Bauwerk

Basellandschaftliche Kantonalbank - Erweiterung
Berrel Architekten - Therwil (CH) - 1998

Suburbia wird urban

Neue Architektur im südlichen Stadtraum von Basel

2. Juli 1999 - Lutz Windhöfel
In der Form von vier Fingern streckt sich Basel mit seinen Vororten auf Schweizer Seite nach Süden. Die Gemeinden haben die Grösse von Dörfern und Kleinstädten (mit bis zu 20 000 Einwohnern) und liegen alle in den Kantonen Baselland und Solothurn. Über Jahrhunderte verlief ihr Wachstum unabhängig von der Kernstadt. Doch seit den sechziger Jahren explodierten diese Kommunen, denn hier entstanden die neuen Wohngebiete der Stadtregion (der Stadtkanton Basel besitzt keine Expansionsmöglichkeiten). Heute dehnt sich zwischen Oberwil (im Südwesten) und Dornach (im Südosten) eine Grossstadt mit über 200 000 Einwohnern.

Nun mehren sich die Zeichen, dass hier ein urbanes Bewusstsein entsteht und man sich mit neuer Architektur am Bau der Grossstadt beteiligen will. Peter Zumthors Siedlung «Spittelhof» in Biel-Benken (NZZ 7. 11. 97) ist zwar durch ein Waldstück vom Stadtraum getrennt, aber die klare und kompromisslose Wohnanlage strahlt markant auf ihn aus. Im benachbarten Therwil haben Berrel Architekten (Basel) gerade ein Haus so modernisiert und erweitert, dass die Kubatur aus Beton und Glas zum baulich bestimmenden Element des Gemeindekerns wird. Gleiches gilt für das etwas weiter östlich gelegene Reinach, wo Ernst Spycher (Basel) eine Schule mit einer Gemeindebibliothek errichtete. Und ein neues Zeichen urbanen Bauens liegt auch ganz im Südosten des Stadtraums in Arlesheim.

Hier, wo nach Plänen des Misoxer Architekten Jacob Engel ab 1679 eine Kirche mit mächtigen Wohnhäusern für das Bistum Basel entstand, bauen die Architekten Andreas Scheiwiller und Klaus Schuldt (beide Basel) ein Ensemble mit 5 villenartigen Wohnhäusern, die etappiert realisiert werden. Die fertiggestellten Häuser liegen einen Steinwurf von der mächtigen Barockanlage entfernt auf einer Parzelle, von der aus Waldrand und Rebberge sichtbar sind. Die zweigeschossigen Kubaturen haben in der oberen Etage einen umlaufenden Fensterkranz und darüber ein flaches Walmdach. Die austarierten Proportionen der Häuser machen das grosse Volumen der Innenräume nach aussen fast nicht sichtbar. Da die Häuser und Gärten nach euklidischen Geometrien organisiert und placiert sind, ergibt sich bei aller Grosszügigkeit ein kompaktes Raumgefühl. Die Häuser symbolisieren urbanes Wohnen in - fast - idyllischer Umgebung.

Auch in Therwil zeugen bäuerische Holzarchitekturen an der Hauptstrasse von dörflichen Zeiten. Als dort 1974 ein Wohnhaus mit Bankfiliale fertiggestellt wurde, gehörten diese Zeiten schon der Vergangenheit an. Nun haben Berrel Architekten vor dieses Haus einen Riegel aus Sichtbeton und Glas geschoben. Für die Erweiterung der Filiale wird die Geschossfläche im Parterre um 50 Prozent erhöht. Der Bau steht nun weit näher zur Strasse. Er beruhigt und konzentriert die heterogene Morphologie der gebauten Dorfstruktur, die nach einer neuen Identität sucht. Die Architekten haben das Parterre mit einer Art Lichtband geöffnet. Fassadenteile aus grauem Aluminium wirken streng, aber wohltuend sachlich. Die Atmosphäre ist städtisch.

Mit der neuen Handelsschule des Kaufmännischen Vereins des Kantons Baselland in Reinach verhält es sich ähnlich. Der Architekt (Ernst Spycher) hat dort einen Vorgängerbau aus den fünfziger Jahren durch Abriss und Neubau auf 3500 Quadratmeter Nutzfläche vergrössert. Die Gemeindebibliothek erhielt hier grosszügige Räume. Ein Café mit einem baumbestandenen Hof kann ein Treffpunkt für die Quartierbewohner werden. An der Fassade der neuen Schulanbauten gibt es grosse, fensterlose Sichtbetonflächen, die bis zu drei Stockwerke hoch sein können. Die andere Fassadenhälfte besteht aus Stahl-Glas-Partien. Neu- und Altbauten sind zwar gleich hoch, aber da der grosse Pausenhof um ein Geschoss abgesenkt wurde, gewann die Anlage an Volumen und Präsenz. Die Schule im Wohngebiet «Egerten» ist von weiteren Schulbauten, Strassenbändern, Ein- und Mehrfamilienhäusern umgeben. Sie fasst den Ort neu und gibt ihm ein klares Gesicht. In der Gemeindebibliothek erinnert ein Glasboden an Otto Wagners Wiener Postsparkasse. Im Zentrum des Hauses liegt ein quadratischer Raum mit Oberlicht, an den alle Gebäudeteile grenzen und der alle Nutzungen organisiert. Hier ist auch der Raum für zwischenmenschliche Begegnung und Gespräch. Und die Umgebung ist urban.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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