Bauwerk
Millennium-Tower
Gustav Peichl, Boris Podrecca, Rudolf F. Weber - Wien (A) - 1999
Ist hoch sein wirklich alles?
Er ist sehr viel höher als der Stephansdom – der Millennium-Tower von Peichl, Podrecca und Weber am Wiener Handelskai. Über seine architektonischen Qualitäten läßt sich allerdings streiten.
24. April 1999 - Liesbeth Waechter-Böhm
Noch ist er eine Baustelle, der 202 Meter hohe Millennium-Tower in Wien. Mit 4000 geladenen Gästen gab es zwar Mitte der vergangenen Woche erste Eröffnungsfeierlichkeiten, aber die hatten lediglich das Einkaufszentrum zum Gegenstand, das sich mit seinen zahlreichen Geschäften auf zwei Ebenen des großen Neubaukomplexes erstreckt. Der Rest – ein Nutzungsmix der sattsam bekannten „urbanen“ Art, in der Hauptsache bestehend aus 400 Wohnungen und 38.000 Quadratmeter Bürofläche – harrt noch seiner Fertigstellung.
Wiens erstes Hochhaus – es überragt den Stephansdom – ist natürlich weithin sichtbar, es setzt ein neues Signal in der Stadtsilhouette. Denn richtige Hochhäuser hat es in Wien zuvor nie gegeben. Was in den letzten Jahren an der Wagramer Straße, auf der Platte, am Wienerberg entstanden ist, das waren möglicherweise hohe Häuser –Hochhäuser sind eine ganz andere Kategorie. Der entspricht das Projekt von Boris Podrecca, Gustav Peichl und Rudolf Weber –zumindest in seiner Höhe.
Trotzdem wird man darüber nicht glücklich. Denn ein architektonisches Highlight ist diese Bebauung nicht. Die spektakuläre Aussicht aus dem zwölfeinhalb Meter hohen, schräg verglasten Raum der „Kapuze“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß architektonisch wenig übrigbleibt.
Doch läßt sich dieser Bau nicht einfach polemisch abkanzeln – die „Verhältnisse“ sind zweifellos besondere: Die Nettobaukosten am Handelskai sind so exorbitant niedrig, daß sie Auswirkungen auf die architektonische Lösung haben müssen. Das Projekt kann und bietet nichts, was man nicht anderswo schon viel aufregender gesehen hätte. Es hält keine konzeptuellen Innovationen parat, es bietet technologisch nichts Besonderes, es ist in jeder Hinsicht so „schlicht“, wie es unter solchen finanziellen Umständen eben angesagt ist.
Einige städtebauliche Überlegungen Podreccas waren sicher richtig: etwa daß der Turm nicht einfach parallel zur Donau steht, sondern schräg, sodaß der Blick auf die Donau eindeutig attraktiver ist; gleichzeitig wird dadurch auch der Blick in Richtung Turm, auf seine schlanke „Hüfte“, zu einem bescheidenen optischen Vergnügen, weil da etwas nicht einfach nur plump in die Höhe ragt.
Städtebaulich ebenfalls richtig ist es außerdem, daß sich Podrecca geweigert hat, die Wohnbebauung als Front zur Donau zu formulieren. Das hätte die Stadt Wien zwar lieber gesehen, offenbar weil sie der Verkehrsbelastung am Handelskai derzeit noch hilflos gegenübersteht, aber Verkehrslösungen lassen sich ändern.
Die Kammstruktur der Wohnbebauung ist längerfristig das deutlich bessere Konzept. Die gläsernen Schallschutzwände, die die Höfe nun abschirmen, sind eine Übergangslösung, die man gegebenenfalls leicht eliminieren kann.
Podrecca hat das Hochhaus an eine Stelle gesetzt, die ihm städtebaulich besonders „heiß“ erschien: Es gibt eine Blickschneise zum Stephansdom, es gibt die Andeutung einer städtebaulichen Achse vom Donaukanal – und Podreccas Bau für die Basler Versicherung –bis zum Millennium-Tower. Letztere bedarf allerdings ohne Zweifel eines weiteren Ausbaus, damit sie wirklich nachvollziehbar wird.
Was die architektonische Durchbildung angeht, ist das Vorhaben schon sehr viel problematischer. Da nennt sich ein Projekt Millennium-Tower – und was steht dann da? Eine Wohnbebauung der konventionellen Art – man würde kein Wort darüber verlieren, wäre in diese Bebauung nicht auch das Hochhaus integriert. Und dann eben dieses Hochhaus. Es steht auf Stützen, die aus der Erde wachsen – sein „Fuß“ ist also nicht in irgendeinen Sockel verpackt –, es hat einen Schaft mit einer Glasfassade, und es hat darüber einen „Kopf“, bei dem der Glashaut noch eine Lamellenschicht vorgeschaltet ist.
Wie das Hochhaus aus der Erde wächst, auch wie es oben abschließt, das ist gelungen. Auch das Grundrißkonzept ist in Ordnung. Die Form des Hochhauses basiert auf zwei Kreisen, die einander überschneiden. Die Erschließung – es gibt zehn Lifte – und Nebenräume sowie Fluchtstiegen sind in den Kern eingerückt, an der donauabgewandten Seite, also Richtung Stadt, schiebt sich ein kantiger Block aus dem Gebäude heraus, der ein zusätzliches, großzügiges Raumangebot darstellt. Insofern ist das Hochhaus gelungen: Man kommt mit dem Lift irgendwo an, aber man sieht durch das Haus durch sowohl in Richtung Donau als auch in Richtung Stadt, man kann sich also immer orientieren.
Und das Konzept hält auch für den Verwerter etwas parat: Alle Flächen, die an der Fassade liegen, sind reine Nutzflächen, es gibt keine sekundäre Nutzung an der Fassade. Und Grundrisse und Erschließung sind so konzipiert, daß nicht nur in der Fläche vermietet werden kann, sondern daß auch Geschoße zusammengeschaltet werden können. Das sind Vorteile, die die Intelligenz der Lösung bezeugen.
Aber die trösten einen nicht über diese sehr bescheidene architektonische Gestalt hinweg. Podrecca wollte an der Schnittstelle der beiden Kreise, die die Hochhauskonfiguration bestimmen, eine Art Zippverschluß artikulieren. Hier sollten sich die Geschoße verzahnen wie an einer Naht.
Aber das hätte zusätzliche Kosten bedeutet, weil eine solche Lösung ein Mehr an Dämmung mit sich gebracht hätte. Jetzt wird die Naht durch eine spezielle Profillösung angedeutet, die allerdings nur ornamentalen Wert hat. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, daß zu einem Preis gebaut wurde, der eigentlich unter der Gürtellinie liegt.
Gerade von einem ersten wirklichen Hochhaus in Wien hätte man sich innovative Lösungen gewünscht. Und man hätte sich gewünscht, daß es einen gewichtigeren öffentlichen Part übernimmt, als es mit seiner schlichten Büronutzung tut. Die Nutzflächen für die Öffentlichkeit sind viel zu gering veranschlagt, um hier wirklich ein neues – urbanes – Zentrum zu schaffen.
Worin liegt der Nutzen dieses Projekts? Wer gewinnt daran? Die Architekten bestimmt nicht. Auch die Baufirmen nicht, denn die mußten Dumpingpreise durchziehen, frei nach dem Motto: Dabeisein ist alles. Der Gewinner ist schlicht und einfach jener Mittzwanziger, der alle Flächen verwertet, die am Handelskai zur Verfügung stehen; da geht es um die Dimensionen einer kleinen Stadt. Und das bedeutet ungeschmälerten Gewinn in mehrfacher Millionenhöhe.
Wiens erstes Hochhaus – es überragt den Stephansdom – ist natürlich weithin sichtbar, es setzt ein neues Signal in der Stadtsilhouette. Denn richtige Hochhäuser hat es in Wien zuvor nie gegeben. Was in den letzten Jahren an der Wagramer Straße, auf der Platte, am Wienerberg entstanden ist, das waren möglicherweise hohe Häuser –Hochhäuser sind eine ganz andere Kategorie. Der entspricht das Projekt von Boris Podrecca, Gustav Peichl und Rudolf Weber –zumindest in seiner Höhe.
Trotzdem wird man darüber nicht glücklich. Denn ein architektonisches Highlight ist diese Bebauung nicht. Die spektakuläre Aussicht aus dem zwölfeinhalb Meter hohen, schräg verglasten Raum der „Kapuze“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß architektonisch wenig übrigbleibt.
Doch läßt sich dieser Bau nicht einfach polemisch abkanzeln – die „Verhältnisse“ sind zweifellos besondere: Die Nettobaukosten am Handelskai sind so exorbitant niedrig, daß sie Auswirkungen auf die architektonische Lösung haben müssen. Das Projekt kann und bietet nichts, was man nicht anderswo schon viel aufregender gesehen hätte. Es hält keine konzeptuellen Innovationen parat, es bietet technologisch nichts Besonderes, es ist in jeder Hinsicht so „schlicht“, wie es unter solchen finanziellen Umständen eben angesagt ist.
Einige städtebauliche Überlegungen Podreccas waren sicher richtig: etwa daß der Turm nicht einfach parallel zur Donau steht, sondern schräg, sodaß der Blick auf die Donau eindeutig attraktiver ist; gleichzeitig wird dadurch auch der Blick in Richtung Turm, auf seine schlanke „Hüfte“, zu einem bescheidenen optischen Vergnügen, weil da etwas nicht einfach nur plump in die Höhe ragt.
Städtebaulich ebenfalls richtig ist es außerdem, daß sich Podrecca geweigert hat, die Wohnbebauung als Front zur Donau zu formulieren. Das hätte die Stadt Wien zwar lieber gesehen, offenbar weil sie der Verkehrsbelastung am Handelskai derzeit noch hilflos gegenübersteht, aber Verkehrslösungen lassen sich ändern.
Die Kammstruktur der Wohnbebauung ist längerfristig das deutlich bessere Konzept. Die gläsernen Schallschutzwände, die die Höfe nun abschirmen, sind eine Übergangslösung, die man gegebenenfalls leicht eliminieren kann.
Podrecca hat das Hochhaus an eine Stelle gesetzt, die ihm städtebaulich besonders „heiß“ erschien: Es gibt eine Blickschneise zum Stephansdom, es gibt die Andeutung einer städtebaulichen Achse vom Donaukanal – und Podreccas Bau für die Basler Versicherung –bis zum Millennium-Tower. Letztere bedarf allerdings ohne Zweifel eines weiteren Ausbaus, damit sie wirklich nachvollziehbar wird.
Was die architektonische Durchbildung angeht, ist das Vorhaben schon sehr viel problematischer. Da nennt sich ein Projekt Millennium-Tower – und was steht dann da? Eine Wohnbebauung der konventionellen Art – man würde kein Wort darüber verlieren, wäre in diese Bebauung nicht auch das Hochhaus integriert. Und dann eben dieses Hochhaus. Es steht auf Stützen, die aus der Erde wachsen – sein „Fuß“ ist also nicht in irgendeinen Sockel verpackt –, es hat einen Schaft mit einer Glasfassade, und es hat darüber einen „Kopf“, bei dem der Glashaut noch eine Lamellenschicht vorgeschaltet ist.
Wie das Hochhaus aus der Erde wächst, auch wie es oben abschließt, das ist gelungen. Auch das Grundrißkonzept ist in Ordnung. Die Form des Hochhauses basiert auf zwei Kreisen, die einander überschneiden. Die Erschließung – es gibt zehn Lifte – und Nebenräume sowie Fluchtstiegen sind in den Kern eingerückt, an der donauabgewandten Seite, also Richtung Stadt, schiebt sich ein kantiger Block aus dem Gebäude heraus, der ein zusätzliches, großzügiges Raumangebot darstellt. Insofern ist das Hochhaus gelungen: Man kommt mit dem Lift irgendwo an, aber man sieht durch das Haus durch sowohl in Richtung Donau als auch in Richtung Stadt, man kann sich also immer orientieren.
Und das Konzept hält auch für den Verwerter etwas parat: Alle Flächen, die an der Fassade liegen, sind reine Nutzflächen, es gibt keine sekundäre Nutzung an der Fassade. Und Grundrisse und Erschließung sind so konzipiert, daß nicht nur in der Fläche vermietet werden kann, sondern daß auch Geschoße zusammengeschaltet werden können. Das sind Vorteile, die die Intelligenz der Lösung bezeugen.
Aber die trösten einen nicht über diese sehr bescheidene architektonische Gestalt hinweg. Podrecca wollte an der Schnittstelle der beiden Kreise, die die Hochhauskonfiguration bestimmen, eine Art Zippverschluß artikulieren. Hier sollten sich die Geschoße verzahnen wie an einer Naht.
Aber das hätte zusätzliche Kosten bedeutet, weil eine solche Lösung ein Mehr an Dämmung mit sich gebracht hätte. Jetzt wird die Naht durch eine spezielle Profillösung angedeutet, die allerdings nur ornamentalen Wert hat. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, daß zu einem Preis gebaut wurde, der eigentlich unter der Gürtellinie liegt.
Gerade von einem ersten wirklichen Hochhaus in Wien hätte man sich innovative Lösungen gewünscht. Und man hätte sich gewünscht, daß es einen gewichtigeren öffentlichen Part übernimmt, als es mit seiner schlichten Büronutzung tut. Die Nutzflächen für die Öffentlichkeit sind viel zu gering veranschlagt, um hier wirklich ein neues – urbanes – Zentrum zu schaffen.
Worin liegt der Nutzen dieses Projekts? Wer gewinnt daran? Die Architekten bestimmt nicht. Auch die Baufirmen nicht, denn die mußten Dumpingpreise durchziehen, frei nach dem Motto: Dabeisein ist alles. Der Gewinner ist schlicht und einfach jener Mittzwanziger, der alle Flächen verwertet, die am Handelskai zur Verfügung stehen; da geht es um die Dimensionen einer kleinen Stadt. Und das bedeutet ungeschmälerten Gewinn in mehrfacher Millionenhöhe.
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