Bauwerk
Volksschule Wildon
Nussmüller Architekten - Wildon (A) - 2004
Schallschutz macht Schule
Vergangenen September wurde die neue Volksschule von Wildon, einer kleinen Gemeinde in der südlichen Steiermark, eröffnet. Ihre nahe Verwandschaft zur Volksschule Karl-Morre in Graz ist unverkennbar. Nicht nur äußerlich ähneln die beiden Gebäude einander, auch konstruktive und bauphysikalische, besonders den Schallschutz betreffende Details, die für Karl-Morre entwickelt wurden, kamen in Wildon – zum Teil in verfeinerter Weise – zum Einsatz.
24. Juli 2005 - Eva Guttmann
Im Jahr 2000 ging das Architekturbüro Nussmüller als Sieger aus dem Wettbewerb um den Neubau von Hort und Volksschule Karl-Morre im Grazer Stadtteil Eggenberg, der hier von alten Arbeitersiedlungen geprägt ist, hervor. An der Ostseite des Grundstücks gibt es eine Hauptschule aus der Gründerzeit, früher, in einem Zubau rechtwinklig dazu, einen Turnsaal. Zunehmende Platznot führte in den fünfziger Jahren dazu, dass Ausweichbaracken für einzelne Klassenzimmer errichtet wurden, bis sich die Stadt Graz schließlich zum Abbruch der Provisorien und für die Ausschreibung eines Wettbewerbs zum Neubau einer achtklassigen Volksschule und eines Kinderhorts auf dem großen, fast quadratischen Grundstück entschloss.
Während der Hort als punktförmiger, formal völlig eigenständiger, massiver Baukörper in Form einer schiefen Wiese nun den westlichen Teil des Bauplatzes besetzt, schließt die Volksschule aus organisatorisch-funktionalen Gründen westseitig an den Bestand an. Die beiden langen, rechteckigen Gebäude bilden gemeinsam einen L-förmigen Grundriss, die Lage des Neubaus entspricht ungefähr der des ehemaligen Zubaus.
Wichtiger Entwurfsaspekt für die Volksschule war es, die Offenheit des Grundstücks zu bewahren und keine optischen Barrieren zu schaffen, sondern Blickbezüge in alle Richtungen zuzulassen. Daher wurde der östliche Teil des Baukörpers aufgeständert, der westliche hingegen sitzt zweigeschossig auf einem massiven, halb eingegrabenen Untergeschoss, in dem Turnsäle und entsprechende Nebenräume untergebracht sind. Erschlossen wird das Gebäude über einen leicht aus der Achse gedrehten Stiegenhauskubus, der wie ein Gelenk den Baukörper in Längsrichtung teilt bzw. die Funktionen spiegelt und von dem aus ein Gang an der Südfassade die östliche, ein Gang an der Nordseite hingegen die westliche Hälfte des Hauses auf kurzen Wegen erschließt. Diese Teilung setzt sich auch formal fort, je nach Nutzung und Ausrichtung ergeben sich an den Gebäudelängsseiten vier verschiedene Fassadengestaltungen: die Gangbereiche sind jeweils verglast, an der Südseite mit Holzlamellen als Sonnenschutz versehen, die regulären Klassenräume haben eine lebhafte Lochfassade, die Funktionsräume hingegen eine strenge, regelmäßige Fensteranordnung.
Das Holzgebäude ist ein Plattenscheibenbau mit tragenden Trennwänden aus Brettsperrholzelementen (klh-Platten), die sich in den Gangbereichen in Unterzüge mit Stützen auflösen. Die Fassaden sind in klassischer, verschalter Holz- bzw. verzinkter Stahlriegelleichtbauweise ausgeführt, letztere mit innenliegender Verglasung und an der Außenseite der Konstruktion an der Südfassade befestigten Konsolen als Auflager für die Holzlamellen. Decken aus Brettstapelplatten, die quer zum Baukörper gespannt sind, gewährleisten eine hohe Flexibilität der Grundrisse, während dem natürlichen Quell- und Schwindverhalten durch den Einsatz von Fremdfedern Rechnung getragen wurde. Deren Stärke beträgt über dem Erdgeschoss bei Spannweiten von bis zu siebeneinhalb Metern 23cm, im Obergeschoss reichen 18cm.
Vor allem aus atmosphärischen Gründen bestand von Anfang an die Absicht, sowohl die Deckenuntersichten als auch die Fußböden und so viele Wandflächen wie möglich mit Holzsichtoberflächen zu realisieren, wodurch besonderes Augenmerk auf Raum- und Bauakustik gerichtet wurde. Zwischen den Klassenräumen war die Standard-Schallpegeldifferenz Dn,Tw = 50 dB gefordert, an die Bauteile zwischen Klassenzimmern und Gang gab es keine speziellen Anforderungen. Problematisch war das weitgehende Fehlen von Erfahrungswerten für Klassentrennwände in dieser Sicht-Bauweise. Schließlich wurden auf den zwölf Zentimeter starken klh-Wänden nur einseitig Gipskartonvorsatzschalen, die an der Rückseite gelocht sind, mit Schwingbügeln befestigt. An den leichten Trennwänden zu den Gängen hin stehen raumseitig Sperrholz-Schränke, deren Flügeltüren aus Gründen der Raumakustik gelocht sind. Gangseitig wurden osb-Platten aufgebracht, in einem Fußbodenkanal aus dicht verklebten Blechwannen verläuft die Leitungsführung.
Eine ebenso große Herausforderung war es, die Decken schalltechnisch in den Griff zu bekommen, ohne auf deren Holzuntersicht verzichten zu müssen und auch ohne Estriche zu verwenden, um einen reinen Holzaufbau zu realisieren. Dabei kam die Höhe der Brettstapeldecken, die statisch ohnehin gefordert war, diesen Wünschen sehr entgegen. Auch hier fehlten jedoch Erfahrungswerte und Messungen, von industrieller Seite wurde den Planern unbedingt nahegelegt, abgehängte Akustikdecken einzusetzen. Schließlich entschied man sich in Absprache mit dem beteiligten Bauphysiker dafür, über den Holzdecken eine Splittschicht zur Erhöhung der Masse, zwei Lagen Trittschalldämmplatten und kreuzweise verleimte Spanplatten zu verlegen. Der Fußbodenbelag in den Klassenzimmern ist Massivparkett, in den Gängen Linoleum. Von außen kann man sehen, wie die Stirnseiten der Brettstapeldecken an die Gangfassaden heranreichen, der Kontrast zwischen Glas und massiver Holzdecke ist hier besonders reizvoll.
Sowohl bezüglich des Trittschalls als auch der Nachhallzeit haben die abschließenden Messungen Werte ergeben, die innerhalb der zulässigen Mindestanforderungen liegen, trotzdem wurden auf Empfehlung des Bauphysikers für die Volksschule in Wildon weitere Verbesserungen des Deckenaufbaus und der Anschlussdetails an flankierende Bauteile angestrebt.
Die Volksschule von Wildon funktioniert – mit geringen Unterschieden – nach dem gleichen, sichtbaren Konstruktionsprinzip wie Karl-Morre in Graz. In einem massiven Sichtbeton-Stirngebäude befinden sich Turnsaal und Funktionsräume der Schule, der zweigeschossige, schwebende Klassentrakt ist eine einhüftig erschlossene Holzkonstruktion mit transparentem, straßenseitigem Gangbereich und zum bewaldeten Berghang orientierten Klassenräumen, deren Fensterfassade mit unbehandeltem Lärchenholz verschalt wurde. Der Holzbaukörper ist über seine gesamte Länge parallel zur Bergflanke gekrümmt, der dadurch verkürzte Klassenteil überragt daher den Gangbreich am Ende des Gebäudes. Im Unterschied zu Graz konnten aufgrund geringerer Lasten sowohl die tragenden Klassentrennwände als auch die Brettstapeldecken geringer dimensioniert werden. Trotzdem gelang es, die Schallschutzanforderungen einzuhalten. Verbesserungen gab es im Bereich der Längsfugen zwischen den einzelnen klh-Platten, die zusätzlich silikoniert wurden, sowie im Anschluss zwischen Klassen- und Außenwand, um Längsschallwege zu vermeiden. Auch bei den Geschossdecken konnten Anschluss-Details optimiert werden.
Während die Volksschule Karl-Morre noch als schalltechnisches Experiment mit prototypischen konstruktiven Lösungen angesehen werden kann, wurden für Wildon die Erfahrungen von Graz herangezogen, Arbeitsabläufe und Details weiterentwickelt und optimiert. Beide Schulen können heute als gelungene Beispiele für modernen Holzbau bezeichnet werden, die alle Vorurteile widerlegen, nach denen Holzgebäude schalltechnische Problemfälle wären, und die zeigen, dass Holz das geeignete Material für innovative Planung ist.
Während der Hort als punktförmiger, formal völlig eigenständiger, massiver Baukörper in Form einer schiefen Wiese nun den westlichen Teil des Bauplatzes besetzt, schließt die Volksschule aus organisatorisch-funktionalen Gründen westseitig an den Bestand an. Die beiden langen, rechteckigen Gebäude bilden gemeinsam einen L-förmigen Grundriss, die Lage des Neubaus entspricht ungefähr der des ehemaligen Zubaus.
Wichtiger Entwurfsaspekt für die Volksschule war es, die Offenheit des Grundstücks zu bewahren und keine optischen Barrieren zu schaffen, sondern Blickbezüge in alle Richtungen zuzulassen. Daher wurde der östliche Teil des Baukörpers aufgeständert, der westliche hingegen sitzt zweigeschossig auf einem massiven, halb eingegrabenen Untergeschoss, in dem Turnsäle und entsprechende Nebenräume untergebracht sind. Erschlossen wird das Gebäude über einen leicht aus der Achse gedrehten Stiegenhauskubus, der wie ein Gelenk den Baukörper in Längsrichtung teilt bzw. die Funktionen spiegelt und von dem aus ein Gang an der Südfassade die östliche, ein Gang an der Nordseite hingegen die westliche Hälfte des Hauses auf kurzen Wegen erschließt. Diese Teilung setzt sich auch formal fort, je nach Nutzung und Ausrichtung ergeben sich an den Gebäudelängsseiten vier verschiedene Fassadengestaltungen: die Gangbereiche sind jeweils verglast, an der Südseite mit Holzlamellen als Sonnenschutz versehen, die regulären Klassenräume haben eine lebhafte Lochfassade, die Funktionsräume hingegen eine strenge, regelmäßige Fensteranordnung.
Das Holzgebäude ist ein Plattenscheibenbau mit tragenden Trennwänden aus Brettsperrholzelementen (klh-Platten), die sich in den Gangbereichen in Unterzüge mit Stützen auflösen. Die Fassaden sind in klassischer, verschalter Holz- bzw. verzinkter Stahlriegelleichtbauweise ausgeführt, letztere mit innenliegender Verglasung und an der Außenseite der Konstruktion an der Südfassade befestigten Konsolen als Auflager für die Holzlamellen. Decken aus Brettstapelplatten, die quer zum Baukörper gespannt sind, gewährleisten eine hohe Flexibilität der Grundrisse, während dem natürlichen Quell- und Schwindverhalten durch den Einsatz von Fremdfedern Rechnung getragen wurde. Deren Stärke beträgt über dem Erdgeschoss bei Spannweiten von bis zu siebeneinhalb Metern 23cm, im Obergeschoss reichen 18cm.
Vor allem aus atmosphärischen Gründen bestand von Anfang an die Absicht, sowohl die Deckenuntersichten als auch die Fußböden und so viele Wandflächen wie möglich mit Holzsichtoberflächen zu realisieren, wodurch besonderes Augenmerk auf Raum- und Bauakustik gerichtet wurde. Zwischen den Klassenräumen war die Standard-Schallpegeldifferenz Dn,Tw = 50 dB gefordert, an die Bauteile zwischen Klassenzimmern und Gang gab es keine speziellen Anforderungen. Problematisch war das weitgehende Fehlen von Erfahrungswerten für Klassentrennwände in dieser Sicht-Bauweise. Schließlich wurden auf den zwölf Zentimeter starken klh-Wänden nur einseitig Gipskartonvorsatzschalen, die an der Rückseite gelocht sind, mit Schwingbügeln befestigt. An den leichten Trennwänden zu den Gängen hin stehen raumseitig Sperrholz-Schränke, deren Flügeltüren aus Gründen der Raumakustik gelocht sind. Gangseitig wurden osb-Platten aufgebracht, in einem Fußbodenkanal aus dicht verklebten Blechwannen verläuft die Leitungsführung.
Eine ebenso große Herausforderung war es, die Decken schalltechnisch in den Griff zu bekommen, ohne auf deren Holzuntersicht verzichten zu müssen und auch ohne Estriche zu verwenden, um einen reinen Holzaufbau zu realisieren. Dabei kam die Höhe der Brettstapeldecken, die statisch ohnehin gefordert war, diesen Wünschen sehr entgegen. Auch hier fehlten jedoch Erfahrungswerte und Messungen, von industrieller Seite wurde den Planern unbedingt nahegelegt, abgehängte Akustikdecken einzusetzen. Schließlich entschied man sich in Absprache mit dem beteiligten Bauphysiker dafür, über den Holzdecken eine Splittschicht zur Erhöhung der Masse, zwei Lagen Trittschalldämmplatten und kreuzweise verleimte Spanplatten zu verlegen. Der Fußbodenbelag in den Klassenzimmern ist Massivparkett, in den Gängen Linoleum. Von außen kann man sehen, wie die Stirnseiten der Brettstapeldecken an die Gangfassaden heranreichen, der Kontrast zwischen Glas und massiver Holzdecke ist hier besonders reizvoll.
Sowohl bezüglich des Trittschalls als auch der Nachhallzeit haben die abschließenden Messungen Werte ergeben, die innerhalb der zulässigen Mindestanforderungen liegen, trotzdem wurden auf Empfehlung des Bauphysikers für die Volksschule in Wildon weitere Verbesserungen des Deckenaufbaus und der Anschlussdetails an flankierende Bauteile angestrebt.
Die Volksschule von Wildon funktioniert – mit geringen Unterschieden – nach dem gleichen, sichtbaren Konstruktionsprinzip wie Karl-Morre in Graz. In einem massiven Sichtbeton-Stirngebäude befinden sich Turnsaal und Funktionsräume der Schule, der zweigeschossige, schwebende Klassentrakt ist eine einhüftig erschlossene Holzkonstruktion mit transparentem, straßenseitigem Gangbereich und zum bewaldeten Berghang orientierten Klassenräumen, deren Fensterfassade mit unbehandeltem Lärchenholz verschalt wurde. Der Holzbaukörper ist über seine gesamte Länge parallel zur Bergflanke gekrümmt, der dadurch verkürzte Klassenteil überragt daher den Gangbreich am Ende des Gebäudes. Im Unterschied zu Graz konnten aufgrund geringerer Lasten sowohl die tragenden Klassentrennwände als auch die Brettstapeldecken geringer dimensioniert werden. Trotzdem gelang es, die Schallschutzanforderungen einzuhalten. Verbesserungen gab es im Bereich der Längsfugen zwischen den einzelnen klh-Platten, die zusätzlich silikoniert wurden, sowie im Anschluss zwischen Klassen- und Außenwand, um Längsschallwege zu vermeiden. Auch bei den Geschossdecken konnten Anschluss-Details optimiert werden.
Während die Volksschule Karl-Morre noch als schalltechnisches Experiment mit prototypischen konstruktiven Lösungen angesehen werden kann, wurden für Wildon die Erfahrungen von Graz herangezogen, Arbeitsabläufe und Details weiterentwickelt und optimiert. Beide Schulen können heute als gelungene Beispiele für modernen Holzbau bezeichnet werden, die alle Vorurteile widerlegen, nach denen Holzgebäude schalltechnische Problemfälle wären, und die zeigen, dass Holz das geeignete Material für innovative Planung ist.
Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt
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