Bauwerk
Garten Landolt
Dieter Kienast - Riehen (CH) - 1995
Natur und Architektur im Dialog
1. März 1999 - Udo Weilacher
«Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage», bemerkte der kürzlich verstorbene Landschaftsarchitekt Dieter Kienast, «denn er fordert das, was in unserer Gesellschaft am seltensten und kostbarsten ist: Zeit, Zuwendung und Raum.» Für den international renommierten Professor, der unter anderem für die Freiraumgestaltung an der Expo 2000 in Hannover und der Tate Gallery of Modern Art in London verantwortlich war, definierte sich ein Garten nicht primär über die Grundstücksgrösse, sondern auch über den Grad der gärtnerischen Zuwendung und gedanklichen Auseinandersetzung.
Die Gestaltung des 800 Quadratmeter grossen Hausgartens der Familie Landolt in Riehen verdeutlicht, dass es dazu keiner verschwenderischen Formenvielfalt bedarf. «Die Anreicherung des Raumes geschieht von selbst, während wir Sorge dafür tragen müssen, den tragfähigen Rahmen zu schaffen», erklärte Kienast.
Seine Projekte leben vom dualen Prinzip von Ordnung und Chaos, was bereits im Gartenplan sichtbar wird. Eine einfache architektonische Komposition aus orthogonal angelegten Wegen, Staudenbeeten und Wasserbecken sowie präzise
konstruierten Mauern und Heckenwänden bildet das Ordnungsprinzip, während wie auf einer zweiten, kontrastierenden Ebene ein lockeres Arrangement aus bestehenden und zu pflanzenden Bäumen schwebt. Das Layout des Gartens
integriert mühelos den Grundriss des Wohnhauses, das der Basler Architekt Rudolf Preiswerk in den dreissiger Jahren errichtete. 1995 wurden die Architekten Herzog & de Meuron mit dem Hausumbau beauftragt und zogen auf Ersuchen der Bauherren den Zürcher Gartenarchitekten Dieter Kienast hinzu.
Die Familie wünschte sich «einen fröhlichen Garten, der blühen und duften sollte, ein Revier zum Erholen, einen meditativen Ort und keine überbordende Fülle aus Farben und Formen.» Kienast entwickelte deshalb in Einklang mit der markanten Konzeption der Architekten die Idee, im subtilen Dialog von Natur und Architektur den Garten in einen unverwechselbaren Ort poetischer Sinnlichkeit zu verwandeln. Ein Gartenrundgang verdeutlicht, dass sich hinter dem dialektischen Gestaltungskonzept des Plans eine reizvolle Raumkomposition verbirgt. Neben der Strassenfront des zweistöckigen Wohnhauses steigt eine enge Treppe zum Hauseingang an der Westfassade hinauf. Den markiert die bizarre Gestalt einer Robinie, die dem auskragenden Obergeschoss elegant auszuweichen scheint. Graziles Geäst und spröde Baumrinde spiegeln sich auf dunklen Glasoberflächen rahmenloser Fenster.
Alle Gartenwege sind mit 1 1 Meter grossen Betonplatten belegt. Kienasts Werke lehren, dass Beton und Stahl der Gartenschönheit keineswegs abträglich sind. «Matériaux bruts» können im Garten die Sensibilität für Natur sogar steigern. Die Betonplatten rücken entlang der Westfassade eine Handbreit auseinander und gönnen dem Frauenmantel gerade genug Lebensraum, um sein fächerförmiges Blattwerk zu entfalten. Oder sind es die zarten Stauden, die die schweren Platten zur Seite schieben? Der frischgrüne Streifen weist den Weg zum Hauptteil des Gartens, der durch eine Thujahecke räumlich gefasst wird. In ihrem Schutz entwickelt sich in einer zweiten Schicht eine neue, geschnittene Buchenhecke, deren variantenreiche Grüntöne sich in jahreszeitlichem Wechsel vom dunklen Immergrün abheben.
Vor der südlichen Fensterfront des Wohnzimmers spannt der Plattenweg eine quadratische Fläche auf, die dreifach geteilt ist: ein Wasserbecken, ein zentrales Rasenfeld und ein Blumenbeet. Letzteres flankiert die westliche Rasenkante und ist in streifenförmigem Schema mit Anemonen, Astern, Christrosen, Frauenmantel, Funkien, Rosen, Schneeball und Storchschnabel bepflanzt. Wenn die Blütenpracht in Weiss-, Blau- und Grüntönen erwacht, haucht sie der strengen Grundkonzeption Leben ein und entlarvt die präzise Tuschelinie auf dem Plan als abstraktes Konstrukt. «Strenge allein», so Dieter Kienast, «kann sehr dogmatisch sein.» Die rechte Seite des Rasenteppichs begrenzt ein 15 3 Meter grosses Wasserbecken. Schwere, 30 Zentimeter hohe U-Stahlträger sind exakt zu einem Rahmen verschweisst.
Man ahnt die Vorliebe des Romantikers Kienast für die sachlichen Werke der Minimal art und erkennt, dass Einfachheit in der Form keinesfalls Einfachheit des ästhetischen Erlebnisses bedeutet. Die Wasseroberfläche reicht haarscharf bis an die Oberkante des rostroten bis schwärzlichen Rohstahls, wirkt wie eines der rahmenlosen Fenster und spiegelt den Himmel. Mehr noch, sie registriert die Lebendigkeit des Gartens: Frühlingswind, Froschsprung, Seerosenblüte, Mondlicht, Libellentanz, Blütenregen, Laubfall, Nachtfrost, Schneedecke. Ganz in der Nähe präsentiert ein einzelner Blütenhartriegel im Juni seinen schlichten weissen Flor. Er akzentuiert den Mittelgrund des Gartenbildes, während der Baumbestand als Hintergrund und Rahmen dient.
Die Vormittagssonne entlockt den Gewürzpflanzen im Kräutergarten aromatische Düfte, die durch das Fenster an der südöstlichen Ecke des Hauses in die Küche strömen. Die angrenzende Glasfront der grossen, über beide Geschosse reichenden Halle wendet sich dagegen von der Sonne nach Nordosten ab. Ein intensiver grüner Schimmer dringt aus dem Farngarten im Schatten alter Bäume ins Innere und vermittelt das Gefühl, im Freien zu sein. Nur der Kontrast zwischen dem dunklen Schiefergrau des inneren und dem hellen Betongrau des äusseren Plattenbelages signalisiert, dass es nicht um das Verwischen des Überganges zwischen Innen und Aussen geht.
Es sind die Grenzen, die Brüche, die Kienast in seinem Werk kultivierte. Auch sein eigenes Leben, gestand der feinfühlige Routinier, war bestimmt von Brüchen, die für Spannung, aber zugleich für die Erweiterung sinnlicher Felder sorgten. Für Kienast musste der Aussenraum ein sinnlicher Ort sein. Die Familie Landolt geniesst heute gleich mehrere poetische Gartenräume, schenkt ihnen liebevolle Zuwendung und wird erleben, wie sie mit der Zeit immer mehr ihren unverwechselbaren Zauber entfalten.
Die Gestaltung des 800 Quadratmeter grossen Hausgartens der Familie Landolt in Riehen verdeutlicht, dass es dazu keiner verschwenderischen Formenvielfalt bedarf. «Die Anreicherung des Raumes geschieht von selbst, während wir Sorge dafür tragen müssen, den tragfähigen Rahmen zu schaffen», erklärte Kienast.
Seine Projekte leben vom dualen Prinzip von Ordnung und Chaos, was bereits im Gartenplan sichtbar wird. Eine einfache architektonische Komposition aus orthogonal angelegten Wegen, Staudenbeeten und Wasserbecken sowie präzise
konstruierten Mauern und Heckenwänden bildet das Ordnungsprinzip, während wie auf einer zweiten, kontrastierenden Ebene ein lockeres Arrangement aus bestehenden und zu pflanzenden Bäumen schwebt. Das Layout des Gartens
integriert mühelos den Grundriss des Wohnhauses, das der Basler Architekt Rudolf Preiswerk in den dreissiger Jahren errichtete. 1995 wurden die Architekten Herzog & de Meuron mit dem Hausumbau beauftragt und zogen auf Ersuchen der Bauherren den Zürcher Gartenarchitekten Dieter Kienast hinzu.
Die Familie wünschte sich «einen fröhlichen Garten, der blühen und duften sollte, ein Revier zum Erholen, einen meditativen Ort und keine überbordende Fülle aus Farben und Formen.» Kienast entwickelte deshalb in Einklang mit der markanten Konzeption der Architekten die Idee, im subtilen Dialog von Natur und Architektur den Garten in einen unverwechselbaren Ort poetischer Sinnlichkeit zu verwandeln. Ein Gartenrundgang verdeutlicht, dass sich hinter dem dialektischen Gestaltungskonzept des Plans eine reizvolle Raumkomposition verbirgt. Neben der Strassenfront des zweistöckigen Wohnhauses steigt eine enge Treppe zum Hauseingang an der Westfassade hinauf. Den markiert die bizarre Gestalt einer Robinie, die dem auskragenden Obergeschoss elegant auszuweichen scheint. Graziles Geäst und spröde Baumrinde spiegeln sich auf dunklen Glasoberflächen rahmenloser Fenster.
Alle Gartenwege sind mit 1 1 Meter grossen Betonplatten belegt. Kienasts Werke lehren, dass Beton und Stahl der Gartenschönheit keineswegs abträglich sind. «Matériaux bruts» können im Garten die Sensibilität für Natur sogar steigern. Die Betonplatten rücken entlang der Westfassade eine Handbreit auseinander und gönnen dem Frauenmantel gerade genug Lebensraum, um sein fächerförmiges Blattwerk zu entfalten. Oder sind es die zarten Stauden, die die schweren Platten zur Seite schieben? Der frischgrüne Streifen weist den Weg zum Hauptteil des Gartens, der durch eine Thujahecke räumlich gefasst wird. In ihrem Schutz entwickelt sich in einer zweiten Schicht eine neue, geschnittene Buchenhecke, deren variantenreiche Grüntöne sich in jahreszeitlichem Wechsel vom dunklen Immergrün abheben.
Vor der südlichen Fensterfront des Wohnzimmers spannt der Plattenweg eine quadratische Fläche auf, die dreifach geteilt ist: ein Wasserbecken, ein zentrales Rasenfeld und ein Blumenbeet. Letzteres flankiert die westliche Rasenkante und ist in streifenförmigem Schema mit Anemonen, Astern, Christrosen, Frauenmantel, Funkien, Rosen, Schneeball und Storchschnabel bepflanzt. Wenn die Blütenpracht in Weiss-, Blau- und Grüntönen erwacht, haucht sie der strengen Grundkonzeption Leben ein und entlarvt die präzise Tuschelinie auf dem Plan als abstraktes Konstrukt. «Strenge allein», so Dieter Kienast, «kann sehr dogmatisch sein.» Die rechte Seite des Rasenteppichs begrenzt ein 15 3 Meter grosses Wasserbecken. Schwere, 30 Zentimeter hohe U-Stahlträger sind exakt zu einem Rahmen verschweisst.
Man ahnt die Vorliebe des Romantikers Kienast für die sachlichen Werke der Minimal art und erkennt, dass Einfachheit in der Form keinesfalls Einfachheit des ästhetischen Erlebnisses bedeutet. Die Wasseroberfläche reicht haarscharf bis an die Oberkante des rostroten bis schwärzlichen Rohstahls, wirkt wie eines der rahmenlosen Fenster und spiegelt den Himmel. Mehr noch, sie registriert die Lebendigkeit des Gartens: Frühlingswind, Froschsprung, Seerosenblüte, Mondlicht, Libellentanz, Blütenregen, Laubfall, Nachtfrost, Schneedecke. Ganz in der Nähe präsentiert ein einzelner Blütenhartriegel im Juni seinen schlichten weissen Flor. Er akzentuiert den Mittelgrund des Gartenbildes, während der Baumbestand als Hintergrund und Rahmen dient.
Die Vormittagssonne entlockt den Gewürzpflanzen im Kräutergarten aromatische Düfte, die durch das Fenster an der südöstlichen Ecke des Hauses in die Küche strömen. Die angrenzende Glasfront der grossen, über beide Geschosse reichenden Halle wendet sich dagegen von der Sonne nach Nordosten ab. Ein intensiver grüner Schimmer dringt aus dem Farngarten im Schatten alter Bäume ins Innere und vermittelt das Gefühl, im Freien zu sein. Nur der Kontrast zwischen dem dunklen Schiefergrau des inneren und dem hellen Betongrau des äusseren Plattenbelages signalisiert, dass es nicht um das Verwischen des Überganges zwischen Innen und Aussen geht.
Es sind die Grenzen, die Brüche, die Kienast in seinem Werk kultivierte. Auch sein eigenes Leben, gestand der feinfühlige Routinier, war bestimmt von Brüchen, die für Spannung, aber zugleich für die Erweiterung sinnlicher Felder sorgten. Für Kienast musste der Aussenraum ein sinnlicher Ort sein. Die Familie Landolt geniesst heute gleich mehrere poetische Gartenräume, schenkt ihnen liebevolle Zuwendung und wird erleben, wie sie mit der Zeit immer mehr ihren unverwechselbaren Zauber entfalten.
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