Bauwerk

Erdberger Steg
Zeininger Architekten - Wien (A) - 2003
Erdberger Steg, Foto: Pez Hejduk
Erdberger Steg, Foto: Pez Hejduk

Grau und schlau

Ein Pilotprojekt zur technischen Vergrauung von Holzoberflächen

25. März 2006 - Franziska Leeb
In einer ganz normalen Großstadtgegend verbindet der Erdberger Steg den dritten mit dem zweiten Bezirk und schafft zwischen Rotunden- und Stadionbrücke für Fußgänger und Radfahrer eine Verbindung vom Grau der Stadt ins Grün des Praters. Auf der einen Seite dominiert die Nachbarschaft der architektonisch nichtssagende Komplex der Siemens Firmengebäude, am anderen Ufer erstreckt sich zwei Gründerzeitblöcke hinter der Schüttelstraße die Jesuitenwiese. Hier sind weder besonders laute Gesten nötig, noch drängen sich besondere städtebauliche Spezifika als Bezugspunkte auf.

In diesem Umfeld eine angemessene Gestaltungssprache zu finden, ist oft schwieriger, als an neuralgischen Punkten aufsehenerregende Akzente zu setzen. Als wäre er immer schon da gewesen, legt sich der Steg über den Kanal. Nur das mittlere Stützenpaar des in Brettschichtholzkonstruktion ausgeführten W-förmigen Tragwerks ragt in Fahrbahnmitte in die Höhe. Das Lärchenholztragwerk verbindet sich mit den Nebenträgern der Fahrbahnplatte, diversen Abhängungen und Verbindungen, Geländern und Masten aus Stahl sowie Fundamenten und Widerlagern aus Beton zu einer intelligenten Mischbauweise.

Um eine dem städtischen Umfeld entsprechende Wirkung zu erzielen, entschied sich Architekt Johannes Zeininger für ein Farbkonzept, das darauf abzielt, die Brücke möglichst »immateriell« und daher monochrom grau erscheinen zu lassen. Monochromie klingt einfach, erforderte aber doch Überlegungen und einigen Forschungsaufwand, um eine Holzlasur zu finden, die erstens dem Farbton der übrigen eingesetzten Materialien möglichst nahe kommt und zudem die natürliche Vergrauung des Holzes vorwegnimmt.

Günstig traf es sich, dass die Holzforschung Austria zeitgleich am Forschungsprojekt greywood arbeitete, sodass der Erdberger Steg zu einem Pilotprojekt avancierte. Die Holzwerkstoffe erhielten eine hellgraue Dünnschichtlasur, die eine »abkreidende« Eigenschaft hat, d.h. deren Beschichtungsstärke sich bei Bewitterung abbaut. Allmählich wird die Holzoberfläche freigelegt, an der sodann der bekannte Alterungsprozess mit dem Endresultat der typisch silbergrauen Lärchenholzoberfläche beginnen kann. Abgesehen von der ohnedies vorgeschriebenen vorbeugenden Ausrüstung bewitterter Flächen mit chemischem Holzschutz, hat diese mit fein abgestimmten Farbpigmenten versehene Lasur also im Wesentlichen den Sinn, die vor allem im urbanen Gebiet ungeliebte, meist etwas unregelmäßig wüst erscheinende Abwitterung optisch zu kaschieren. Heute, etwas mehr als zwei Jahre nach Fertigstellung scheint die Strategie ganz gut gelungen zu sein.

Auf »zeitgemäße, unsentimentale und professionelle Weise« kam das Holz beim Erdberger Steg zum Einsatz, würdigte die Jury des Wiener Holzbaupreises das Projekt und traf damit die Verdienste der Planer punktgenau. Das »Professionelle« bezieht sich in erster Linie auf die penible Ausführung des konstruktiven Holzschutzes, der bekannterweise das Um und Auf einer dauerhaften Holzkonstruktion ist. Statt einer Verblechung erhielten die konstruktiven Holzteile eine Abdeckung mit wasserfest verleimten, ebenfalls grau lasierten Schichtholzplatten und verblechten Fugen zur Ableitung des Wassers.

Es ist also nicht die theatralische Inszenierung, in die hier die Energie der Planer floss, sondern die sorgfältige ingenieurmäßige und werkstoffgerechte Detaillierung. Somit wurde daraus ein Beispiel dafür, dass es zwischen öder Banalität und Überinszenierung auch einen Mittelweg gibt, der hier mit Know-how, konsequenter Pragmatik und gestalterischer Sensibilität verfolgt wurde.

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