Bauwerk
Wohnhaus Reither
Franz Sam - Krems an der Donau (A) - 2003
Chirurgische Dachgratwanderung
Raffiniert und präzise setzten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch eine prismatische Glas-Beton-Treppenskulptur ins mittlere Grabendrittel eines steilen Doppeldachs in der Kremser Altstadt. Von außen kaum sichtbar, gibt es dem Dachstuhl die nötige Treppe, Stabilität und Licht, das durch mattes Glas weit hinunterfluten kann.
17. Dezember 2005 - Isabella Marboe
Die Kremser Altstadt ist ein architekturhistorisches Kleinod von UNECSO-Weltkulturerbe-Format, steingepflastert steigt sie vom Pfarrplatz aufwärts am Hohen Markt zur Höchstform an. Die dortige Gozzo-Burg wurde 1275 gebaut, alle Häuser stammen aus der Zeit, jede Epoche fügte ihnen Türme, Loggien und Giebel hinzu. Mit der puristischen Bar Hendrik unter den frei gelegten, stahlgefassten Gewölben der alten Münzstätte schufen Franz Sam und Irene Ott-Reinisch dem Nachtleben einen Fixstern und dem Bauherrn ein Stammlokal.
Er wohnt im Eckhaus, das aus der engen Rabengasse mit ihren Sturzbögen zwischen windschiefen Fassaden auf die Margaretengasse im Norden ragt. Ursprünglich waren es zwei schmale Häuser an einer Durchfahrt, bis heute liegt der gedeckte, südsonnige Arkadenhof dahinter eine Ebene unter Straßenniveau. Das Barock brachte einen schmucken Eingang und eine Traufmauer, auf der das Haus zum Ganzen und die zwei Steildächer in der tiefen Mitte zum unorthodox konischen Grabendach verwuchsen. Im Osten höher, im Westen an der Rabengasse niederer, im Süden offen, überdauerte es gut durchlüftet die Zeit, bis es eine neue Hülle in alter Form bekam. Darunter blieb es zugig und unbelichtet, nur eine Leiter führte hinauf. Der Bauherr wollte es so zeitlos gelassen bewohnen, wie sich im Hendrik trinken ließ. Mit archäologischer Akribie erforschten die Architekten den Bestand, um behutsam die neue Treppe einzufügen. Dabei entpuppte sich das erst kürzlich neu errichtete Dach als statisch unzulässig gelagert. Bedrohlich lastete es auf dem Haus, musste stabilisiert und neu aufgelagert werden. Am Durchgang liegt die Stiege zur Wohnung im ersten Stock. Die wurde sanft beschnitten, um zwischen zwei hauchzarte Betonscheiben einen prismatischen Treppenlichtkörper in den Dachgraben zu setzen. 14 Zentimeter dünn, gewichtsmindernd glasperforiert, liegen sie unten und oben auf je zwei Punkten auf, lassen Licht in den ganzen Dachraum, den grau reflektierenden Aufgang bis in den Altbau fluten. Wie die Äste eines Baumes ragen unterm Glasoberlichtprisma die brandschutzweißen Sparren vom mittigen Trambalken gen Himmel.
In der tiefen Grabenmitte kaum zu sehen, gibt die Betonglasskulptur dem asymmetrischen Dach Halt und ein helles Zentrum, das von den zwei Eingängen im Norden über ein Drittel der Länge ins Innere ragt. Raffiniert fällt Licht, aber kein Blick durchs matte Wabenglas mit Innenjalousien. Überm Podest, das die entdeckte Renaissancedecke darunter konserviert, schiebt sich eine schmale Galerie mit Metalltreppe unterm höheren Dachteil bis zur grau durchdesignten Küche mit partytauglich ausziehbarer Bar vor. Sie steht leicht erhöht an einer offenen, lichtdurchlässigen Stauraumscheibe, dezent schmiegt sich die Herd-Abwaschzeile an die Dachschräge. Durch zwei Lichttromben fällt noch mehr Himmel ein, die Südseite ist transparent verglast, ungehindert frei fließt vorm Altstadtpanorama der Wohnraum, der von einer abgehängten Decke im Westen heizkostensparend differenziert wird.
Eine Glastür führt auf die neue Südwestterrasse, die ein altes Pultdach ersetzt. Windgeschützt von der Nachbarmauer mit rostigen Fensterläden blickt man über den Arkadenhof, mittelalterliche Dächer, barocke Giebel, Türme bis zum Stift Göttweig am Horizont. Durch die lichtprismatische Mitte sieht man es selbst vom verglasten Bad an der Nordwand: Hier wäre das Dach in Ost-und Westhälfte teilbar. Der Bauherr nahm es ganz: Durch das blaue Schlafzimmerfensterglas erblickt er den Sgrafitto-Erker der Rabengasse, die dunkle Scheibe ist die einzige Spur, die das Architektenskalpell im sensiblen Stadtbild hinterließ.
Er wohnt im Eckhaus, das aus der engen Rabengasse mit ihren Sturzbögen zwischen windschiefen Fassaden auf die Margaretengasse im Norden ragt. Ursprünglich waren es zwei schmale Häuser an einer Durchfahrt, bis heute liegt der gedeckte, südsonnige Arkadenhof dahinter eine Ebene unter Straßenniveau. Das Barock brachte einen schmucken Eingang und eine Traufmauer, auf der das Haus zum Ganzen und die zwei Steildächer in der tiefen Mitte zum unorthodox konischen Grabendach verwuchsen. Im Osten höher, im Westen an der Rabengasse niederer, im Süden offen, überdauerte es gut durchlüftet die Zeit, bis es eine neue Hülle in alter Form bekam. Darunter blieb es zugig und unbelichtet, nur eine Leiter führte hinauf. Der Bauherr wollte es so zeitlos gelassen bewohnen, wie sich im Hendrik trinken ließ. Mit archäologischer Akribie erforschten die Architekten den Bestand, um behutsam die neue Treppe einzufügen. Dabei entpuppte sich das erst kürzlich neu errichtete Dach als statisch unzulässig gelagert. Bedrohlich lastete es auf dem Haus, musste stabilisiert und neu aufgelagert werden. Am Durchgang liegt die Stiege zur Wohnung im ersten Stock. Die wurde sanft beschnitten, um zwischen zwei hauchzarte Betonscheiben einen prismatischen Treppenlichtkörper in den Dachgraben zu setzen. 14 Zentimeter dünn, gewichtsmindernd glasperforiert, liegen sie unten und oben auf je zwei Punkten auf, lassen Licht in den ganzen Dachraum, den grau reflektierenden Aufgang bis in den Altbau fluten. Wie die Äste eines Baumes ragen unterm Glasoberlichtprisma die brandschutzweißen Sparren vom mittigen Trambalken gen Himmel.
In der tiefen Grabenmitte kaum zu sehen, gibt die Betonglasskulptur dem asymmetrischen Dach Halt und ein helles Zentrum, das von den zwei Eingängen im Norden über ein Drittel der Länge ins Innere ragt. Raffiniert fällt Licht, aber kein Blick durchs matte Wabenglas mit Innenjalousien. Überm Podest, das die entdeckte Renaissancedecke darunter konserviert, schiebt sich eine schmale Galerie mit Metalltreppe unterm höheren Dachteil bis zur grau durchdesignten Küche mit partytauglich ausziehbarer Bar vor. Sie steht leicht erhöht an einer offenen, lichtdurchlässigen Stauraumscheibe, dezent schmiegt sich die Herd-Abwaschzeile an die Dachschräge. Durch zwei Lichttromben fällt noch mehr Himmel ein, die Südseite ist transparent verglast, ungehindert frei fließt vorm Altstadtpanorama der Wohnraum, der von einer abgehängten Decke im Westen heizkostensparend differenziert wird.
Eine Glastür führt auf die neue Südwestterrasse, die ein altes Pultdach ersetzt. Windgeschützt von der Nachbarmauer mit rostigen Fensterläden blickt man über den Arkadenhof, mittelalterliche Dächer, barocke Giebel, Türme bis zum Stift Göttweig am Horizont. Durch die lichtprismatische Mitte sieht man es selbst vom verglasten Bad an der Nordwand: Hier wäre das Dach in Ost-und Westhälfte teilbar. Der Bauherr nahm es ganz: Durch das blaue Schlafzimmerfensterglas erblickt er den Sgrafitto-Erker der Rabengasse, die dunkle Scheibe ist die einzige Spur, die das Architektenskalpell im sensiblen Stadtbild hinterließ.
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