Bauwerk
Max Ernst Museum
Van den Valentyn - Architektur, smo Architektur, Gloria Amling - Brühl (D) - 2004
Loplop ist gelandet
Eröffnung des Max-Ernst-Museums in Brühl
Mit fünfmonatiger Verspätung hat das Max-Ernst-Museum in Brühl nun unter Regie von Werner Spies am 4. September eröffnet. Die Gründungsausstellung beeindruckt durch ihre Fülle - bleibt allerdings weitgehend überraschungsfrei. Ändern könnte sich das, wenn demnächst ein neuer Direktor benannt wird, der souveräner agiert als die im April überraschend vor die Tür gesetzte Direktorin Bettina Mette.
12. September 2005 - Kerstin Stremmel
Seit 1980 gab es in Brühl, der Heimatstadt des Dadamax und erfinderischen Surrealisten, das Max-Ernst-Kabinett. Jürgen Pech, der langjährige Leiter dieser kleinen Institution, hatte in den beengten Räumen schöne Ausstellungen konzipiert. Mit fünfmonatiger Verspätung ist nun am 4. September das Max-Ernst-Museum eröffnet worden - und Jürgen Pech darf im neuen Haus nun nur noch als Mitarbeiter partizipieren.
Im neu eröffneten Haus gibt es viel Platz: Auf fast 1000 Quadratmetern befindet sich die von Werner Spies kuratierte Dauerausstellung, ein 500 Quadratmeter grosser, in Sichtbeton gefasster Raum steht für Wechselausstellungen zur Verfügung. Dort befindet sich derzeit eine von dem Filmemacher Peter Schamoni zusammengestellte multimediale Präsentation, die sich auf assoziative Weise der Lebens- und Traumwelt des charismatischen Jahrhundertgenies annähert.
Überbordende Fülle
In seiner Eröffnungsrede sagte Schamoni: «Ich habe das Gefühl, beim Umgang mit Max Ernst werden wir heitere, bessere Menschen.» Was die Heiterkeit anbelangt, möchte man nach Besichtigung der chronologisch geordneten Ausstellung zustimmen. Dafür muss man nur die Blätter des hinreissenden Mappenwerks «Maximiliana oder die widerrechtliche Ausübung der Astronomie» (1964) betrachten, in der Ernst mit seiner Zauberschrift dem autodidaktischen Astronomen Tempel huldigt, oder so skurrile Skulpturen wie «Deux assistants» aus dem Jahr 1967.
Doch die Bandbreite des Mannes der Wälder und der Vögel, der mit dem geheimnisvollen Vogelwesen Loplop sein surrealistisches Alter Ego erfand, ist grösser. Zu sehen ist viel, von den unheimlichen Collageromanen bis hin zu Ernsts künstlerischer Hommage an den Zufall, die Frottage, mit der er auf seine Weise der Forderung André Bretons nach einer «écriture automatique» nachkam. Die 34 Blätter der «Histoire naturelle» belegen die Möglichkeiten eines begabten Künstlers, der sich auf den Zufall einlässt. Manchmal kommt es in der Ausstellung zu schönen Begegnungen, wenn etwa die Bronze «Les asperges de la lune» mit ihren beiden hoch aufgeschossenen Figuren neben den zwei sperrigen Bambusstangen auf der Frottage «Les fausses positions» steht: Das fällt angenehm auf, da Spies um den Preis klarer Blickachsen und freier Sicht auf einzelne Werke so gehängt und gestellt hat, dass man bisweilen einen wahren Slalom laufen muss, während man die überbordende Fülle des Ernstschen Werks verfolgt.
Diese Fülle manifestiert sich auch in dem Konvolut der 36 D-Paintings aus dem Privatbesitz Dorothea Tannings, der vierten Frau des Künstlers, einer bekannten surrealistischen Malerin. Jedes Jahr schenkte Ernst ihr zum Geburtstag und zu anderen Gelegenheiten Bilder, die teilweise harmlos, wie dem Anlass angemessene Blumenbilder, meist poetisch, oft beunruhigend, aber immer äusserst persönlich sind. Die kühle Durchnummerierung D 1942-D 1975 täuscht nicht über den intimen Charakter der vielen kleinformatigen, aber in unterschiedlichsten Techniken wie Frottage oder Montage gestalteten Arbeiten hinweg. Häufig tauchen Vögel, das Leitmotiv aus Ernsts privater Mythologie, auf: als ineinander verschränktes, besonntes Paar, aber auch beklemmend, wenn etwa hinter Holzgittern eine Vogelfeder sichtbar wird.
Neben diesen jüngst von der Kreissparkasse Köln erworbenen Kunstwerken beeindrucken die mehr als sechzig Skulpturen, ebenfalls eine Dauerleihgabe der Kreissparkasse, und die umfassende Sammlung des grafischen uvres aus der Sammlung Schneppenheim. Dank den guten Kontakten des Ernst-Spezialisten Spies ergänzen zudem viele Leihgaben aus öffentlichem und privatem Besitz die Bestände, und darauf wird das Haus auch in Zukunft angewiesen sein.
Späte Gewissheit
Die Museumseröffnung findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Marktwert des visionären Malers, Bildhauers, Grafikers und Dichters seinen Höhepunkt erreicht hat, was Werner Spies mit den Worten «Jetzt ist es Gewissheit» charakterisierte. Genau dieses Abwarten hat Max Ernst jedoch Kunstkritikern immer vorgeworfen: «Ist der Künstler alt geworden und hat er das Publikum durch seine Ehrlichkeit und Konsequenz von dem Wert seiner Kunst überzeugt, so konstatiert es vergnügt, dass der Künstler seinen eigenen Weg ging.» Diese Auffassung kam auch in der Kontroverse um die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Brühl zum Ausdruck, die Ernst 1966 ablehnte. Mit angemessenem Sarkasmus nannte er es «normal», dass seine Heimatstadt ihm «das Ehrenbürgerrecht anbietet, sobald er es zu Weltruhm und anständigen Preisen für seine Bilder gebracht hat». Dem war vorausgegangen, dass die Stadt ein Gemäldegeschenk von Ernst 1951 umgehend wieder verkaufte. So überraschte es dann, zu hören, dass Max Ernst laut Spies «letztlich ein gerührtes, ein liebevolles Verhältnis» zu Brühl gehabt habe. Dem schönen Haus sind jedoch viele Besucher zu wünschen, möge sein Geist stärker durch den Künstler als durch die Stadt geprägt sein.
[ Max-Ernst-Museum Brühl. Gründungsausstellung bis 5. März 2006, Wechselausstellung von Peter Schamoni bis 4. September 2006. Informationen zum Museum unter:www.maxernstmuseum.de. ]
Im neu eröffneten Haus gibt es viel Platz: Auf fast 1000 Quadratmetern befindet sich die von Werner Spies kuratierte Dauerausstellung, ein 500 Quadratmeter grosser, in Sichtbeton gefasster Raum steht für Wechselausstellungen zur Verfügung. Dort befindet sich derzeit eine von dem Filmemacher Peter Schamoni zusammengestellte multimediale Präsentation, die sich auf assoziative Weise der Lebens- und Traumwelt des charismatischen Jahrhundertgenies annähert.
Überbordende Fülle
In seiner Eröffnungsrede sagte Schamoni: «Ich habe das Gefühl, beim Umgang mit Max Ernst werden wir heitere, bessere Menschen.» Was die Heiterkeit anbelangt, möchte man nach Besichtigung der chronologisch geordneten Ausstellung zustimmen. Dafür muss man nur die Blätter des hinreissenden Mappenwerks «Maximiliana oder die widerrechtliche Ausübung der Astronomie» (1964) betrachten, in der Ernst mit seiner Zauberschrift dem autodidaktischen Astronomen Tempel huldigt, oder so skurrile Skulpturen wie «Deux assistants» aus dem Jahr 1967.
Doch die Bandbreite des Mannes der Wälder und der Vögel, der mit dem geheimnisvollen Vogelwesen Loplop sein surrealistisches Alter Ego erfand, ist grösser. Zu sehen ist viel, von den unheimlichen Collageromanen bis hin zu Ernsts künstlerischer Hommage an den Zufall, die Frottage, mit der er auf seine Weise der Forderung André Bretons nach einer «écriture automatique» nachkam. Die 34 Blätter der «Histoire naturelle» belegen die Möglichkeiten eines begabten Künstlers, der sich auf den Zufall einlässt. Manchmal kommt es in der Ausstellung zu schönen Begegnungen, wenn etwa die Bronze «Les asperges de la lune» mit ihren beiden hoch aufgeschossenen Figuren neben den zwei sperrigen Bambusstangen auf der Frottage «Les fausses positions» steht: Das fällt angenehm auf, da Spies um den Preis klarer Blickachsen und freier Sicht auf einzelne Werke so gehängt und gestellt hat, dass man bisweilen einen wahren Slalom laufen muss, während man die überbordende Fülle des Ernstschen Werks verfolgt.
Diese Fülle manifestiert sich auch in dem Konvolut der 36 D-Paintings aus dem Privatbesitz Dorothea Tannings, der vierten Frau des Künstlers, einer bekannten surrealistischen Malerin. Jedes Jahr schenkte Ernst ihr zum Geburtstag und zu anderen Gelegenheiten Bilder, die teilweise harmlos, wie dem Anlass angemessene Blumenbilder, meist poetisch, oft beunruhigend, aber immer äusserst persönlich sind. Die kühle Durchnummerierung D 1942-D 1975 täuscht nicht über den intimen Charakter der vielen kleinformatigen, aber in unterschiedlichsten Techniken wie Frottage oder Montage gestalteten Arbeiten hinweg. Häufig tauchen Vögel, das Leitmotiv aus Ernsts privater Mythologie, auf: als ineinander verschränktes, besonntes Paar, aber auch beklemmend, wenn etwa hinter Holzgittern eine Vogelfeder sichtbar wird.
Neben diesen jüngst von der Kreissparkasse Köln erworbenen Kunstwerken beeindrucken die mehr als sechzig Skulpturen, ebenfalls eine Dauerleihgabe der Kreissparkasse, und die umfassende Sammlung des grafischen uvres aus der Sammlung Schneppenheim. Dank den guten Kontakten des Ernst-Spezialisten Spies ergänzen zudem viele Leihgaben aus öffentlichem und privatem Besitz die Bestände, und darauf wird das Haus auch in Zukunft angewiesen sein.
Späte Gewissheit
Die Museumseröffnung findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Marktwert des visionären Malers, Bildhauers, Grafikers und Dichters seinen Höhepunkt erreicht hat, was Werner Spies mit den Worten «Jetzt ist es Gewissheit» charakterisierte. Genau dieses Abwarten hat Max Ernst jedoch Kunstkritikern immer vorgeworfen: «Ist der Künstler alt geworden und hat er das Publikum durch seine Ehrlichkeit und Konsequenz von dem Wert seiner Kunst überzeugt, so konstatiert es vergnügt, dass der Künstler seinen eigenen Weg ging.» Diese Auffassung kam auch in der Kontroverse um die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Brühl zum Ausdruck, die Ernst 1966 ablehnte. Mit angemessenem Sarkasmus nannte er es «normal», dass seine Heimatstadt ihm «das Ehrenbürgerrecht anbietet, sobald er es zu Weltruhm und anständigen Preisen für seine Bilder gebracht hat». Dem war vorausgegangen, dass die Stadt ein Gemäldegeschenk von Ernst 1951 umgehend wieder verkaufte. So überraschte es dann, zu hören, dass Max Ernst laut Spies «letztlich ein gerührtes, ein liebevolles Verhältnis» zu Brühl gehabt habe. Dem schönen Haus sind jedoch viele Besucher zu wünschen, möge sein Geist stärker durch den Künstler als durch die Stadt geprägt sein.
[ Max-Ernst-Museum Brühl. Gründungsausstellung bis 5. März 2006, Wechselausstellung von Peter Schamoni bis 4. September 2006. Informationen zum Museum unter:www.maxernstmuseum.de. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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