Bauwerk
Münze Hall
Benedikt Gratl - Hall in Tirol (A) - 2003
Münze, Muse, Männchen
Nichts wurde geschönt oder geglättet, nichts zu Tode restauriert. Das neue Münzmuseum im Tiroler Hall: ein Produkt des Feingefühls und der Disziplin, lieber weniger als zu viel zu gestalten.
8. Oktober 2005 - Liesbeth Waechter-Böhm
Die touristische Hauptattraktion von Hall ist sicher die Altstadt mit ihren engen Gassen und einem Baubestand, der teilweise bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Daneben gibt es aber auch die durchaus sehenswerte Salinenarchitektur viel jüngeren Datums (19. Jahrhundert).
Und dann ist da noch die Burg Hasegg. Sie besteht im Grunde aus einem Konglomerat von Bauteilen, die über Jahrhunderte gewachsen sind, auch verändert wurden. Noch Anfang der Achtzigerjahre kam eine gar nicht so kleine Halle hinzu, die als Werkstatt für die „Münze Österreich“ diente. Denn hier wurden, tatsächlich über Jahrhunderte hinweg, Münzen geprägt. Und heute noch gibt es hier Maschinen - darunter auch eine originalgetreu nachgebaute Sehenswürdigkeit -, die prägen können und das etwa im Auftrag von Firmen zu bestimmten Anlässen auch tun.
Dass die Haller hier ein Münzmuseum eingerichtet haben - neben dem Stadtmuseum in einem anderen Teil der Burg -, hat also seine historische Begründung. Nur war dieses Museum bei weitem nicht auf dem Standard, den man heute von einer solchen Einrichtung erwartet. Architekt Benedikt Gratl und die Museumspädagogin Petra Paolazzi, dazu eine Reihe von Fachleuten, haben daher ein umfassendes Nutzungskonzept erstellt. Das neue Museum „Münze Hall“ ist das Ergebnis dieser Vorarbeit.
Es gibt einen architektonischen Höhepunkt beim Rundgang durch dieses Museum, das auch jeden Nicht-Numismatiker faszinieren wird: den alten, zweiläufigen „Münzerturm“ mit seinen 46 Metern Höhe, über dessen ursprüngliche Funktion sich die Historiker nicht ganz einig sind. Für einen Wehrturm ist er nämlich etwas aufwendig ausgeführt. Von der zweiläufigen Erschließung blieb die alte, sehr schmale, die bestenfalls Kindern Freude bereitet, erhalten. Die neue Haupterschließung - eine Wendeltreppe aus Stahl, der mit Grafitwachs eingelassen ist - hat Benedikt Gratl entworfen. Und sie ist wirklich ein skulpturales Highlight dieses ganzen Museums. Jedes Element dieser Treppe ist praktisch ein Prototyp, nicht nur aufgrund der Krümmung, sondern weil auch die Wände so unregelmäßig sind. An der Basis sind sie 2,84 Meter stark, nach oben werden sie dünner, und der Raum wird größer.
Der größte Mehrwert, den Gratl mit seiner Behandlung des Turmes erzielt hat, besteht wahrscheinlich darin, dass er ihn zwar in den Ausstellungsrundgang integriert, ihn aber nicht musealisiert. Der Turm stellt sich selbst aus. Gratl hat darauf verzichtet, hier irgendwelche Vitrinen zu platzieren oder die Wände voll zu hängen. Er hat sich darauf beschränkt, die Materialwirkung des alten Mauerwerks herauszuarbeiten und die alte Wendeltreppe so zu erhalten, dass sie auch visuell präsent bleibt. Und ganz oben ist dann nicht nur der Punkt, wo man den grandiosesten Ausblick hat, sondern auch eine Informationsplattform, in die man sich einklicken kann.
Natürlich war die Problematik rund um das neue Museum „Münze Hall“ viel komplexer. Vor allem war es notwendig, städtebauliche Maßnahmen zu setzen, die die Burg wieder mit dem Umfeld verbinden und eine eindeutige, erkennbare Eingangssituation schaffen. Seinerzeit, in den Siebzigerjahren, wurde hier ein Autobahnzubringer gebaut, der das gesamte Areal zerschneidet. Und es gibt - aufgrund der aktuellen Verkehrswegesituation - keinen eindeutigen Haupteingang mehr. Das große „Burgtor“ liegt viel zu abseits, heute kommen die Leute von Westen (Autobahnzubringer), vom Parkplatz.
Gratl hat daher den Zugang zur Burg schon von weitem „inszeniert“. Jetzt ist der Autobahnzubringer untertunnelt. Eine reizvolle Installation: eine 20 Meter lange Lichtscheibe, in die ein springendes Männchen über die volle Länge Bewegung bringt (Lichtplanung: Manfred Draxl, Grafik: Lilly Moser).
Ganz neu ist der Eingang: Er wurde in den Bestand eingeschnitten und mit weißem Glas verkleidet, ein großes Schaufenster bietet erste Informationen. Man sieht gleich den zentralen Ticketschalter und kommt in ein neues Foyer, das mit einfachsten Mitteln sehr transparent hergestellt wurde. Gratl hat den kleinen Burghof teilweise glasüberdacht, sodass der Blick auf die Architektur und die Atmosphäre der Hofsituation erhalten bleiben. Trotzdem ist es ein eindeutiger Innenraum (geheizt) und der Verteiler zu den verschiedenen funktionalen Räumen, den Garderoben etwa, die in der ehemaligen Esse untergebracht sind. Es war eine der Hauptaufgaben des Architekten, den Bestand zu entrümpeln und zu sanieren, einen modernen Museumsbetrieb zu ermöglichen und zugleich der alten Substanz noch zusätzliche, verwendbare Räume abzuringen.
Einen Fehler, der sich in Wien bei der Sanierung der Museen immer wieder bemerkbar machte, hat Gratl vermieden. Natürlich ist man auch hier auf historische Fragmente gestoßen, Fresken aus der Renaissance zum Beispiel, die gesichert, gesäubert und hergezeigt wurden. Aber als Fragmente. Es wurde nichts ergänzt, geglättet und geschönt, nichts zu Tode restauriert.
Der alte Werkstättentrakt der Münze Österreich aus den Achtzigerjahren - Gratl hätte ihn wohl am liebsten abgerissen - wurde erhalten und ist heute Ausstellungsraum. Sogar die großen Tore zum kleinen Burghof, die früher als Einfahrtsmöglichkeit gebraucht wurden, sind noch da. Allerdings sitzen sie jetzt als große schwarze Kastenelemente (Eiche) in der Mauer, umgeben von einem Glasband, das sie erst richtig zur Wirkung bringt. Und man kann sie nötigenfalls - etwa bei Veranstaltungen - öffnen.
Gestalterisch ist in diesem Museum durchwegs alles vom Feinsten. Jede neue Treppenstufe, jede Sitzgelegenheit. Die Vitrinen sind perfekt designte Objekte, meist aus schwarz lackierten Holzfaser-Platten, höchst elegant und zugleich „brauchbar“. Denn sie funktionieren oft auf zwei verschiedenen Ebenen: Für den Rundgang des Laien bieten sie auf den ersten Blick die notwendige Grundinformation, aber dann kann man durch Klappen, Drehen, Herausziehen tiefer in die Materie eindringen. Das hat schon Elsa Prochazka bei ihren Museumseinrichtungen vorgeführt, hier ist es vielleicht noch kompakter, konzentrierter.
Glücklicherweise wurde bei der Einrichtung dieses Museums auf eine „Übermedialisierung“ verzichtet. Es kommt alles vor, was die heutige Technik bietet, trotzdem flimmert es nicht an jeder Wand. Und nicht einmal das Bildmaterial wurde auf Hochglanz reproduziert, sondern auf einen textilen Untergrund gedruckt. Atmosphärisch verbinden sich die neuen Maßnahmen mit der historischen Substanz perfekt. So etwas gelingt nur mit viel Feingefühl - und mit der Disziplin, lieber weniger als zu viel zu gestalten. Besseres kann man einem solchen Museum kaum nachsagen.
Und dann ist da noch die Burg Hasegg. Sie besteht im Grunde aus einem Konglomerat von Bauteilen, die über Jahrhunderte gewachsen sind, auch verändert wurden. Noch Anfang der Achtzigerjahre kam eine gar nicht so kleine Halle hinzu, die als Werkstatt für die „Münze Österreich“ diente. Denn hier wurden, tatsächlich über Jahrhunderte hinweg, Münzen geprägt. Und heute noch gibt es hier Maschinen - darunter auch eine originalgetreu nachgebaute Sehenswürdigkeit -, die prägen können und das etwa im Auftrag von Firmen zu bestimmten Anlässen auch tun.
Dass die Haller hier ein Münzmuseum eingerichtet haben - neben dem Stadtmuseum in einem anderen Teil der Burg -, hat also seine historische Begründung. Nur war dieses Museum bei weitem nicht auf dem Standard, den man heute von einer solchen Einrichtung erwartet. Architekt Benedikt Gratl und die Museumspädagogin Petra Paolazzi, dazu eine Reihe von Fachleuten, haben daher ein umfassendes Nutzungskonzept erstellt. Das neue Museum „Münze Hall“ ist das Ergebnis dieser Vorarbeit.
Es gibt einen architektonischen Höhepunkt beim Rundgang durch dieses Museum, das auch jeden Nicht-Numismatiker faszinieren wird: den alten, zweiläufigen „Münzerturm“ mit seinen 46 Metern Höhe, über dessen ursprüngliche Funktion sich die Historiker nicht ganz einig sind. Für einen Wehrturm ist er nämlich etwas aufwendig ausgeführt. Von der zweiläufigen Erschließung blieb die alte, sehr schmale, die bestenfalls Kindern Freude bereitet, erhalten. Die neue Haupterschließung - eine Wendeltreppe aus Stahl, der mit Grafitwachs eingelassen ist - hat Benedikt Gratl entworfen. Und sie ist wirklich ein skulpturales Highlight dieses ganzen Museums. Jedes Element dieser Treppe ist praktisch ein Prototyp, nicht nur aufgrund der Krümmung, sondern weil auch die Wände so unregelmäßig sind. An der Basis sind sie 2,84 Meter stark, nach oben werden sie dünner, und der Raum wird größer.
Der größte Mehrwert, den Gratl mit seiner Behandlung des Turmes erzielt hat, besteht wahrscheinlich darin, dass er ihn zwar in den Ausstellungsrundgang integriert, ihn aber nicht musealisiert. Der Turm stellt sich selbst aus. Gratl hat darauf verzichtet, hier irgendwelche Vitrinen zu platzieren oder die Wände voll zu hängen. Er hat sich darauf beschränkt, die Materialwirkung des alten Mauerwerks herauszuarbeiten und die alte Wendeltreppe so zu erhalten, dass sie auch visuell präsent bleibt. Und ganz oben ist dann nicht nur der Punkt, wo man den grandiosesten Ausblick hat, sondern auch eine Informationsplattform, in die man sich einklicken kann.
Natürlich war die Problematik rund um das neue Museum „Münze Hall“ viel komplexer. Vor allem war es notwendig, städtebauliche Maßnahmen zu setzen, die die Burg wieder mit dem Umfeld verbinden und eine eindeutige, erkennbare Eingangssituation schaffen. Seinerzeit, in den Siebzigerjahren, wurde hier ein Autobahnzubringer gebaut, der das gesamte Areal zerschneidet. Und es gibt - aufgrund der aktuellen Verkehrswegesituation - keinen eindeutigen Haupteingang mehr. Das große „Burgtor“ liegt viel zu abseits, heute kommen die Leute von Westen (Autobahnzubringer), vom Parkplatz.
Gratl hat daher den Zugang zur Burg schon von weitem „inszeniert“. Jetzt ist der Autobahnzubringer untertunnelt. Eine reizvolle Installation: eine 20 Meter lange Lichtscheibe, in die ein springendes Männchen über die volle Länge Bewegung bringt (Lichtplanung: Manfred Draxl, Grafik: Lilly Moser).
Ganz neu ist der Eingang: Er wurde in den Bestand eingeschnitten und mit weißem Glas verkleidet, ein großes Schaufenster bietet erste Informationen. Man sieht gleich den zentralen Ticketschalter und kommt in ein neues Foyer, das mit einfachsten Mitteln sehr transparent hergestellt wurde. Gratl hat den kleinen Burghof teilweise glasüberdacht, sodass der Blick auf die Architektur und die Atmosphäre der Hofsituation erhalten bleiben. Trotzdem ist es ein eindeutiger Innenraum (geheizt) und der Verteiler zu den verschiedenen funktionalen Räumen, den Garderoben etwa, die in der ehemaligen Esse untergebracht sind. Es war eine der Hauptaufgaben des Architekten, den Bestand zu entrümpeln und zu sanieren, einen modernen Museumsbetrieb zu ermöglichen und zugleich der alten Substanz noch zusätzliche, verwendbare Räume abzuringen.
Einen Fehler, der sich in Wien bei der Sanierung der Museen immer wieder bemerkbar machte, hat Gratl vermieden. Natürlich ist man auch hier auf historische Fragmente gestoßen, Fresken aus der Renaissance zum Beispiel, die gesichert, gesäubert und hergezeigt wurden. Aber als Fragmente. Es wurde nichts ergänzt, geglättet und geschönt, nichts zu Tode restauriert.
Der alte Werkstättentrakt der Münze Österreich aus den Achtzigerjahren - Gratl hätte ihn wohl am liebsten abgerissen - wurde erhalten und ist heute Ausstellungsraum. Sogar die großen Tore zum kleinen Burghof, die früher als Einfahrtsmöglichkeit gebraucht wurden, sind noch da. Allerdings sitzen sie jetzt als große schwarze Kastenelemente (Eiche) in der Mauer, umgeben von einem Glasband, das sie erst richtig zur Wirkung bringt. Und man kann sie nötigenfalls - etwa bei Veranstaltungen - öffnen.
Gestalterisch ist in diesem Museum durchwegs alles vom Feinsten. Jede neue Treppenstufe, jede Sitzgelegenheit. Die Vitrinen sind perfekt designte Objekte, meist aus schwarz lackierten Holzfaser-Platten, höchst elegant und zugleich „brauchbar“. Denn sie funktionieren oft auf zwei verschiedenen Ebenen: Für den Rundgang des Laien bieten sie auf den ersten Blick die notwendige Grundinformation, aber dann kann man durch Klappen, Drehen, Herausziehen tiefer in die Materie eindringen. Das hat schon Elsa Prochazka bei ihren Museumseinrichtungen vorgeführt, hier ist es vielleicht noch kompakter, konzentrierter.
Glücklicherweise wurde bei der Einrichtung dieses Museums auf eine „Übermedialisierung“ verzichtet. Es kommt alles vor, was die heutige Technik bietet, trotzdem flimmert es nicht an jeder Wand. Und nicht einmal das Bildmaterial wurde auf Hochglanz reproduziert, sondern auf einen textilen Untergrund gedruckt. Atmosphärisch verbinden sich die neuen Maßnahmen mit der historischen Substanz perfekt. So etwas gelingt nur mit viel Feingefühl - und mit der Disziplin, lieber weniger als zu viel zu gestalten. Besseres kann man einem solchen Museum kaum nachsagen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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