Bauwerk
Spreebogenpark
w+s landschaftsarchitekten - Berlin (D) - 2005
Stille Wucht der Geschichte
Im Herzen Berlins hat der Solothurner Landschaftsarchitekt Toni Weber einen Park gebaut. Im Spreebogen, wo die Preussen paradierten und wo sich Speers ‹Grosse Halle› hätte auftürmen sollen, waltet nun weite Leere. Toni Weber hat jedoch feine Bänder zur Vergangenheit gespannt.
16. September 2005 - Rahel Marti
So ruhig, wie Toni Weber von seinem grössten Auftrag erzählt, so ruhig ist der Park selbst. Weite, wenige Baumgruppen, grün. Eigentlich ist da nichts – bis auf zwei mit rostigem Stahl verkleidete Betonwände. Von Süden, also vom Abgeordnetenhaus und Kanzleramt her, sieht man sie aus dem Grund stossen und bedächtig die Erde anheben, bis sie zuvorderst, an der Spree, eine fast fünf Meter tiefe Grube aufgerissen haben. Dann ist wieder Ruhe, vorne dümpelt die Spree träge in ihrem Kanal.
Toni Webers Park ist ein stilles Land, aber ein tiefes. Heute flaniert man unbekümmert und freut sich an der Weite. Dabei hat es die Geschichte ernst gemeint mit diesem Ort im Herzen, ja im Mark Berlins. Immer wieder stilisierten ihn Machthaber zur politischen Mitte und Planer zur ideologischen Zelle, besonders seit dem Bau des Reichstags im Jahr 1894 (‹Geschichte des Spreebogens›). Was wollte ein Schweizer an diesem Ort dichter deutscher Geschichte? Sie zeigen, jedoch ohne Didaktik und ganz sicher ohne Romantik, sagt Toni Weber. «Die Geschichte selbst sollte Gestalt werden, der Entwurf selbstredend sein, sodass ich gar nichts würde erklären müssen.» Formen, das heisst für Toni Weber beschränken. «Grosszügigkeit und Zurückhaltung, gestaltet mit wenigen, aber ausdrucksstarken Elementen», schrieb er zu seinem Wettbewerbsprojekt von 1997. Noch heute, da um ihn herum längst wieder exzessiv geformt wird, verficht er den minimalen Ansatz: Mit Wenigem auskommen, damit dieses umso kräftiger wirkt. Am Spreebogen sei für ihn die Urbanität bestimmend gewesen, und mit Urbanität meint Weber die Gestalt des Bogens als seit Jahrhunderten menschgeprägtes Gelände. Also keine Idylle einfliegen, sondern mit dem arbeiten, was da ist.
Gespenstisches Loch
Da war nicht mehr viel ausser brachem Land. Toni Weber suchte das Wenige ab und fragte nach dessen Nutzen und Sinn für einen heutigen Park. Er kam auf zwei Dinge: Die Nord-Süd-Achse – unsichtbar im Brachland, doch jahrhundertelang bestimmend – und die Wege entlang der Spree, die während allen Epochen existiert hatten. Die Wege hat Toni Weber nur instand gesetzt. Der untere diente als Treichelpfad, man zog Schiffe spreeaufwärts; heute ist er wieder Teil der von der Jannowitzbrücke bis zum Schloss Charlottenburg reichenden Uferpromenade. Hinter ihr erhebt sich das ‹Deckwerk›, eine 3,5 Meter hohe und fast einen Kilometer lange Stützmauer, die den Spreebogen erst formt und festigt. Darauf verlief ebenfalls ein Geh- und Fahrweg. Wo das ‹Deckwerk› verfallen war, rekonstruierte Toni Weber es nicht, sondern beliess die gewachsenen Böschungen und führte den ‹Panoramaweg› mit Brücken darüber. Drei Abgänge verbinden ‹Uferpromenade› und den ‹Panoramaweg›: eine Treppe am Scheitel des Bogens und zwei Rampen an seinen Enden. Diese Rampen, Einschnitte ins Gelände, sah Weber als Grabungsorte. Gern hätte er den Schnitt durch das Erdreich, durch die geschichtete Geschichte zur Schau gestellt, doch gefiel dies der Bauherrschaft nicht. Also holte Weber die Vergangenheit mit Abbildern zurück. Im Einschnitt links des Scheitels, genannt ‹Spurengarten›, pflanzte er akkurat assortierte Blumenbeete, wie sie einst vor den Bürgerhäusern blühten. An dieser einzigen etwas üppigeren Stelle des Parks wird es fast «gärtelig», wie Weber selbst bemerkt. Für die einen irritierend in der sonst weiten Leere, für andere wohl der schönste, weil lieblichste Ort des Parks. Im Einschnitt rechts die ‹Gartenspur›: Eine kommune Blumenwiese bricht an einer Betonwand; eine Szene wie einst an der Berliner Mauer. Das mächtigste Abbild der Erinnerung jedoch ist der Graben in der Mitte des Parks. Perspektivisch überhöht und mit rostigem Stahl abstrahiert, führt er die Flucht der so oft bemühten, nie verwirklichten Nord-Süd-Achse vor. Toni Weber nennt die Kerbe verharmlosend ‹Landschaftsfenster›. Man hätte auf den Humboldthafen gegenüber schauen sollen. Die dortige neue Brücke machte Weber einen Strich durchs Bild, sie wurde höher als erwartet; jetzt blickt man geradeaus an die Brückenwange. Dennoch ist die Grube eindrücklich. Denn sie zeigt auf gespenstische Weise, wie all die euphorischen Planungen ins Leere liefen – was bleibt, ist ein Loch.
Picknick mit der Kanzlerin?
Seinen Anspruch, mit wenigen, umso stärkeren Mitteln zu gestalten, hat Toni Weber also eingelöst. Räumlich wie formal ist sein Konzept klar und streng. «Der Entwurf besticht durch Grosszügigkeit und Ruhe. Alle Bereiche sprechen die gleiche Sprache», schrieb 1997 die Jury, der unter anderen Dieter Kienast und Guido Hager angehörten. Vielleicht half nicht zuletzt diese Klarheit dem Projekt, die achtjährige Planungs- und Bauzeit fast unbeschadet zu überstehen. Verteilkämpfe um das immer knappere Geld, nicht enden wollende Diskussionen um die ‹Planungsprioritäten› in der Hauptstadt und unzählige ‹Stop-and-Goes› prägten die Ausführungsphase. Dass man ihn im rauen Berlin nicht wegmobbte, schreibt Weber auch dem Geleit zu, das er und das Projekt erhalten hätten. Am meisten freuten sich nämlich die Schweizer in Berlin über seinen Erfolg, unter ihnen der damalige Schweizer Botschafter Hans Widmer, der für die richtigen Kontakte sorgte.
Und wie steht es mit Toni Webers Wunsch, «nichts erklären» zu müssen? Von all den Bändern zwischen Gestalt und Geschichte erfährt man vor Ort nichts, es gibt eben keine Didaktik. Das ist einerseits schade, denn erst mit diesem Wissen durchmisst man die Tiefe dieser Landschaftsarchitektur. Andererseits stöhnten die Berliner: Nicht noch eine Gedenkstätte! Dieser Park sollte zum Vergnügen da sein. Vorne an der Spree eröffnet bald ein Café, auf den schiefen Rasenflächen sollen Konzerte stattfinden und die ‹Berliner Zeitung› freut sich auf Fussball mit dem Kanzler (oder auf ein Picknick mit der Kanzlerin?). Auch ist der Spreebogenpark im Rennen um den Platz, wo nächstes Jahr das Fussball-
WM-Fest stattfinden soll. Dafür ist dieser Ort jetzt da, damit die Weite neu gefüllt wird.
Toni Webers Park ist ein stilles Land, aber ein tiefes. Heute flaniert man unbekümmert und freut sich an der Weite. Dabei hat es die Geschichte ernst gemeint mit diesem Ort im Herzen, ja im Mark Berlins. Immer wieder stilisierten ihn Machthaber zur politischen Mitte und Planer zur ideologischen Zelle, besonders seit dem Bau des Reichstags im Jahr 1894 (‹Geschichte des Spreebogens›). Was wollte ein Schweizer an diesem Ort dichter deutscher Geschichte? Sie zeigen, jedoch ohne Didaktik und ganz sicher ohne Romantik, sagt Toni Weber. «Die Geschichte selbst sollte Gestalt werden, der Entwurf selbstredend sein, sodass ich gar nichts würde erklären müssen.» Formen, das heisst für Toni Weber beschränken. «Grosszügigkeit und Zurückhaltung, gestaltet mit wenigen, aber ausdrucksstarken Elementen», schrieb er zu seinem Wettbewerbsprojekt von 1997. Noch heute, da um ihn herum längst wieder exzessiv geformt wird, verficht er den minimalen Ansatz: Mit Wenigem auskommen, damit dieses umso kräftiger wirkt. Am Spreebogen sei für ihn die Urbanität bestimmend gewesen, und mit Urbanität meint Weber die Gestalt des Bogens als seit Jahrhunderten menschgeprägtes Gelände. Also keine Idylle einfliegen, sondern mit dem arbeiten, was da ist.
Gespenstisches Loch
Da war nicht mehr viel ausser brachem Land. Toni Weber suchte das Wenige ab und fragte nach dessen Nutzen und Sinn für einen heutigen Park. Er kam auf zwei Dinge: Die Nord-Süd-Achse – unsichtbar im Brachland, doch jahrhundertelang bestimmend – und die Wege entlang der Spree, die während allen Epochen existiert hatten. Die Wege hat Toni Weber nur instand gesetzt. Der untere diente als Treichelpfad, man zog Schiffe spreeaufwärts; heute ist er wieder Teil der von der Jannowitzbrücke bis zum Schloss Charlottenburg reichenden Uferpromenade. Hinter ihr erhebt sich das ‹Deckwerk›, eine 3,5 Meter hohe und fast einen Kilometer lange Stützmauer, die den Spreebogen erst formt und festigt. Darauf verlief ebenfalls ein Geh- und Fahrweg. Wo das ‹Deckwerk› verfallen war, rekonstruierte Toni Weber es nicht, sondern beliess die gewachsenen Böschungen und führte den ‹Panoramaweg› mit Brücken darüber. Drei Abgänge verbinden ‹Uferpromenade› und den ‹Panoramaweg›: eine Treppe am Scheitel des Bogens und zwei Rampen an seinen Enden. Diese Rampen, Einschnitte ins Gelände, sah Weber als Grabungsorte. Gern hätte er den Schnitt durch das Erdreich, durch die geschichtete Geschichte zur Schau gestellt, doch gefiel dies der Bauherrschaft nicht. Also holte Weber die Vergangenheit mit Abbildern zurück. Im Einschnitt links des Scheitels, genannt ‹Spurengarten›, pflanzte er akkurat assortierte Blumenbeete, wie sie einst vor den Bürgerhäusern blühten. An dieser einzigen etwas üppigeren Stelle des Parks wird es fast «gärtelig», wie Weber selbst bemerkt. Für die einen irritierend in der sonst weiten Leere, für andere wohl der schönste, weil lieblichste Ort des Parks. Im Einschnitt rechts die ‹Gartenspur›: Eine kommune Blumenwiese bricht an einer Betonwand; eine Szene wie einst an der Berliner Mauer. Das mächtigste Abbild der Erinnerung jedoch ist der Graben in der Mitte des Parks. Perspektivisch überhöht und mit rostigem Stahl abstrahiert, führt er die Flucht der so oft bemühten, nie verwirklichten Nord-Süd-Achse vor. Toni Weber nennt die Kerbe verharmlosend ‹Landschaftsfenster›. Man hätte auf den Humboldthafen gegenüber schauen sollen. Die dortige neue Brücke machte Weber einen Strich durchs Bild, sie wurde höher als erwartet; jetzt blickt man geradeaus an die Brückenwange. Dennoch ist die Grube eindrücklich. Denn sie zeigt auf gespenstische Weise, wie all die euphorischen Planungen ins Leere liefen – was bleibt, ist ein Loch.
Picknick mit der Kanzlerin?
Seinen Anspruch, mit wenigen, umso stärkeren Mitteln zu gestalten, hat Toni Weber also eingelöst. Räumlich wie formal ist sein Konzept klar und streng. «Der Entwurf besticht durch Grosszügigkeit und Ruhe. Alle Bereiche sprechen die gleiche Sprache», schrieb 1997 die Jury, der unter anderen Dieter Kienast und Guido Hager angehörten. Vielleicht half nicht zuletzt diese Klarheit dem Projekt, die achtjährige Planungs- und Bauzeit fast unbeschadet zu überstehen. Verteilkämpfe um das immer knappere Geld, nicht enden wollende Diskussionen um die ‹Planungsprioritäten› in der Hauptstadt und unzählige ‹Stop-and-Goes› prägten die Ausführungsphase. Dass man ihn im rauen Berlin nicht wegmobbte, schreibt Weber auch dem Geleit zu, das er und das Projekt erhalten hätten. Am meisten freuten sich nämlich die Schweizer in Berlin über seinen Erfolg, unter ihnen der damalige Schweizer Botschafter Hans Widmer, der für die richtigen Kontakte sorgte.
Und wie steht es mit Toni Webers Wunsch, «nichts erklären» zu müssen? Von all den Bändern zwischen Gestalt und Geschichte erfährt man vor Ort nichts, es gibt eben keine Didaktik. Das ist einerseits schade, denn erst mit diesem Wissen durchmisst man die Tiefe dieser Landschaftsarchitektur. Andererseits stöhnten die Berliner: Nicht noch eine Gedenkstätte! Dieser Park sollte zum Vergnügen da sein. Vorne an der Spree eröffnet bald ein Café, auf den schiefen Rasenflächen sollen Konzerte stattfinden und die ‹Berliner Zeitung› freut sich auf Fussball mit dem Kanzler (oder auf ein Picknick mit der Kanzlerin?). Auch ist der Spreebogenpark im Rennen um den Platz, wo nächstes Jahr das Fussball-
WM-Fest stattfinden soll. Dafür ist dieser Ort jetzt da, damit die Weite neu gefüllt wird.
Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre
Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönig
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