Bauwerk

Bibiothekseinbau
Santiago Calatrava - Zürich (CH) - 2004
Bibiothekseinbau, Foto: Hans Ege

Schwebende Bibliothek

Santiago Calatravas spektakulärer Umbau an der Zürcher Rämistrasse

An der Hauptfassade des Universitätsgebäudes Rämistrasse 74/76 in Zürich sind zwar wenig Veränderungen zu sehen. Im Innenhof aber hat Architekt Santiago Calatrava mit seiner eingebauten Bibliothek für einen spektakulären architektonischen Akzent im Universitätsviertel gesorgt. Der Einbau liegt nur an acht Punkten auf und scheint fast zu schweben. Das Gebäude dient neu dem Rechtswissenschaftlichen Institut als Sitz.

26. August 2004 - Martino Stierli
Die Universität, also der Kanton Zürich, ist im Hochschulquartier in den letzten Jahren prominent als Bauherrin in Erscheinung getreten. Seit einigen Jahren ist die - inzwischen fortgeschrittene - Sanierung von Karl Mosers Kollegiengebäude im Gange, während der neue unterirdische Hörsaal vor dem Hauptgebäude von Annette Gigon und Mike Guyer im letzten Jahr in Betrieb genommen werden konnte. Dessen leuchtendes Farbkonzept von Adrian Schiess stiess ebenso auf den Beifall der Fachwelt wie die Gestaltung des Vorplatzes durch Guido Hager.

Unweit davon wird bis Ende Monat ein weiteres Prestigeobjekt bezogen, mit dem die hiesige Hochschule im Wettbewerb um die Gunst der Studierenden und Lehrkräfte wird auftrumpfen können: Stararchitekt Santiago Calatrava hat mit dem Um- und Ausbau der Liegenschaft an der Rämistrasse 74/76 einen spektakulären architektonischen Akzent gesetzt. An der Adresse wird erstmals das gesamte Rechtswissenschaftliche Institut (RWI) unter einem Dach gebündelt. Bisher waren die rund 40 Lehrstühle des Instituts über 8 Standorte verteilt.

Inszenierte Institutsbibliothek

Der Bau wurde zwischen 1905 und 1909 durch Kantonsbaumeister Hermann Fietz d. Ä. errichtet. Herzstück von Calatravas Eingriffen ist die zentrale, spektakulär inszenierte Institutsbibliothek. Während an der Hauptfassade zur Rämistrasse praktisch keine Veränderungen auszumachen sind, hat der Architekt den vormals offenen Innenhof der vierflügligen Anlage mit einer längsovalen Glaskuppel überdeckt. In den neuen Innenraum hat Calatrava eine sechsgeschossige Konstruktion gestellt, deren umlaufende linsenförmige Galerien das Oberlicht bis auf Erdgeschossniveau einfallen lassen. Dadurch, dass der Einbau nur gerade an acht Punkten aufliegt, bleibt die Struktur des alten Innenhofs weitgehend erhalten und deutlich ablesbar, womit einer Anforderung der Denkmalpflege Rechnung getragen werden konnte. Entstanden ist eine weiträumige, durch keinerlei Stützen blockierte Halle, über welcher der Bibliothekskoloss gleichsam zu schweben scheint.

Die Wahl der Materialien - weisser Naturstein für den Fussboden im Erdgeschoss und in den Erschliessungszonen sowie helles Holz für die übrigen Böden und die Brüstungen der Galerien - trägt zum Eindruck eines offenen und eleganten Innenraums bei. Dabei wurde sorgsam auf die Vermeidung von Halleffekten geachtet, die in einer Bibliothek keineswegs begrüsst würden.

10 Jahre Warten auf die Baubewilligung

Zum Bauprogramm gehörten neben der Bibliothek auch die Aufstockung der Flachdachbauten im hinteren Teil der Anlage sowie die Sanierung des Altbaus, die noch bis Ende nächsten Jahres andauern wird. Calatrava hatte zwar bereits 1989 einen Direktauftrag für den Umbau des Gebäudes vom damaligen Kantonsbaumeister erhalten - zu einer Zeit, als er mit dem neuen Bahnhof Stadelhofen gerade zum Shootingstar der Schweizer Architektur avanciert war. Dennoch mussten zehn Jahre ins Land ziehen, bevor 1999 das jetzt realisierte Projekt bewilligt wurde. Damit ist nun nicht nur der Raumbedarf des Instituts längerfristig gedeckt; auch konnte die Bibliothek - sie ist landesweit die zweitgrösste ihrer Art - mit 5000 Laufmetern Bücherregalen zur angemessenen Grösse ausgebaut werden. Durch die Schaffung von 500 Arbeitsplätzen wird zudem die unbefriedigende Situation der Studierenden wesentlich verbessert. Der Kreditrahmen von insgesamt rund 65 Millionen Franken wurde nicht überschritten.

Kontrast zwischen Alt und Neu

Nicht zuletzt lebt der Umbau von der Inszenierung des Kontrasts zwischen Alt und Neu: Während zwar die Korridore im Altbau auf die ursprüngliche Höhe rückgebaut wurden und dadurch an Offenheit gewinnen, ist ihre Wirkung nach wie vor eher düster. Umso deutlicher setzt sich davon der helle, durch die ehemaligen Fensteröffnungen einsehbare Bibliotheksraum ab; ein Kontrast, der dadurch verstärkt wird, dass der Zugang zur neuen Bibliothek nicht direkt von der Rämistrasse erfolgt, sondern rückseitig zur Schönleinstrasse liegt. Den Besuchern ist es überlassen, entweder um das Gebäude zum Bibliothekseingang herumzugehen oder aber bei der Rämistrasse einzutreten und die internen seitlichen Korridore zur neuen Eingangshalle zu benützen, wo sich Garderobe und Schliesskästen befinden.

So reizvoll diese Kontrastierung von Alt und Neu optisch sein mag, so sehr ist sie aber vom städtebaulichen Standpunkt und aus der Sicht der Benutzer zu hinterfragen: Der Haupteingang der Bibliothek ist in den für Nichteingeweihte schwer auffindbaren Hinterhof an der Schönleinstrasse verbannt. Dennoch vermag dieser Aspekt den bleibenden Eindruck des Bibliothekseinbaus kaum zu schmälern.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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