Bauwerk
Luxemburger Philharmonie
Christian de Portzamparc - Luxemburg (L) - 2005
Architektonische Partitur in Weiss
Christian de Portzamparcs Philharmonie in Luxemburg
Mit der Uraufführung von Krzysztof Pendereckis Sinfonie Nr. 8 wurde in Luxemburg jüngst die neue Philharmonie eingeweiht. Das weisse Gebäude des französischen Architekten Christian de Portzamparc ist eine komplexe Architektur, die man auf einer Promenade architecturale abschreiten muss, um alle ihre Facetten zu erfahren.
9. Juli 2005 - Ina Helweg-Nottrot
Nur einen Steinwurf von Luxemburgs Innenstadt entfernt liegt der junge Stadtteil Kirchberg. Er ist gleichermassen Sammelbecken für banale Bürobauten und Tummelplatz international tätiger Architekten wie Gottfried Böhm, Richard Meier - oder Ieoh Ming Pei, der dort zurzeit ein Museum für moderne Kunst baut. Aber schon jetzt ist Kirchberg um ein Monument reicher: die jüngst eingeweihte Philharmonie von Christian de Portzamparc. Der von schlanken, weissen Pfeilern umspannte Baukörper über tropfenförmigem Grundriss erhebt sich im Zentrum des dreieckigen Europaplatzes, der von Ricardo Bofill im Geiste italienischer Renaissance-Plätze geschaffen wurde. Der strengen Rechtwinkligkeit der Randbebauung steht die bald gekurvte, bald spitz zulaufende Form des Musikhauses entgegen. In dieser architektonischen Skulptur kommen Massstab, Rhythmus und Licht zum Tragen - Themen, welche das Werk des in Paris tätigen Pritzkerpreisträgers seit je auszeichnen.
Komplexe Räume
Der grosse Konzertsaal, genannt «Salle de Concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte», bietet 1307 Plätze (deren Zahl auf maximal 1500 erhöht werden kann). Er befindet sich im Kern des Neubaus und wird schützend von zwei Raumschichten umhüllt. Gleich einer Partitur sind an der Fassade 823 überschlanke Rundpfeiler von 20 Metern Höhe und nur 30 Zentimetern Durchmesser nach einem mathematischen Rhythmus angeordnet. Dahinter weitet sich zwischen Aussenhülle und dem zentralen Kern des Auditoriums die endlose Wandelhalle des Foyers, die eine Vielzahl von Durch- und Ausblicken bietet. Im Wechselspiel mit den vor- und zurückgesetzten Logen im grossen Konzertsaal selbst ist dessen Aussenwand so ausgebildet, dass Vor- und Rücksprünge entstehen. Diese raumhohen felsähnlichen Wandformationen sollen an die gewaltigen vertikalen Verwerfungen der normannischen Kreideküste erinnern. Ausser den Eingängen zum Konzertsaal nehmen die Nischen, die in den sanften Pastelltönen des Regenbogens gehalten sind, auch eine Sektbar, die Garderobe und weitere Infrastrukturen auf. Verstärkt wird das komplexe Raumerlebnis im Foyer durch zenitales Licht, das durch einen Oberlichtring einfällt, und durch seitlich durch die Kolonnaden eindringendes Licht. Nachts hingegen leuchten die Nischen.
Den grossen, für alle Formen klassischer Musik geeigneten Konzertsaal konzipierte Portzamparc nicht nach dem 1963 von Hans Scharoun für die Berliner Philharmonie ersonnenen Weinbergprinzip, das gerade von Herzog & de Meuron im Entwurf für die Elbphilharmonie in Hamburg noch radikaler ausformuliert wurde, sondern - ähnlich wie Jean Nouvel in Luzern - als modernisierte Version des historischen Wiener Musikvereinssaals. Der Luxemburger Konzertsaal ist rechteckig wie ein Schuhkarton mit stirnseitiger Bühne. Bereits bei der Cité de la Musique (1995) im Parc de la Villette in Paris und erneut bei der zurzeit im Bau befindlichen Cidade de la Musica in Rio de Janeiro - deren Modell Kurt W. Forster vor einem Jahr auf der Architekturbiennale in Venedig zeigte - hatte sich der Architekt für schachtelartige Konzertsäle entschieden. In Luxemburg nahm er ausserdem Bezug zum ersten Londoner Shakespeare-Theater, bei dem die Wände vom Publikum «bewohnt» wurden. In Luxemburg breitet sich zwischen vier Türmen mit je vier Balkonen das 120 Musiker fassende Podium aus, auf dem das Orchester wie auf einer «Piazza» agiert.
Die Musiker befinden sich im Zentrum des Geschehens, und die Logentürme ermöglichen den Zuhörern neben dem Klangerlebnis auch ein Sehen und Gesehenwerden. Die Bühne kann 14 verschiedene Niveaus einnehmen. An der Stirnseite ist eine Orgel mit 81 Registern aus der Berliner Werkstatt von Karl Schuke installiert. Für die Raumakustik zeichnet Xu Acoustique verantwortlich. Nach dem Eröffnungskonzert lobten die Kritiker zwar die Klangqualität, beanstandeten aber die Dimensionen der Bühne, die bei grossen Orchestern schnell an ihre Grenzen stossen wird. An den Neubau, der auch noch über einen kleinen Saal (120 Plätze) für elektroakustische Musik im Untergeschoss verfügt, ist ein muschelförmiger, mit weissen Aluminium-Paneelen gedeckter Kammermusiksaal mit 302 Plätzen angedockt. Die gesamte Anlage kostete den Staat 113,5 Millionen Euro - rund 35 Millionen mehr als ursprünglich budgetiert.
Leuchtende Laterne
Als weisses Wahrzeichen, das nachts wie eine Laterne leuchtet, soll das neue Bauwerk dem 1996 aus dem ehemaligen Rundfunkorchester hervorgegangenen Orchestre Philharmonique de Luxembourg Strahlkraft verleihen. Abzuwarten bleibt nun, wie die 450 000 Einwohner des Grossherzogtums, von denen 80 000 in der Hauptstadt leben, das Platzangebot auslasten und inwieweit Belgier, Franzosen, Deutsche aus den Nachbarregionen ihnen dabei helfen werden. Immerhin sind 200 Konzerte im Jahr geplant, 110 davon wird allein das Philharmonische Orchester bestreiten, wobei das erste Jahr im Neubau zugleich das letzte mit dem Chefdirigenten Bramwell Tovey sein wird.
Komplexe Räume
Der grosse Konzertsaal, genannt «Salle de Concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte», bietet 1307 Plätze (deren Zahl auf maximal 1500 erhöht werden kann). Er befindet sich im Kern des Neubaus und wird schützend von zwei Raumschichten umhüllt. Gleich einer Partitur sind an der Fassade 823 überschlanke Rundpfeiler von 20 Metern Höhe und nur 30 Zentimetern Durchmesser nach einem mathematischen Rhythmus angeordnet. Dahinter weitet sich zwischen Aussenhülle und dem zentralen Kern des Auditoriums die endlose Wandelhalle des Foyers, die eine Vielzahl von Durch- und Ausblicken bietet. Im Wechselspiel mit den vor- und zurückgesetzten Logen im grossen Konzertsaal selbst ist dessen Aussenwand so ausgebildet, dass Vor- und Rücksprünge entstehen. Diese raumhohen felsähnlichen Wandformationen sollen an die gewaltigen vertikalen Verwerfungen der normannischen Kreideküste erinnern. Ausser den Eingängen zum Konzertsaal nehmen die Nischen, die in den sanften Pastelltönen des Regenbogens gehalten sind, auch eine Sektbar, die Garderobe und weitere Infrastrukturen auf. Verstärkt wird das komplexe Raumerlebnis im Foyer durch zenitales Licht, das durch einen Oberlichtring einfällt, und durch seitlich durch die Kolonnaden eindringendes Licht. Nachts hingegen leuchten die Nischen.
Den grossen, für alle Formen klassischer Musik geeigneten Konzertsaal konzipierte Portzamparc nicht nach dem 1963 von Hans Scharoun für die Berliner Philharmonie ersonnenen Weinbergprinzip, das gerade von Herzog & de Meuron im Entwurf für die Elbphilharmonie in Hamburg noch radikaler ausformuliert wurde, sondern - ähnlich wie Jean Nouvel in Luzern - als modernisierte Version des historischen Wiener Musikvereinssaals. Der Luxemburger Konzertsaal ist rechteckig wie ein Schuhkarton mit stirnseitiger Bühne. Bereits bei der Cité de la Musique (1995) im Parc de la Villette in Paris und erneut bei der zurzeit im Bau befindlichen Cidade de la Musica in Rio de Janeiro - deren Modell Kurt W. Forster vor einem Jahr auf der Architekturbiennale in Venedig zeigte - hatte sich der Architekt für schachtelartige Konzertsäle entschieden. In Luxemburg nahm er ausserdem Bezug zum ersten Londoner Shakespeare-Theater, bei dem die Wände vom Publikum «bewohnt» wurden. In Luxemburg breitet sich zwischen vier Türmen mit je vier Balkonen das 120 Musiker fassende Podium aus, auf dem das Orchester wie auf einer «Piazza» agiert.
Die Musiker befinden sich im Zentrum des Geschehens, und die Logentürme ermöglichen den Zuhörern neben dem Klangerlebnis auch ein Sehen und Gesehenwerden. Die Bühne kann 14 verschiedene Niveaus einnehmen. An der Stirnseite ist eine Orgel mit 81 Registern aus der Berliner Werkstatt von Karl Schuke installiert. Für die Raumakustik zeichnet Xu Acoustique verantwortlich. Nach dem Eröffnungskonzert lobten die Kritiker zwar die Klangqualität, beanstandeten aber die Dimensionen der Bühne, die bei grossen Orchestern schnell an ihre Grenzen stossen wird. An den Neubau, der auch noch über einen kleinen Saal (120 Plätze) für elektroakustische Musik im Untergeschoss verfügt, ist ein muschelförmiger, mit weissen Aluminium-Paneelen gedeckter Kammermusiksaal mit 302 Plätzen angedockt. Die gesamte Anlage kostete den Staat 113,5 Millionen Euro - rund 35 Millionen mehr als ursprünglich budgetiert.
Leuchtende Laterne
Als weisses Wahrzeichen, das nachts wie eine Laterne leuchtet, soll das neue Bauwerk dem 1996 aus dem ehemaligen Rundfunkorchester hervorgegangenen Orchestre Philharmonique de Luxembourg Strahlkraft verleihen. Abzuwarten bleibt nun, wie die 450 000 Einwohner des Grossherzogtums, von denen 80 000 in der Hauptstadt leben, das Platzangebot auslasten und inwieweit Belgier, Franzosen, Deutsche aus den Nachbarregionen ihnen dabei helfen werden. Immerhin sind 200 Konzerte im Jahr geplant, 110 davon wird allein das Philharmonische Orchester bestreiten, wobei das erste Jahr im Neubau zugleich das letzte mit dem Chefdirigenten Bramwell Tovey sein wird.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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