortung diesem Umstand gegenüber groß“ meint Hansjörg Mölk. Das Ergebnis ist das Produkt eines über Jahrzehnte fortlaufenden Diskussionsprozesses zwischen Bauherren und Architekten mit viel Lust am Experiment. Am Anfang, als Corporate Identity (CI) im deutschsprachigen Raum zum flächendeckenden Siegeszug ansetzte, traf Anton Mölk auf den Innsbrucker Architekten Heinz Planatscher. Er entwickelte Mitte der achtziger Jahre ein dezidiert architektonisches Gestaltungskonzept und das Logo für die bis dahin farblosen Märkte; die horizontalen Putzfaschen und die blauen Fenster sind noch heute kennzeichnendes Merkmal mehrerer Innsbrucker Filialen. Der Erfolg gab ihm Recht und die Sensibilität der beiden Unternehmer für Architektur war geweckt, sie entsprang nicht vordergründig marktstrategischen Überlegungen, sondern echtem Interesse und Leidenschaft.
Den nächsten Entwicklungsschritt setzte mit dem Architekten Wolfgang Pöschl wiederum eine Zufallsbekanntschaft. Der damals 40-jährige, wie viele seiner Generation in partnerschaftlicher Beziehungsarbeit trainiert, wusste aus eigener Erfahrung einiges über den Frust des täglichen Lebensmitteleinkaufs, über dunkle Räume, schwere Taschen, lange Wege. Folgerichtig empfiehlt er in seiner Anleitung für Kopisten „Gehen Sie selbst regelmäßig einkaufen, erledigen Sie den Wocheneinkauf für Ihre Familie.“ Nach längeren Diskussionen mit den Bauherren und deren Aufforderung: „Machen Sie aus dem Lebensmittelmarkt ein positives Umfeld, Einkaufen gehen muss nicht wehtun“ entwarf Pöschl das Konzept eines „fiktiven MPreises“, wobei er primär Überlegungen über die Funktion anstellte. Es galt keinen „schönen Raum“ zu schaffen, in dem „leider“ Regale stehen, sondern sich mit den Funktionen und Bedürfnissen eines Lebensmittelmarktes so auseinanderzusetzen, dass sie ein logischer, wenn auch austauschbarer Bestandteil des Ganzen werden. Das Konzept gilt heute noch. Materialien, Regalstellungen, Konstruktion, Lichtlösungen und Raumkonzepte werden immer wieder hinterfragt und neue, ungewöhnliche Lösungen sind inzwischen Teil der CI. Das einzige Argument, das einen Architekten in den Augen der Bauherren disqualifiziert, ist, wenn er sich nur über die Hülle und nicht über den Inhalt den Kopf zerbricht. Sogar Dominique Perrault - als einziger auswärtiger Architekt mit drei MPreis-Filialen in Wattens und Zirl vertreten - zerbrach sich den Kopf über das richtige Licht am Wurststand.
Anfangs stießen die neuen Konzepte auf Widerstand. Bürgermeistern gefiel die Form nicht, Kammervertreter mäkelten und die anderen Lebensmittelketten sahen ihre Positionen bedroht. Pöschls erster Entwurf für Hall wurde unter fadenscheinigen Vorwänden abgewürgt. Bereits sein zweites Projekt am nördlichen Ortsrand von Lienz erhielt 1993 als erster Supermarkt die „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen“. Die Kunden fragten sich anfangs zwar, wann die fragile Konstruktion aus Wellblech und Spanplatten zusammenbräche, doch die wechselnden Tageslichtstimmung und die Aussicht auf einen alten Nussbaum überzeugten. Die Widerborstigkeit und Fetzigkeit war nicht zufällig, sondern genau kalkuliert und Heterogenität gehörte zum Programm. Alles was „Bedeutung“ suggerierte, war dem Architekten suspekt, denn „die starrsten Firmen haben am besten das CI beherrscht“. Inzwischen haben über 30 Tiroler Architekten aus drei Generationen - viele von ihnen über die Landesgrenzen bekannt - ihre architektonische Handschrift hinterlassen und MPreis hat dafür internationale Aufmerksamkeit und viele Baupreise eingeheimst. Für jeden Ort werden die Räume im Dialog mit den Bauherren maßgeschneidert. Zwar ist der Kostenrahmen vorgegeben - er liegt angeblich um 30 Prozent niedriger als bei der Konkurrenz, doch innerhalb dieses Rahmens genießt der Architekt größtmögliche Freiheit, trifft auf wenige bürokratische Hindernisse und jeder erhält dasselbe Honorar. Kein Supermarkt gleicht dem anderen, jeder ist sorgfältig in die Landschaft komponiert, mit seiner Umgebung vernetzt und achtet die Bedürfnisse der Anrainer.
In den neunziger Jahren waren die Supermärkte vornehmlich an den Ortsrändern angesiedelt, wobei für MPreis die ideale Größe bei ca. 1300 m² lag. Die novellierte Tiroler Raumordnung hat das Wachstum außerhalb der Kernzonen gebremst und auf dem derzeitigen Stand eingefroren. Die uferlose Größe ist passé. MPreis setzt deshalb zunehmend auf Intensivierung und Verdichtung in den Zentren und an ungewöhnlichen Punkten. Bedingt durch die ständig steigenden Treibstoffpreise wird „Fußläufigkeit“ wieder zum Thema. Da in den Ortskernen die Baugründe rar sind, wird eine langfristig Planung in Kombination mit anderen Bauvorhaben sinnvoll, mit dem Gemeindezentrum oder der Arztpraxis, mit dem Kindergarten oder dem Seniorenheim. Es ist jedenfalls absehbar, dass MPreis auch weiterhin wirtschaftlichen Erfolg und baukulturellen Anspruch unter einen Hut bringen wird.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel